Klimafitte Stadtbäume und das Schwammstadtprinzip

Wien ist mit einem Grünflächenanteil von mehr als 50 % nicht nur die lebenswerteste (Mercer: Quality of living ranking 2019), sondern auch die grünste Stadt der Welt. Um das Leben in der Stadt in Zeiten des Klimawandels erträglicher zu machen, sind die Erhaltung des Baumbestandes einerseits und die Neupflanzung von (Straßen-) Bäumen andererseits wichtige Maßnahmen. Ein innovatives Konzept – das Schwammstadtprinzip – verbessert dabei die Lebensbedingungen von Bäumen erheblich.

Heiße und trockene Sommer, gefolgt von punktuell auftretenden Starkregenereignissen, die Kanalsysteme überlasten und für lokale Überflutungen sorgen, sind Klimawandelfolgen, mit welchen Stadtverwaltungen künftig umgehen müssen. Daher ist der schattenspendende und kühlende Effekt von Bäumen umso wichtiger. Diese fungieren dank ihrer Eigenschaften als natürliche Klimaanlage und als CO2- und Regenwasserspeicher. 40 Jahre kann es dauern, bis sie ihr volles Potenzial entfalten, vorausgesetzt, sie haben geeigneten unterirdischen Wurzelraum mit Poren für Bodenluft und Bodenwasser. Dies zu erfüllen ist im städtischen Raum gar nicht so einfach, da der unterirdische Straßenbereich mit Gas-, Kanal-, Wasser- und Internetleitungen verbaut ist. Oft sterben Stadtbäume aufgrund fehlender Nährstoff-, Luft- und Wasserzufuhr bereits nach 15–20 Jahren ab. Aber nur dann, wenn Bäume groß genug sind, gibt es genug Schatten und somit auch genug Verdunstungsoberfläche. Daher ist eine ausgeklügelte Strategie hinter der Bepflanzung von Stadtbäumen umso wichtiger.

In Wien beträgt der Anteil an Grünflächen bereits heute über 53 %. Jährlich kommen circa 4500 Bäume zu den bereits bestehenden 500 000 hinzu. Der Großteil davon wird im Herbst gesetzt, da in dieser Jahreszeit Bäume ideale Startbedingungen vorfinden. Zusätzlich müssen Stadtbäume mit Bedingungen wie Hitze, Starkregen, Bodenverdichtung und eingeklemmten Wurzeln gut zurechtkommen können. Daher haben die Wiener Stadtgärten, gemeinsam mit nationalen und internationalen Expertinnen und Experten, eine Liste von 30 robusten Baumarten zusammengestellt. Eine davon ist der Zürgelbaum (Celtis occidentalis), welcher in den letzten Jahren vermehrt in Wien zum Einsatz kommt.

Spezialsubstrat für Wiens Jungbäume

Die neu bepflanzten Jungbäume werden mit einem eigens entwickelten und selbst hergestellten Spezialsubstrat versehen, um künftige Herausforderungen besser bewältigen zu können. Dieses besteht aus organischen und mineralischen Substanzen, die eine verbesserte Wasserspeicherfähigkeit und gute Durchlüftung garantieren. Ein Pluspunkt dieser Mischung ist das kostengünstige Substrat sowie die Regionalität der Bestandteile. Jungbäume benötigen in den ersten Jahren besonders viel Wasser, da die Wurzeln noch nicht tief genug reichen. Daher wird jeder einzelne Baum wöchentlich einmal händisch gegossen. Unterstützt wird dies durch sogenannte Bewässerungssäcke, die  um die Jungbäume gelegt werden. Aus  kleinen Löchern tritt stetig Wasser aus, wodurch die Wurzeln optimal bewässert werden. Ein weiterer, wichtiger Schritt in Richtung klimafitte Stadtbäume ist das Schwammstadtprinzip, welches auch vermehrt in Wien Anklang findet.

Anwendung des Schwammstadt-Prinzips

Das Schwammstadt-Prinzip fordert die Schaffung von erweiterten Strukturen im Untergrund, die von den Baumwurzeln erschlossen werden können. Das wiederum bedeutet eine Auflockerung des Bodens bei gleichzeitiger Gewährleistung der Stabilität des Untergrunds für Straßen und Gehwege. Durch die durchlässige Substratmischung wird den Wurzeln Raum zur Entfaltung, Wasser und Luft gegeben. Im Substrat, welches zu einem Teil aus grobkörnigem Schotter besteht, befinden sich Hohlräume, in welches Feinmaterial geschwemmt wird. Vor allem durch Starkregen anfallende Wassermengen können so temporär zwischengespeichert sowie zurückgehalten werden. Überflutungen können dadurch abgeschwächt oder gänzlich verhindert werden, und das Wasser steht den Bäumen länger zur Verfügung: eine Win-win-Situation entsteht! Im folgenden Video (Link) der Stadt Wien ist das Schwammstadt-Prinzip anschaulich dargestellt.

In Wien ist das Schwammstadt-Prinzip in der Seestadt Aspern entlang von einzelnen Straßenzügen und heuer erstmals auch in einem Park zur Anwendung gekommen. Der Johann-Nepomuk-Vogl-Platz und seine Umgebung im 18. Bezirk wurden im Zuge eines Beteiligungsverfahrens neu gestaltet und im September 2020 eröffnet. Der Wurzelraum unter den neuen Bäumen wurde mit dem "Schwammstadt"-System ausgestattet. (CM, Dezember 2020)