AWA AgriAdapt – Sowing for the future

Europäische Landwirtschaftstreibende müssen sich so rasch als möglich mit den Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzen und kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen in Richtung Anpassung und Resilienzsteigerung forcieren. Das im Rahmen eines LIFE-Projektes entwickelte AWA-Tool unterstützt beim Wissenstransfer und gibt Orientierung für mögliche Umsetzungen.

Der Klimawandel bringt große Herausforderungen mit sich, insbesondere für den Agrarsektor. Zwar können sich Chancen auftun, aber überwiegend ist mit negativen Auswirkungen zu rechnen, vor allem in Regionen, die bereits heute mit diversen Problemen konfrontiert sind.

Im Rahmen des LIFE-Projekts AgriAdapt haben französische, spanische, deutsche und estnische Projektpartner eine Reihe von nachhaltigen Anpassungsmaßnahmen zur Verringerung der Anfälligkeit von Ackerbau, Tierhaltung und Wein-/Obstbau gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels erarbeitet. Die Ergebnisse liegen nun für vier unterschiedliche europäische Regionen vor: (1) südliche Klimaregion, (2) atlantische Klimaregion, (3) nördliche Klimaregion und (4) kontinentale Klimaregion.

Die vier Klimaregionen, die mit dem AWA Tool abgedeckt werden
Die vier Klimaregionen, die mit dem AWA Tool abgedeckt werden

Steigt eine Interessierte oder ein Interessierter in das Webtool ein, hat sie oder er die Möglichkeit, drei aufeinander aufbauende Module zu durchlaufen.

  • Modul 1 dient der Wissensvermittlung. Mittels eines Quiz mit 30 Fragen kann die Anwenderin oder der Anwender ihr oder sein agroklimatisches Wissen bezogen auf eine der vier Klimaregionen überprüfen und stärken.
  • Modul 2 liefert Informationen zu klimatischen Daten und Erträgen von 120 europäischen Standorten. Die Auswahl erfolgt mittels einer geografischen Karte. Des Weiteren erhält man Informationen zu Klimaprojektionen, beispielsweise zu Hitzestress, klimatischer Wasserbilanz, Beginn Graswachstum, Temperatur-Feuchtigkeits-Index, etc.
  • Modul 3 fokussiert auf nachhaltige Anpassungsmaßnahmen auf betrieblicher Ebene für die Bereiche Ackerbau, Tierhaltung, Obst- und Weinbau
Geografische Karte zur Auswahl eines Standortes
Geografische Karte zur Auswahl eines Standortes
Ertragsinformationen zur ausgewählten Region.
Ertragsinformationen zur ausgewählten Region.
Nachhaltige Anpassungsmaßnahmen für den Bereich Tierwohl
Nachhaltige Anpassungsmaßnahmen für den Bereich Tierwohl

Anhand eines Beispiels erläutern wir hier die Funktionen des Moduls 3 etwas näher: Ein wichtiger Bereich in der Tierhaltung ist das Herdenmanagement. Beim Herdenmanagement können kurzfristig, mittel- oder langfristig Maßnahmen gesetzt werden. Eine kurzfristige Maßnahme ist beispielsweise die Anpassung der Fütterungszeit. Da die Futteraufnahme bei Wiederkäuern bei Hitze reduziert wird, wäre eine Verschiebung der Fütterungszeit in kühlere Abend- oder Nachtstunden angezeigt. Eine zweimalige Futtervorlage vermeidet das Verderben des Futters bei hohen Temperaturen. Mittelfristig könnte eine saisonale Abkalbung angestrebt werden. Findet die Abkalbung im Frühjahr statt, steht den Frischlaktierenden qualitativ hochwertiges Grundfutter zur Verfügung. Langfristig wäre eine Umstellung auf ökologische Bewirtschaftungsweise sehr empfehlenswert.

Folgender Überblick zum Thema Herdenmanagement gibt einen Eindruck über den Umfang des Tools:

HERDENMANAGEMENT
kurzfristigAnpassung der Futterrationwährend Hitzeperioden haben die Tiere einen erhöhten Energiebedarf, um die Körpertemperatur zu senken; daher sollte der Energiegehalt in der Futterration erhöht und Grundfutter höchster Qualität verfüttert werden;
Anpassung der FütterungszeitFutteraufnahme wird bei Hitze reduziert; Verschiebung der Fütterungszeit in kühlere Abend-/Nachstunden;
Mineral- und andere Futterzusätzezum Ausgleich von Mineralverlusten durch verstärkte Schwitzen + 20 %; Hefe zur Erhöhung der Verdaulichkeit; Pansenpuffer, um Acidose vorzubeugen;
optimierte Hygiene im Stall, auf der Weide, im Fütterungs- und Tränkebereichzur Einschränkung der Ausbreitung (neuer) wärmeliebender Erreger wie Salmonellen, Blauzungenerreger, E. Coli oder Weideparasiten;
Stabilisierung von Futtermischrationendurch Ansäuerung des Futters; hohe Temperaturen können Fehlgärungen verursachen;
mittelfristigangepasste BesamungszeitBesamung nach heißen Sommermonaten erhöht Besamungserfolg;
Erhöhung der Lebensleistungdadurch wird weniger Nachzucht benötigt und somit weniger Futter pro kg erzeugter Milch;
passive Stallkühlungdurch Dach-/Seitenwandöffnungen, frei belüftetes Pultdach oder Bodenkühlung;
saisonale AbkalbungAbkalbung im Frühjahr; Frischlaktierenden steht qualitativ hochwertiges Grundfutter zur Verfügung;
langfristigUmstellung auf ökologischen Landbauvielfältige Vorteile und Erhöhung der Resilienz;
 

Bei Ackerbau geht das Tool näher auf die Bereiche Fruchtfolge, Sorten, Boden und Bewirtschaftungsmethoden und Wasserabhängigkeit ein. In der Tierhaltung stehen neben dem oben beschriebenen Herdenmanagement auch Informationen zur Grund- und Kraftfutterversorgung, zum Tierwohl und zur Wasserabhängigkeit zur Verfügung. Im Bereich des Obst- und Weinbaus werden Arten- und Sortenvielfalt, Anbaumethoden, Bodenbearbeitung und Wasserabhängigkeit näher ausgeführt.

In der Praxis ist wohl davon auszugehen, dass die Anfälligkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels nicht nur von einem, sondern von mehreren klimatischen Faktoren abhängt und daher auf Betriebsebene auch mehrere unterschiedliche Anpassungsmaßnahmen notwendig sind. Das AWA-Tool bietet dazu eine gute erste Orientierung. (MO, Juni 2020)