ENVISAGE-CC: Klimawandelfolgen und Großprojekte

Große Infrastrukturprojekte werden meist für eine jahrzehntelange Nutzungsdauer geplant und sind daher besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Wie können Klimawandelfolgen und –anpassung bereits in der Planung solcher UVP-pflichtiger Großprojekte berücksichtigt werden? Dieser Frage ging das Projekt ENVISAGE-CC unter Einbindung relevanter AkteurInnen großer österreichischer Infrastrukturbetreiber nach.

Große Infrastrukturprojekte mit einer Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnten, wie z.B. Eisenbahnen, Straßen, Überland-Stromleitungen und Kraftwerke, werden innerhalb ihres Lebenszyklus von den sich ändernden klimatischen Bedingungen besonders betroffen sein. Daher ist es sinnvoll, Klimawandelfolgen und Anpassungsoptionen bereits in der Planungs- und Konzeptionsphase derartiger Großprojekte zu berücksichtigen. Großprojekte mit einer langen Nutzungsdauer unterliegen häufig der UVP-Pflicht. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) kann hier eine Möglichkeit bieten, Informationen über die Projektumwelt sowie zu den direkten Einwirkungen des Klimawandels auf Projekte in die Projektplanung und das Projektdesign einzubinden.

Welche Auswirkungen des Klimawandels sind für UVP-pflichtige Großprojekte relevant? Wie ist das Bewusstsein für Klimawandelfolgen und Anpassungsoptionen, insbesondere bei ProjektwerberInnen? Und wie können Klimawandelfolgen und Anpassung in der Projekt-Planungspraxis berücksichtigt werden? Diese Fragestellungen standen im Mittelpunkt des vom Klima- und Energiefonds geförderten Projektes ENVISAGE-CC (ENVironmental Impact assessment Satisfying Adaptation Goals Evolving from Climate Change).

Wirkrichtungen Klimawandel – Großprojekt – Projektumwelt

ENVISAGE-CC wurde in enger Zusammenarbeit mit österreichischen AkteurInnen (ProjektwerberInnen) von großen Infrastrukturvorhaben durchgeführt. Aus qualitativen Interviews mit diesen AkteurInnen und aus einer umfangreichen Literaturstudie lassen sich klimawandelbezogene Auswirkungen auf UVP-pflichtige Großprojekte in verschiedenen Wirkrichtungen feststellen. Die nachfolgende Grafik stellt das Wirkungsgefüge zwischen Klimawandel, Projekt und Umwelt/Schutzgütern vereinfacht dar. Veränderungenauf Projekt und Projektumwelt können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern stehen miteinander in Beziehung.

Darstellung des Bezuges zwischen Projekt und Projektumwelt unter der Einflussnahme des Klimawandels
Beispiel für den Bezug zwischen Projekt und Projektumwelt unter der Einflussnahme des Klimawandels

Meteorologische Phänomene (wie Hitze oder kleinräumige Starkniederschläge), die direkte Auswirkungen auf Großprojekte haben, können klimawandelbedingt in veränderter Häufigkeit oder Intensität auftreten. Beispielsweise kann ein vermehrtes Auftreten von Starkniederschlägen zu Überlastung von Drainagesystemen und Überschwemmungen führen. Die Auswirkungen auf die Projekte können neben direkten Auswirkungen, ebenso in einem indirekten Zusammenhang mit der (in der UVP betrachteten) Projektumwelt stehen. Die folgende Tabelle zeigt zu drei unterschiedlichen Naturphänomenen direkte und indirekte Auswirkungen auf Projekte.

Beispiele für direkte und indirekte Auswirkungen auf Projekte
Beispiele für direkte und indirekte Auswirkungen auf Projekte

Neben den (indirekten und direkten) Auswirkungen auf das Projekt, kommt es auch generell zu Veränderungen in der Projektumwelt (Schutzgüter) durch den Klimawandel. Schon heute sind Arealverschiebungen von einigen Tier- und Pflanzenarten zu beobachten, ebenso wie eine verstärkte Ausbreitung wärmeliebender gebietsfremder Arten (Neobiota). Manche dieser klimawandelbedingten Veränderungen können beispielsweise bei der Planung von Ausgleichsmaßnahmen relevant sein, wenn es z.B. um den Erhalt- oder die Wiederherstellung von Lebensraumvernetzung (Biotopverbund) geht. Veränderte Klimabedingungen können darüber hinaus auch dazu führen, dass sich die Auswirkungen der Projekte auf die Umwelt ändern. So können Hochwasserschäden an Infrastrukturen in weiterer Folge auch eine Gefährdung für bzw. negative Auswirkung auf (angrenzende) Lebensräume darstellen.

Ergebnisse in Form eines strategischen Unterstützungs-Tools

Alle diese Wirkrichtungen sollten zukünftig in der Planung langfristiger Großprojekte (verstärkt) Berücksichtigung finden. Die in ENVISAGE-CC entwickelte „Strategische Unterstützung bei der Projektplanung zur Berücksichtigung von Klimawandelfolgen“ bietet eine erste Hilfestellung in einer sehr frühen Projektplanungsphase. Die Strategische Unterstützung enthält einen komprimierten Überblick über mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf unterschiedliche Projekttypen in Form von „Projektblättern“. Betrachtet wurden dabei folgende Projekttypen: Bahnanlagen, Straßen, Starkstromleitungen, Windenergieanlagen, Wasserkraftwerke und Stauanlagen, Schifffahrtsstrecken, Schigebiete, Städtebauliche Vorhaben, Golfplätze. Darüber hinaus hilft ein „Klimawandelfolgen-Check“ zu entscheiden, in welchem Ausmaß die Berücksichtigung von Klimawandelfolgen und Anpassung für ein konkretes Projekt prinzipiell sinnvoll ist (z.B. je nach Nutzungsdauer, Standort etc.) und welche klimawandelbedingten Aspekte (Auswirkungen auf Projekt und Umwelt) für das Projekt wesentlich sind und berücksichtigt werden sollten.

WeitereSchritte zur Berücksichtigung von Klimawandel

Die künftigen klimawandelbedingten Herausforderungen und Chancen sollen frühzeitig in die Projektplanung einbezogen werden, wobei dies nicht nur für die Projekte selbst (das Projektdesign), sondern auch für die (in der UVP untersuchten) Projektumwelt gilt. So können Anpassungsmaßnahmen vorsorglich in der Projektplanung mit überlegt werden, um negative Auswirkungen zu verhindern sowie ggf. Synergien frühzeitig zu nutzen.

Dennoch kann eine alleinige Berücksichtigung von Klimawandelanpassung auf der Projektebene (UVP-Ebene) für einige Entscheidungen ein zu später Ansatz sein. Auch auf  übergeordneten Planungsebenen (wie in Plänen, Programmen und Politiken) sollten Klimawandelfolgen und -anpassung berücksichtigt werden, z.B. bei der strategischen Standortwahl und Alternativenprüfung.

Durch die aktuelle Novellierung der UVP-Richtlinie (RL 2011/92/EU) wird die Thematisierung des Klimawandels bei UVP-pflichtigen Projekten zukünftig an Bedeutung gewinnen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts ENVISAGE-CC können hierzu eine erste Grundlage liefern. Die Befragung der AkteurInnen und ExpertInnen hat zwar ein Bewusstsein für Klimawandelfolgen und -anpassung sowie deren Relevanz für zukünftige Großprojekte bestätigt, eine konkrete Berücksichtigung in die derzeitige Projektplanungs-Praxis gibt es jedoch kaum. In der praktischen Umsetzung bestehen für die AkteurInnen – trotz erster Ansätze - noch einige Herausforderungen , wie z.B. die Verfügbarkeit von regionalen/lokalen Daten für die Projektebene, der Transfer von wissenschaftlichen Grundlagen in die Praxis, die methodische Herangehensweise in der Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Umgang mit Unsicherheiten. Hier bedarf es noch weiterer Forschung und eines Diskurses, der relevante Akteursgruppen (ProjektwerberInnen, PlanerInnen und Behörden) einbindet.

Die Ergebnisse von ENVISAGE-CC sind u.a. in einerStrategische Unterstützung bei der Projektplanung zur Berücksichtigung von Klimawandelfolgenzusammengestellt. (Oktober, 2014)

Weiterführende Informationen:

Projektleitung:

ÖIR Österreichisches Institut für Raumplanung
Mag. Gregori Stanzer  stanzer@oir.at

Projektpartner:

Umweltbundesamt GmbH
BOKU Wien, Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit
BOKU Wien, Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung
Projektlaufzeit: Mai 2013 bis Nov. 2014

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