TRANSREAL

Das vom ACRP geförderte Projekt TRANSREAL hat in zwei österreichischen Regionen das Potenzial für transformative Klimamaßnahmen im ländlichen Raum ausgelotet. Für das Politikfeld der Siedlungsentwicklung wurden klimapolitische relevante Vorschläge erarbeitet, die aufzeigen, wie kurzfristig umsetzbare Schritte zu radikalen, d.h. grundlegenden Veränderungen beitragen können.

Motivation für das Projekt war der Befund, dass Klimamaßnahmen bisher selten ausreichend wirksam sind, um Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbrauch nachhaltig zu senken, sich an unausweichliche Auswirkungen des Klimawandels anzupassen sowie die strukturellen Ursachen der Klimakrise zu verändern. Derzeit ist es für Einzelne in Österreich schwierig, klimafreundlich zu leben, weil bestehende Rahmenbedingungen oftmals klimaschädigendes Verhalten fördern (APCC 2023). Um klimafreundliche Lebensweisen und Praktiken zu ermöglichen, braucht es die Transformation bestehender Rahmenbedingungen, allen voran von Infrastrukturen und Gesetzen. Nötig sind Maßnahmen, die auf grundlegende Veränderungen von emissionserzeugenden, ressourcenintensiven und oft klimavulnerablen Strukturen hinwirken.

Pragmatismus mit radikalem Horizont

Das Projekt wurde von der Wirtschaftsuniversität Wien, Institute for Multilevel Governance and Development, geleitet und mit dem Umweltbundesamt sowie dem Verein Degrowth Vienna umgesetzt. Anknüpfend an den Special Report des APCC zu „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ (APCC 2023) hat TRANSREAL ein vertieftes Verständnis von transformativen Klimamaßnahmen erarbeitet. Hierzu wurden Konzepte aus der sozialökologischen und klimawissenschaftlichen Transformationsforschung systematisch mit Ansätzen der Alltagsökonomie (dies umfasst Leistungen und Güter der Daseinsvorsorge, wie Nahversorgung mit Lebensmitteln und Gesundheitsleistungen, öffentliche Infrastrukturen, Wohnraumbereitstellung) und der Suffizienzforschung (Senkung des Verbrauchs von Energie und Ressourcen) verschränkt. 

Radikale (d.h. an die Wurzel von Problemen gehende) Maßnahmen allein sind allerdings schwer umsetzbar, wie z.B. verbindliche quantitative Ziele zur Senkung von Flächeninanspruchnahme oder Wohnflächen. Pragmatische, im Schrittweisen verharrende Maßnahmen allein sind demgegenüber selten wirksam, wie z.B. vereinzelte lokale Good-Practice-Maßnahmen. Transformativ sind hingegen Maßnahmenbündel, die pragmatische Schritte und radikale Veränderungen verbinden, d.h. das Notwendige mit dem Möglichen, das Inkrementelle mit dem Visionären, kurzfristige Ziele für ein sicheres und gutes Leben mit langfristigen und ambitionierten klimapolitischen Zielen, innerhalb planetarischer Grenzen zu bleiben. Klimapolitik braucht somit „Pragmatismus mit radikalem Horizont“. 

So kann zum Beispiel die Wiederbelebung von Ortskernen mit einzelnen kleineren Maßnahmen wie Kulturveranstaltungen, der Reduktion von KFZ-Stellplätzen und Baumpflanzungen oder der Ansiedlung eines Nahversorgers in einem leerstehenden Gebäude beginnen. Unmittelbar spürbare Verbesserungen der Lebensqualität können für weitergehende Schritte genutzt werden, wie zur Einrichtung eines umfassenden kommunalen Leerstands- und Brachflächenmanagements oder dem Ausbau öffentlicher Verkehrsangebote und der Infrastruktur für bewegungsaktive Mobilität (Radwege, Fußwege). Durch gezielte Bündelung weiterer Maßnahmen, von Förderungen bis zur örtlichen Raumplanung, kann es dann gelingen, eine konsequent nach innen orientierte, flächensparende und verkehrsarme Siedlungsentwicklung mit substanziell reduzierten THG-Emissionen umzusetzen. 

Merkmale transformativer Klimamaßnahmen

Darauf basierend hat das Projekt zentrale Merkmale von transformativen Klimamaßnahmen entwickelt. Zentrale Anforderungen sind dabei:
- zielorientiertes Handeln zur Schaffung klimagerechter Rahmenbedingungen;
- die Erweiterung enger klimapolitischer Ziele um soziale und weitere ökologische 
   Anliegen (klimasozial);
- gut vernetztes Handeln auf unterschiedlichen Ebenen;
- die Sicherung von Grundversorgung bei gleichzeitiger Einschränkung von Überkonsum 
  und Überproduktion (Suffizienzorientierung);
- Priorität für die Vermeidung von Emissionen und Ressourcenverbrauch 
  (Vorsorgeprinzip);
- die Bildung breiter Akteursallianzen.

Lage der beiden LEADER-Regionen, für die gemeinsam mit Stakeholdern transformative Klimamaßnahmen erarbeitet wurden
Lage der beiden LEADER-Regionen, für die gemeinsam mit Stakeholdern transformative Klimamaßnahmen erarbeitet wurden

Pilotprojekte für klimafreundliche Siedlungsstrukturen

TRANSREAL hat diese Merkmale in partizipativen Prozessen in zwei bereits klimaengagierten österreichischen LEADER-Regionen angewendet: LAG Oststeirisches Kernland (Fallbeispielsgemeinde Pöllau) und LAG Regionalmanagement regio3 (Fallbeispielsgemeinde St. Johann in Tirol). In beiden Regionen wurde das Thema „Siedlungsstrukturen, Wohnen und Mobilität“ als zentrales Transformationsfeld identifiziert. Akute soziale und ökologische Herausforderungen der Gemeinde- und Regionalentwicklung, wie Bodenschonung, Ortskernbelebung, Leerstand und leistbares Wohnen, hängen eng mit Siedlungsstrukturen zusammen, die durch wachsende Flächeninanspruchnahme, Zersiedelung und ein autozentriertes Mobilitätssystem geprägt sind. Diese sind wesentliche Verursacher von Treibhausgas-Emissionen und gleichzeitig oft Treiber von Verletzlichkeiten gegenüber Klimawandelfolgen.

In strukturierten Stakeholder-Interaktionen (Workshops, Online-Dialoge) und in engem Austausch mit regionalen Entscheidungstragenden wurden Vorschläge für konkrete Klimamaßnahmen mit transformativem Potenzial entwickelt und in Form von Green Papers für Umsetzungsprozesse bereitgestellt. Das Green Paper in der Tiroler Region adressiert den Mangel an leistbarem Wohnraum in der Gemeinde St. Johann und schlägt – im Sinne des Gedankens der (Wohn)Flächensuffizienz - Maßnahmen zur Aktivierung von „unsichtbarem Wohnraum“, zur Aktivierung von Gebäudeleerstand und zur Reduktion von Freizeitwohnsitzen vor. Für die steirische LEADER-Region wird ein Pilotprojekt zur Weiterentwicklung der LEADER-Organisation zum regionalen Transformationsmanagement für klimafreundliche Siedlungs- und Mobilitätsstrukturen vorgeschlagen. Weiters liegt ein Policy Paper vor, das sich an die Förderpolitik richtet und innovative regionale Governance-Modelle für die Gestaltung regionaler Veränderungsprozesse vorschlägt.

Weitere Informationen

Green Paper: Innovative Governance von klimafreundlicher Regionalentwicklung (LAG Oststeirisches Kernland) 

Green Paper: Wie weniger besser für alle ist (St. Johann i.T.)

Policy Paper: Regionale Transformationsagenturen

Policy Brief: Transformative Klimamaßnahmen

SRE-Discussion Paper: Transformative Climate Actions

WU Wien (Projektseite)