Klimawandel, Konflikte und Migrationsdruck
Obwohl bisher kein gesicherter wissenschaftlicher Zusammenhang bewiesen war, brachten Medien gewaltsame Konflikte und daraus entstehende Migrationsströme mit dem Klimawandel in Verbindung. Neue Forschungsergebnisse zeigen nun, dass extreme klimatische Veränderungen dabei sehr wohl eine Rolle spielen.
In den Schlagzeilen liest man immer öfter, dass die Konflikte im mittleren Osten und in Afrika, und die dadurch entstehenden Migrationsströme der letzten Jahre, vom Klimawandel mitverursacht werden. Durch den Klimawandel sind in diesen Regionen die Verfügbarkeit und Verteilung von Wasser, Lebensmittel und nutzbarem Ackerland gestört, was wiederum zu Konflikten und darauf basierend zu Migration führt. Wissenschaftliche Untersuchungen zu Klima(wandel), Konflikten und Migration gibt es allerdings nur wenige. Bisherige Studien befassen sich meist mit den Auswirkungen von Migration in Einwanderungsländer.
Gemeinsam mit Guy Abel (Shanghai University, IIASA), Raya Muttarka (University of East Anglia, IIASA), Michael Brottrager (JKU Linz, WU, IIASA) widmete sich der Wiener WU-Professor Jesus Crespo Cuaresma, Leiter des Instituts für Makroökonomie, zum ersten Mal der Frage nach dem komplexen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration. Dabei zeigt sich: Unter bestimmten Umständen führen extreme klimatische Bedingungen zu Migrationsströmen – allerdings auf indirekte Weise durch das Auslösen von Konflikten.
Diese Publikation zielt darauf ab, kausale Zusammenhänge zwischen Klimawandel, gewaltsamen Konflikten und grenzüberschreitende Migration herzustellen und untersucht, wie Klima und Konflikte die Ströme von Asylsuchenden beeinflussen. Durch die statistische Auswertung einer Fülle von Daten (primär aus afrikanischen Ländern) lässt sich ableiten, dass der Klimawandel aufgrund von Meeresniveauanstieg, Änderungen der Anzahl und Intensität tropischer Stürme, geänderter Regenverteilungen, Anstieg der Temperatur und geänderter Atmosphärenchemie zu einem starken Treiber der Migration im Land beziehungsweise in anderen Ländern ist. Direkt davon abhängig ist die Verfügbarkeit von Trinkwasser, Lebens- und Futtermittel sowie ein Rückgang der wirtschaftlichen Systeme. Hier spielen vor allem schwache beziehungsweise nicht vorhandene staatliche Verwaltungs- und Verteilungsstrukturen eine große Rolle.
Im Anschluss daran wurden globale Modellrechnungen der Asylwerbendenströme durchgeführt. Diese Daten wurden von der UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) zur Verfügung gestellt und basieren einerseits auf Informationen der unterschiedlichen Regierungen beziehungsweise Hilfsorganisationen. Die klimatischen Faktoren gehen in diese Berechnungen als SPEI (Standardised Precipitation Evaporatranspiration Index (SPEI) ein. Der SPEI ist ein statistischer Indikator, der auf Grundlage der klimatischen Wasserbilanz (Niederschlagssumme minus Summe der potentiellen Verdunstung) Trocken- und Feuchteperioden anzeigt. Weiters wurden sozio-ökonomische und geographische Daten in die Modellberechnungen integriert.
Folgende Kernaussagen lassen sich als Ergebnisse ableiten:
- Der Klimawandel ist mitverantwortlich für zunehmende AsylwerberInnenzahlen, die aufgrund von gewaltsamen Konflikten ihr Land verlassen.
- Verminderter Niederschlag erhöht das Konfliktpotential, was wiederum zu mehr Migration führt.
Es besteht zunehmend öffentliches Interesse am Zusammenhang von Klimaänderungen als Treiber für Konflikte und Migration. Ein kausaler Zusammenhang lässt sich nur für die letzten Jahre ableiten, da für diesen Zeitraum valide Information als Eingangsdaten zur Modellierung vorhanden sind. (FZ, 2020)
Weitere Informationen:
Climate, conflict and forced migration