DynAlp: Herausforderungen und Chancen durch Klimawandel und Stadtentwicklung für die Siedlungswasserinfrastruktur

Eine zuverlässige Wasserversorgung und Entwässerung stellt eine zentrale Grundlage für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Städten dar. Welchen Einfluss haben hierbei die Auswirkungen des Klimawandels gemeinsam mit der anwachsenden Bevölkerung in Städten auf die urbane Wasserinfrastruktur? Dieser Frage geht das Forschungsprojekt DynAlp nach und zeigt potentielle Risiken ebenso wie Anpassungsoptionen für eine langfristige Planung auf.

Herausforderungen durch Klimawandel und Bevölkerungsanstieg

Kanalisationssysteme und Wasserversorgungsanlagen gehören zu den langlebigen Infrastrukturnetzwerken mit einer Lebensdauer von 50 – 100 Jahren. Daher muss die Planung solcher Infrastrukturen möglichst vorausschauend sein. PlanerInnen sollten dabei auch die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen durch den Klimawandel gemeinsam mit der - durch steigende Bevölkerungszahlen geprägten – Stadtentwicklung berücksichtigen.

Die Rahmenbedingungen für die Siedlungswasserinfrastruktur ändern sich durch den Klimawandel: Veränderungen in Temperatur, Niederschlagsintensität, Verdunstung und auch Schneeschmelze können eine Herausforderung für die städtische Kanalisation darstellen. Ganz besonders sind die Entwässerungsnetze durch die zunehmende Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen betroffen. Starkregenereignisse führen einerseits zu (lokalen) Überschwemmungen. Auf der anderen Seite können die Flüsse durch Schmutzemissionen aus den übertretenden Entwässerungssystemen verunreinigt werden. Neben dem Klimawandel erhöhen auch das Bevölkerungswachstum und die daraus folgende Stadtentwicklung den Druck auf die urbane Wasserinfrastruktur. Die wachsende Bevölkerung führt beispielsweise zum Anstieg der versiegelten Flächen bzw. einer Änderung der Landnutzung, was wiederum ein erhöhtes Überschwemmungsrisiko zur Folge hat. Anpassungsmaßnahmen wirken dem Überschwemmungsrisiko entgegen. Dies können, neben einer vorausschauenden Planung von Siedlungswasserinfrastruktur, auch technische Maßnahmen sein, wie Flächenentsiegelungen oder die Implementierung von dezentralen Versickerungsanlagen, d.h. das Niederschlagswasser wird nicht direkt in die Kanalisation geleitet, sondern gelangt z.B. in Infiltrationsanlangen (Mulden, Rigolen, etc.).

Das vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekt DynAlp beleuchtet beide Aspekte – den Klimawandel und die Stadtentwicklung -, analysiert Risiken für die Versorgung und untersucht die Wirksamkeit von Anpassungsmaßnahmen.

Wie werden die zukünftigen Herausforderungen von Entwässerungssystemen berechnet?

Die Analyse möglicher zukünftiger Stadtentwicklungen ist komplex. Im Zusammenhang mit dem Bevölkerungswachstum kann sich eine Stadt räumlich (d.h. hinsichtlich Baudichte, max. Bauhöhe, versiegelte Flächen etc.) und zeitlich unterschiedlich entwickeln. In DynAlp wurde zur Darstellung unterschiedlicher Varianten der dynamischen Stadtentwicklung eine eigene Software entwickelt. Einige der Parameter der Stadtentwicklung sind besonders relevant für die Siedlungswasserwirtschaft, wie z.B. die zu erwartende Bebauungsdichte, die an das Kanalsystem angeschlossenen versiegelten Flächen oder auch der veränderte Wasserbedarf der Bevölkerung.

Als Grundlage für die Regendaten und das Risiko von Überlastungen (mit „Wiederkehrzeiten“ angegeben) werden die aufgezeichneten Niederschlagsdaten aus der Vergangenheit herangezogen. In DynAlp wurden darüber hinaus ebenso Klimamodelle (reclip:century-Daten und alpine Niederschlags-Rasterdaten EUR04M APGD von MeteoSuisse) für die Projektionen der zukünftigen Regendaten berücksichtigt. Mit den gemessenen Regendaten und den erwarteten Regendaten aus den Simulationen werden die derzeitigen Klimabedingungen (Periode 1971 bis 2000) mit den Projektionen für die Periode 2021 bis 2050 verglichen.

Fallstudie Innsbruck

Die Stadt Innsbruck wurde in DynAlp als Fallstudie zur Analyse möglicher Entwicklungen urbaner Wasserinfrastruktur unter Berücksichtigung von Klimawandel und Stadtentwicklung herangezogen. Gemäß der Österreichischen Raumordnungskonferenz wird Innsbruck für 2030 bzw. 2050 einen Bevölkerungszuwachs verzeichnen. Die EinwohnerInnen mit Hauptwohnsitz werden von den derzeitigen (Jahr 2000) 112.350 auf 151.000 bzw. 166.000 ansteigen. Innsbruck wird als Mischsystem entwässert, d.h. Schmutz- und Regenwasser werden gemeinsam in Kanälen abgeführt und bei Überschreitungen in den Inn entlastet.

Anhand der Fallstudie wurde das jeweilige Überflutungsrisiko für einzelne Gebäude im Innenstadtbereich in Abhängigkeit unterschiedlicher Stadtentwicklungs- bzw. Klimaszenarien herausgearbeitet. Grundsätzlich ist jedes Gebäude bei einem unterschiedlich hohen Wasserstand gefährdet. Dies hängt beispielsweise von der Höhe der Bordsteinkante, der Lage von Kellerfenstern und Lichtschächten ab oder ob der Eingang ebenerdig oder über Stufen erreichbar ist. Durch Verschneiden dieser Gebäudeinformation mit den ermittelten Wasserständen kann die Überflutungsgefahr für jedes Gebäude individuell ermittelt werden.

Aus der Kombination der unterschiedlichen Stadtentwicklungsszenarien (z.B. unterschiedliche Bevölkerungsprognosen, unterschiedliche Verteilung), unterschiedlicher Klimaszenarien und Wiederkehrzeiten (Jährlichkeiten) von Überlastungen und verschiedener Anpassungsmaßnahmen ergibt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Entwicklungsmöglichkeiten. Diese zeigen potentielle Schwachstellen bestehender Entwässerungsnetze oder die Wirksamkeit von Anpassungsmaßnahmen auf.

Screenshot des WebGIS mit farblicher Kennzeichnung der unterschiedlichen Gefährdungsgrade
Screenshot des WebGIS mit farblicher Kennzeichnung der unterschiedlichen Gefährdungsgrade

Die Ergebnisse im Web-GIS 

Um die gewonnen Daten und Erkenntnisse direkt nutzbar und EntscheidungsträgerInnen zugänglich zu machen, wurde eine online verfügbare Web-GIS Umgebung erstellt. Im Web-GIS können die NutzerInnen über die Auswahl verschiedener Parameter (z.B. Klimaszenario, Stadtentwicklungsszenario oder Jährlichkeit) die unterschiedlichen möglichen Entwicklungen beobachten sowie die Wirksamkeit von Anpassungsmaßnahmen (wie z.B. Versickerung zur Entwässerung) überprüfen. Eine Bereitstellung dieser Plattform für die breite Öffentlichkeit ist in Vorbereitung.

DynAlp empfiehlt proaktive Maßnahmen

Für eine vorausschauende Planung und Umsetzung von Entwässerungs- und Wasserversorgungssystemen wurden in DynAlp insbesondere folgende Empfehlungen erarbeitet:

  • Klimawandeleinflüsse und Stadtentwicklung sollten immer gemeinsam betrachtet werden.
  • Aufgrund der langen Lebensdauer der Anlagen sind Anpassungsmaßnahmen möglichst flexibel zu planen (um einer großen Bandbreite möglicher Entwicklungen gerecht zu werden).
  • Die Anpassung kann eine Chance für eine nachhaltige Entwicklung darstellen, z.B. in Form einer vorausschauenden (integrierten) Planung der Stadt und ihrer Infrastruktur.
  • Synergien zu anderen Aspekten der Klimawandelanpassung können genutzt werden. So tragen beispielsweise Maßnahmen zur dezentralen Niederschlagswasserbehandlung, wie Grünflächen zur Versickerung, Gründächer oder Teiche zur Regenwasserspeicher, ebenso wesentlich zur Verminderung von Hitzeinseln bei. (Dezember 2015)

Weiterführende Informationen:

Projektleitung: Dr. Manfred Kleidorfer, Universität Innsbruck

Kontaktperson: Christian Mikovits oder Manfred Kleidorfer

Projektpartner:

hydro&meteo GmbH & Co. KG – Schleswig-Holstein (D)

hydro-IT GmbH – Tirol

alpS GmbH – Tirol

Projektlaufzeit: 36 Monate

Projektwebsite: http://dynalp.com/