ADAPTsmallCITIES: Planungs- und Umsetzungswerkzeuge für Klein- und Mittelstädte

Nicht Großstädte, sondern auch Klein- und Mittelstädte können punktuell unter Hitzeinseleffekten leiden. Oft ist die Betroffenheit sogar stärker, da Klein- und Mittelstädte in der Regel nicht über ausreichend fachliche und / oder budgetäre Ressourcen verfügen, um vorausschauend reagieren zu können. Planungs- und Umsetzungswerkzeuge können dabei unterstützen. Welche dies konkret sind, wurde im Rahmen von ADAPTsmallCITIES untersucht.

Foto Ruderboot im Nationalpark Donauauen

Im Rahmen des durch den Klima- und Energiefonds geförderten Smart Cities Demo Projektes ADAPTsmallCITIES untersuchte die Umweltbundesamt GmbH gemeinsam mit der NEW ENERGY Capital Invest GmbH aktuelle anwendungsorientierte Forschungsprojekte im In- und Ausland. Ziel dabei war, Planungs- und Umsetzungswerkzeuge für Klein- und Mittelstädte (typischerweise in Österreich im Bereich von 5.000 bis 20.000 Einwohner:innen bis maximal 100.000 Einwohner:innen) in Österreich zu identifizieren. Um den Bedarf festzustellen, führten die Forschenden Interviews in ausgewählten Städten durch.

Die Motivation von urbanen Entscheidungstragenden, sich mit Klimawandelanpassungsthematiken zu beschäftigen, ist sehr hoch. Die Folgen der Klimakrise werden als große und langfristige Herausforderung gesehen, wobei oft Klimawandelanpassung und Klimaschutz gemeinsam gedacht werden. Hauptziel ist der Erhalt beziehungsweise die Verbesserung der Lebensqualität in den Städten, zu der neben der Vermeidung von Hitzeinseln auch der Schutz vor Naturgefahren wie Starkregen, Rutschungen oder Muren zählt. Vielfach wurde ein Mangel an Bewusstsein über die Notwendigkeit, sich mit der Entwicklung des Stadtklimas auseinanderzusetzen, festgestellt. Weiters besteht oft der Wunsch, Maßnahmen zu monitoren, um den Erfolg besser messen zu können.

Folgende Planungs- und Umsetzungswerkzeuge können für Klein- und Mittelstädte in Österreich im Rahmen von Klimawandelanpassungsthematiken relevant sein:

  • Wissenschaftlich fundierte Stadtklimamodelle und -simulationen: Sie sind die Grundlage für Planungs- und Umsetzungsmaßnahmen und können von der (über)regionalen Raumplanung (inkl. Einplanung von Kaltluftschneisen) über die allgemeine Stadtplanung (Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Baufluchtlinien), die Planung des öffentlichen Raums (Straßen, Plätze, Grünflächen), die Quartiersplanung (Anordnung von Gebäuden, Grünflächen für Entsiegelung) bis hin zur Optimierung von (großvolumigen) Gebäuden eingesetzt werden. Stadtklimaanalysen wurden bisher noch nicht systematisch eingesetzt. Der Fokus lag auch eher auf großen Städten. Hier wird noch eine Weiterentwicklung von Simulationswerkzeugen benötigt, in die auch zentrale Bedarfstragende eingebunden werden sollten. Der selbständige Einsatz von Open-Source-Werkzeugen zur Stadtklimamodellierung ist unabhängig von der Stadtgröße mit erheblichem Aufwand verbunden.
  • Erkenntnisse nationaler und internationaler Forschungsprojekte: Die Nutzbarkeit von Stadtklimamodellen für praktische Anwender:innen wurde beispielsweise bei „Stadtklima im Wandel“ sichergestellt, in dessen Rahmen das Open Source Softwarewerkzeug PALM/PALM4U entwickelt wurde. Auch netWORKS punktet hierbei, adressiert jedoch speziell Fragen zu blauer Infrastruktur. Weiters von Interesse sind ASAP-Projekte (Austrian-Space-Applications-Programme) wie beispielsweise Sentinel-Daten für ein Monitoring im Umwelt- und Naturschutz in Städten am Beispiel Wien, SeMoNa22oder VERITAS-AT (ImproVEment and veRIfication of urban extreme Temperature predictions with sAtellite and ground observationS in Austria; Projekt noch nicht abgeschlossen). Regionalisierte Klimainformationen als Datenbasis und Wirkungsmonitoring für Klein- und Mittelstädte werden seit einigen Jahren im Rahmen des Programms Stadt der Zukunft im Schwerpunkt „Stadtbegrünung“ verfolgt. Den Wärmeinseleffekt in kleineren Städten untersuchte das ACRP Projekt ADAPT-UHI.
  • Fernerkundungsdaten und deren Auswertungen: Satellitendaten können heute in hoher zeitlicher Auflösung Informationen auf Stadtebene liefern. Für mesoskalige Projekte ist eine räumliche Auflösung von 10 bis 100 m ausreichend. Für mikroskalige Anwendungen bedarf es besonders für die direkte Messung der Wärmestrahlung noch einer Verbesserung in den nächsten Jahren. Im optischen Bereich stehen bereits heute Auflösungen bis zu einem Meter zur Verfügung. Zukünftig werden auch verstärkt dreidimensionale Auswertungen für Städte verfügbar sein. Beispiele für Satellitendaten sind Landstat 8 und 9 (Auflösung bis 100 m, kostenlos, alle acht Tage wird die gesamte Erdoberfläche abgebildet) oder die Rohdaten der Erdbeobachtungssatelliten SENTINEL (COPERNICUS Programm der EU, ebenfalls frei verfügbar, für praktische Anwendungen müssen jedoch zuerst große Datenmengen aufbereitet werden). Besonders beeindruckend sind die Auswertungen der Satellitendaten zu Grünflächen und Böden betreffend Versiegelung, Zustand, Biomasse und Wassergehalt insbesondere zur Erhaltung und Pflege der Vegetation während längerer Trockenperioden und zur Vermeidung von Waldbränden. Auch Fernerkundungsdaten wie Laserscan, optischer Bereich oder langwelliges Infrarot aus der Befliegung mit Flugzeugen oder Drohnen haben eine sehr hohe Auflösung, teilweise 3D-Darstellungen und werden bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Spannend ist auch das Projekt UrbanFluxes, welches den bisher eher vernachlässigten Aspekt der Albedo und der langwelligen Wärmestrahlung von Siedlungsgebieten ins Visier nimmt.
  • Wissens- und Datenbasis: Je nach Fragestellung können unterschiedliche Daten erforderlich sein, wie beispielsweise die Topologie des Geländes, Klimadaten, Daten zur Landnutzung und Versiegelung, Bebauung, Wärme- und Strahlungsverhalten, Vegetation, Boden, Gewässer, Be- und Entwässerung und sonstige relevante Verdunstungskühlung, Wärmequellen oder –senken. Viele Daten für die Gemeindeebene werden von den Bundesländern über die Landes-GIS-Systeme bereitgestellt. Weiters können umfangreiche GIS-Daten seitens dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV), der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) oder von Statistik Austria angefordert werden. Informationen zu Landbedeckung oder Landnutzung erhält man über LISA (Land Information System Austria), Klimaszenarien bis 2100 stehen über die ÖKS15 Factsheets bereit und können auch für einzelne Gemeinden erstellt werden. Weitere wichtige Informationsquellen sind neben anderen die KLAR!-Klimafactsheets oder die UHI-Risiko-Index-Karte mit einem Raster von 100 x 100 Meter für alle „besiedelten“ bzw. „versiegelten“ Flächen in Österreich aus demv Projekt ADAPT-UHI. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass höher aufgelöste Daten eher spärlich verfügbar sind. Auch fehlen noch Daten wie beispielsweise zu Oberflächeneigenschaften von Dächern und Baulichkeiten wie beispielsweise Verkehrsflächen, Kfz-Stellflächen oder Lagerplätze hinsichtlich des Strahlungs- und thermischen Verhaltens.
  • Werkzeuge: Je nach Anwendungsfall beziehungsweise Fragestellung gibt es nicht eine alleinige Software- bzw. Simulationsumgebung. Wie bereits oben erwähnt, ist besonders die Open Source Software PALM / PALM4U von Interesse, welche auch kleinräumige Modellierungen beispielsweise für die Analyse von Plätzen und Straßenzügen ermöglicht und für die Planung und Optimierung von Quartieren oder des öffentlichen Raums geeignet ist. Bisher wurde dafür zumeist ENVI_MET verwendet, dieses ist inzwischen aber nur mehr im Rahmen kommerzieller Lizenzen verfügbar. Weitere Simulationswerkzeuge mit spezifischen Anwendungsschwerpunkten wären SURFEX/TEB, UMEP oder OpenFOAM.
  • Umsetzung bzw. Wirksamkeitsmonitoring: Ein Umsetzungsmonitoring ermöglicht es, den Stand und die Qualität der Umsetzung von Klimawandelanpassungsmaßnahmen zu messen und darzustellen. Dafür sind nicht unbedingt aufwendige Stadtklimamodelle notwendig. Ein Wirksamkeitsmonitoring, welches die Wirksamkeit einer Maßnahme oder eines Maßnahmenbündels hinsichtlich Zielerreichung erfasst und bewertet, benötigt hingegen validierte Stadtklimamodelle.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bedarf an meso- oder mikroskaligen Stadtklimamodellen beziehungsweise -simulationen und den damit verbundenen Daten und Werkzeugen für Klein- und Mittelstädte gegeben ist. Es besteht noch erheblicher Entwicklungsbedarf an vereinfachten Bedienungsoberflächen bei Modellen für Fragestellungen von Klein- und Mittelstädten. Insbesondere für Kleinstädte unter 25.000 Einwohner:innen sind niederschwellige Zugänge erforderlich. Durch Fokussierung auf typische Modellanwendungen sollte in Zukunft durch entsprechende Onlinetools auch Kleinstädten und Planungsunternehmen ein einfacher Datenzugang und Einstieg zum Thema Stadtklima ermöglicht werden. Wünschenswert wäre auch eine Kombination mit Cost-Benefit-Analysen (wie im Projekt ADAPT-UHI), um Maßnahmen auch wirtschaftlich argumentierbar zu machen. [MO, AS, April 2022]