Phänologie beobachten mit der Naturkalender-App

Beim Spazierengehen die Wissenschaft unterstützen und selber dazulernen, das ist jetzt möglich mit der App „Naturkalender ZAMG", die seit dem Frühjahr 2018 kostenlos für Android und iOS in den App Stores zur Verfügung steht. Über den Nutzen solcher Beobachtungen und welche Bereiche damit abgedeckt werden können, informiert die ZAMG auf ihrer Website ausführlich. Im Folgenden finden Sie einen kurzen Abriss einiger interessanter Aspekte. 

App "Naturkalender ZAMG"
App "Naturkalender ZAMG"

Was haben das Rispenschieben des Wiesen-Knäuelgrases und die Hollerblüte mit Klimawandelanpassung zu tun? Die Jahresmitteltemperatur im Alpenraum ist während der letzten 100 Jahre um etwa 1.8°C angestiegen. Von den Auswirkungen sind nicht nur wir Menschen betroffen, sondern auch unsere Pflanzen und Tiere. So zieht der Frühling mit der ersten Blüte oder dem Beginn des Laubaustriebs um etwa 7 bis 10 Tage früher ins Land als noch vor 30 Jahren und auch der Beginn der Herbstverfärbung des Laubes hat sich in manchen Regionen um einige Tage nach hinten verschoben. Insgesamt ist es dadurch zu einer Verlängerung der Vegetationsperiode um bis zu zwei Wochen gekommen.

Pflanzen und Tiere reagieren stark auf Änderungen im Witterungsverlauf und auf Klimatrends. Die Wissenschaft der Phänologie untersucht diese Zusammenhänge und hat an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eine große Tradition. „Unsere phänologischen Aufzeichnungen reichen bis ins Jahr 1851 zurück, dem Gründungsjahr der ZAMG", sagt ZAMG-Phänologe Thomas Hübner, „und von Anfang an war man stark auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen. […] Das phänologische Beobachtungsnetz lässt sich somit als die älteste Citizen Science Initiative in Österreich bezeichnen.“ Heute ist man dabei nicht mehr auf Papier und Bleistift angewiesen, es reicht ein Smartphone und die App „Naturkalender ZAMG“.

Welche phänologischen Beobachtungen sind am meisten gefragt?

Für treffsichere Aussagen ist es grundsätzlich wichtig, möglichst viele Beobachtungen zu erhalten. So braucht es zum Beispiel hunderte Beobachtungen von Wiesen-Knäuelgras und Schwarzem Holunder in allen Regionen und Höhenlagen Österreichs, um exakte Mähzeitfreigaben für die Landwirtinnen und Landwirte machen zu können. Das wiederum erhält die Artenvielfalt unserer Wiesen.

Die Klimaforscherinnen und Klimaforscher interessiert ganz besonders, wie sich sogenannte „phänologische Zeigerpflanzen“ entwickeln, wann die Knospen aufbrechen oder die Pflanzen blühen oder Früchte tragen. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, welche Auswirkungen die Klimaänderung auf die Umwelt hat. Die Daten der ZAMG zeigen zum Beispiel, dass die Blüte von Marille, Apfel und Kirsche mittlerweile um durchschnittlich zehn Tage früher stattfindet als noch vor 20 Jahren.

Beginn der Fruchtreife
Beginn der Fruchtreife

Was und wie wird beobachtet?

Die Beobachtungen beziehen sich auf ausgewählte Tiere und drei große Pflanzengruppen: Wildpflanzen, landwirtschaftliche Nutzpflanzen, Obst und Weinreben. In der Naturkalender App werden zu jeder Art verschiedene Indikatoren abgefragt. So werden Indikatoren wie die Zeiten des Austriebs, der Blattentfaltung, der ersten Blüte sowie der Blattverfärbung für 25 Wildpflanzenarten (Bäume Sträucher, Krautige) festgehalten. Bei den Nutzpflanzen stehen 10 Arten unter Beobachtung, wie z.B. Gerste, Mais, Sonnenblume oder Zuckerrübe. Hier interessieren Entwicklungsstadien wie die Zeiten des Ährenschiebens, der Milch- oder Vollreife. Die gesammelten Daten werden ausgewertet und auf der Website der ZAMG in Form von Diagrammen oder interaktiven Karten zur Verfügung gestellt. Außerdem fließen die Daten in internationale Datenbanken ein und leisten der Klimaforschung wertvolle Dienste.

„Naturkalender ZAMG" ist Teil der vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), dem Wissenschaftsfonds FWF und dem Österreichischen Austauschdienst (OeAD) getragenen Initiative Top Citizen Science. Diese beinhaltet Erweiterungsprojekte im Sinne der Citizen-Science- und Open-Innovation-Zielsetzungen. Damit soll unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Personen mit spezialisierter Expertise – den sogenannten Knowledge-Communities - exzellente Forschung betrieben werden. (EM, November 2019)