EEA Report: Wasser und Landwirtschaft
Kurzfassung (Quelle: EEA Report No 17/2020)
Kürzlich hat die EU den Europäischen Green Deal verabschiedet, der darauf abzielt, Europa durch die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, die EU Farm to fork Strategie, die Chemikalienstrategie, das vorgeschlagene europäische Klimagesetz und den kommenden Aktionsplan Luftreinhaltung, die Klimawandelanpassungsstrategie und die Waldstrategie auf den Weg der nachhaltigen Entwicklung zu bringen. Unter den vielen Handlungsfeldern, die zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sind, muss Europa die Umweltauswirkungen des Agrarsektors, insbesondere auf Süßwasserökosysteme, reduzieren. Nach den Ergebnissen der zweiten Bewirtschaftungspläne für die Flusseinzugsgebiete, die die EU-28 und Norwegen 2016 an die Europäische Kommission gemeldet haben, haben nur 44 % der europäischen Oberflächenwasserkörper einen guten ökologischen Zustand erreicht, wie in der Wasserrahmenrichtlinie gefordert.
Die Landwirtschaft nimmt mehr als 40 % der europäischen Landfläche ein und ist ein wichtiger Sektor für die europäische Wirtschaft, der die Ernährungssicherheit für die europäischen Bürgerinnen und Bürger und den Lebensunterhalt für einen großen Teil der Bevölkerung sicherstellt. Mit 10,5 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben in der EU spielt der Agrarsektor eine wichtige Rolle in der ländlichen Wirtschaft. Rund 44 Millionen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung sind von der landwirtschaftlichen Produktion abhängig. Europa ist auch ein wichtiger Akteur auf dem globalen Lebensmittelmarkt. Rund 25 % des Wertes seiner landwirtschaftlichen Produktion wird exportiert, ein ähnlicher Anteil wird importiert. Im Zeitraum 2014-2020 wurden rund 38 % des gesamten EU-Budgets für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU verwendet (408 Mrd. EUR).
Die landwirtschaftlichen Erträge haben sich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich erhöht, dank Änderungen bei den Pflanzensorten und Zuchttechniken, neuen Technologien und Maschinen, neuen landwirtschaftlichen Praktiken und dem verstärkten Einsatz von Betriebsmitteln wie Düngemitteln, Pestiziden und Bewässerungswasser. Im Jahr 2011 lagen die durchschnittlichen Ernteerträge in Europa 60 % über dem weltweiten Durchschnitt, und die Großvieheinheiten in Europa haben sich zwischen 1960 und 2014 mehr als verdoppelt. Das Wachstum der landwirtschaftlichen Produktivität ging jedoch mit einem erhöhten Druck und Auswirkungen auf Wasser- und aquatische Ökosysteme in Form von Verschmutzung durch Nährstoffe und Pestizide einher, zusammen mit der übermäßigen Entnahme von Wasser für die Bewässerung und hydromorphologischen Veränderungen, insbesondere durch Entwässerung, Bewässerungsinfrastruktur (Wasserspeicherung) und das Zertrampeln durch Vieh. Die Stickstoffemissionen haben sich zum Beispiel zwischen den 1960er und 1980er Jahren verdreifacht, während sich die Bewässerung in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt hat, vor allem in den südeuropäischen Ländern. Viele nordeuropäische Länder wie Dänemark haben große Flächen entwässert, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern.
In den letzten 30 Jahren konnte die Belastung dank Effizienzsteigerungen bei der Ressourcennutzung etwas reduziert werden. Der landwirtschaftliche Wasserverbrauch auf EU-Ebene ist seit 1990 um 28 % zurückgegangen, während der Stickstoffüberschuss um 10 % und die Nitratkonzentration in den Flüssen seit 2000 um 20 % gesunken ist. 2010 waren die weiteren Fortschritte jedoch bescheiden und die Belastungen bewegen sich weiterhin auf einem höchst unnachhaltigem Niveau. Die Stickstoffüberschüsse durch die Düngung von Grünland und Feldfrüchten sind in Nord- und Mitteleuropa weiterhin sehr hoch und die Nitratkonzentration im Grundwasser hat sich seit 30 Jahren nicht verändert. Der Gesamtverbrauch an Pestiziden auf EU-Ebene hat sich seit 2011 nicht verändert, während die landwirtschaftliche Wasserentnahme in den meisten südeuropäischen Ländern ein Hauptfaktor für Wasserstress ist. Diese Belastungen wirken sich weiterhin auf die Wasserqualität, -quantität und -ökologie sowie auf die Biodiversität in Europas Grundwasser, Flüssen, Seen, Übergangs- und Küstengewässern sowie in der Meeresumwelt aus.
Heute sind Europas Oberflächengewässer und Grundwasser ebenfalls vom Klimawandel betroffen, und diese Entwicklung wird sich fortsetzen, da der zweifache Einfluss von veränderten Niederschlagsmustern und Temperaturen die Wasserressourcen und den Wasserbedarf in der Landwirtschaft beeinflussen. Die Niederschläge haben in einigen Teilen Europas zugenommen und in anderen abgenommen. Die Vegetationsperiode wird ebenfalls länger, was die Anzahl der produzierten Pflanzen und die Nachfrage nach Wasser erhöht, während die saisonalen Schwankungen zunehmen. In Südeuropa werden die Niederschläge voraussichtlich abnehmen, was das Risiko von Wasserknappheit erhöht in einer Situation, in der ein sehr großer Teil der Wasserressourcen bereits unter Stress steht. In anderen Teilen Europas werden extreme Niederschläge den Transport von Nährstoffen und Chemikalien in die Flüsse erhöhen, wodurch die Verschmutzung und ihre Auswirkungen zunehmen könnten. Mehr Wasser wird auch das Risiko von Überschwemmungen und allgemeiner Vernässung des Bodens erhöhen, wodurch hydromorphologische Veränderungen potenziell zunehmen. Mit anderen Worten: In den kommenden Jahrzehnten werden die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Wasserressourcen und aquatische Ökosysteme wahrscheinlich größer werden. Dies wird zu einem erhöhten Maß an Unvorhersehbarkeit und Unsicherheit für Landwirtinnen/Landwirten und Behörden gleichermaßen führen.
Dies macht es noch dringlicher, widerstandsfähige landwirtschaftliche Systeme zu entwickeln, um die Auswirkungen des Klimawandels abzufedern, sowohl auf die landwirtschaftliche Produktion und den Lebensunterhalt der Landwirtinnen/Landwirte als auch auf aquatische Ökosysteme. Es gibt viele Maßnahmen, die auf agrarökologischen Prinzipien, ökologischem Landbau und naturbasierten Lösungen beruhen und die die allgemeine Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Systeme in Europa verbessern können. Wir haben uns entschieden, uns auf die Wasserperspektive zu konzentrieren, aber viele der diskutierten Lösungen sind multifunktional und auch für Luftqualität, Biodiversität, Böden und die Herausforderungen der Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel relevant.
Die Akzeptanz nachhaltigerer Anbausysteme hängt entscheidend davon ab, ob sie für einzelne Landwirtschaftsbetreibende und Akteurinnen/Akteuren in den Wertschöpfungsketten, die von der landwirtschaftlichen Produktion profitieren, attraktiv sind. Daher kann die Entwicklung eines nachhaltigeren landwirtschaftlichen Produktionssystems nicht losgelöst von den Einkommen der Landwirtinnen/Landwirten, gesellschaftlichen und lebensstilbezogenen Erwägungen, VerbrauchInnenerwünschen und den allgemeinen Marktkräften betrachtet werden. Die europäischen und globalen VerbraucherInnenpräferenzen der Bürgerschaft und der Industrie sind äußerst wichtige Triebkräfte für die Lebensmittelproduktion und die Preise. Daher erfordert das Erreichen der Reduktionen, die notwendig sind, um Wasser- und andere Umweltziele zu erreichen, einen kombinierten Ansatz, der sowohl die landwirtschaftlichen Praktiken als auch die VerbraucherInnennachfrage ändert, was durch eine Transformation der Lebensmittel- und Energiesysteme unterstützt wird. Nachhaltiges Wirtschaften erfordert in diesem Zusammenhang, dass Veränderungen als gerecht empfunden werden, indem ein Gleichgewicht zwischen dem Bedarf an erschwinglichen und gesunden Lebensmitteln, dem sozioökonomischen Wohlergehen der Landwirtinnen/Landwirte und dem Schutz der natürlichen Umwelt und der Wasserressourcen hergestellt wird.
Die EU-Politik ist der Schlüssel zur Erreichung eines Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft, die auch die Gesundheit der aquatischen Ökosysteme aufrechterhält. Die Wasserrahmenrichtlinie muss zusammen mit anderen Umweltgesetzen, der Klimapolitik, der Kreislaufwirtschaft und den Instrumenten der GAP zusammenarbeiten, um ihre Wirksamkeit zu maximieren. Heute wird ein breites Portfolio an Lösungen im Rahmen des europäischen Green Deals und seiner Strategien für Landwirtschaft und Biodiversität, der Zero-Pollution-Ambition und des europäischen Klimagesetzes zusammengeführt, die ehrgeizige neue Ziele festgelegt haben. Mit der Verabschiedung weiterer Gesetze werden weitere Ziele und Initiativen hinzukommen, die abzielen auf:
- Reduzierung des Düngemitteleinsatzes um mindestens 20 % und der Nährstoffverluste um 50 % bei gleichzeitiger Sicherstellung, dass es zu keiner Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit kommt, u. a. aufbauend auf einem integrierten Nährstoffmanagement-Aktionsplan;
- Reduzierung des Einsatzes und des Risikos von chemischen Pestiziden insgesamt und des Einsatzes von gefährlicheren Pestiziden bis 2030 um 50 %;
- Reduzierung um 50 % der Verkäufe von antimikrobiellen Mitteln, die bei Nutztieren und in der Aquakultur eingesetzt werden;
- bis 2030 25 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet zu haben;
- bis 2030 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Landschaftselemente mit hoher Diversität ausgewiesen zu haben;
- die EU-Verpflichtungen zur Landdegradierungsneutralität zu erreichen;
Darüber hinaus bietet die neu verabschiedete Farm-to-Fork-Strategie einen Hebel für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem und fordert eine Veränderung der systemischen Triebkräfte, wie z. B. der VerbraucherInnenpräferenzen und Ernährungsgewohnheiten. In der Zwischenzeit müssen auch andere Treiber im Zusammenhang mit Energie und der Nachfrage nach Naturfasern weiter beachtet werden.
Um diese Ziele zu erreichen, ist auch eine größere Kohärenz zwischen der EU-Umweltpolitik und der GAP erforderlich. In den letzten Jahrzehnten wurde die Integration von Wasserzielen in die GAP verbessert. Künftige Agrarpolitiken müssen jedoch ehrgeiziger sein, was die Produktionssysteme angeht, insbesondere um die Einführung des ökologischen Landbaus und agrarökologischer Prinzipien zu unterstützen, um den Einsatz von Betriebsmitteln zu minimieren. Es muss auch systematischer darauf geachtet werden, wie die Regulierungs- und Anreizinstrumente der GAP einen mit den Umweltzielen kohärenten Wandel in den landwirtschaftlichen Produktionssystemen und in den Wertschöpfungsketten, die Marktchancen für nachhaltige Agrarprodukte bieten, unterstützen. Die wichtigsten Instrumente der EU-Politik zur Bewältigung dieser Herausforderung für das Wasser sind eine Kombination aus den Bewirtschaftungsplänen für die Flusseinzugsgebiete und den neuen strategischen Plänen der GAP. Andere öffentliche und private Finanzierungsquellen und systemischere Politiken, die Wasser, Landwirtschaft und das Nahrungsmittel- und Energiesystem miteinander verbinden, sollten Teil einer integrierten Antwort sein.
Insgesamt unterstreicht dieser Bericht die Notwendigkeit, Umweltbelastungen des Wassers in einem breiten gesellschaftlichen Kontext zu managen und fordert Verbesserungen in drei Bereichen: (1) ein nachhaltigeres Management auf Ebene der Einzugsgebiete und der landwirtschaftlichen Betriebe; (2) eine bessere Umsetzung und Integration der EU-Politik; und (3) ganzheitlichere und globalere Ansätze durch Systemdenken. Die Entwicklung nachhaltiger und langfristiger multifunktionaler Lösungen für Wasser, Luftqualität, Biodiversität und Böden sowie für die Herausforderungen des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel ist komplex. Nichtsdestotrotz bieten die Ambitionen des Europäischen Green Deals eine einzigartige Gelegenheit, eine solche groß angelegte und systemische Transformation in ganz Europa zu erreichen.