Schäden und Kosten von Extremereignissen in Europa
Zwischen 1980 und 2020 beliefen sich die ökonomischen Schäden durch wetter- und klimabedingte Ereignisse in Europa auf insgesamt etwa 450 bis 520 Milliarden Euro. Die Zahl an Todesopfern in diesem Zeitraum belief sich auf etwa 85.000 bis 145.000. Daten dieser Art sind essentiell für einen umfassenden Überblick zu Schäden und Kosten sowie für das Treffen fundierter Entscheidungen im Katastrophenrisikomanagement.
Unter dem Dach des Europäischen Green Deals hat die Europäische Kommission im Februar 2021 die neue EU Anpassungsstrategie „Für ein klimaresilientes Europa“ vorgestellt. Sie schlägt darin Maßnahmen für eine intelligentere, schnellere und systematischere Anpassung vor und schenkt der internationalen Dimension eine neue Aufmerksamkeit. Im Rahmen des Teilziels der intelligenteren Anpassung werden mehr und verbesserte klimabezogene Risiko- und Verlustdaten gefordert, da diese die Genauigkeit von Klimarisikobewertungsmechanismen erhöhen. Zwei Datenquellen stehen der Europäischen Umweltagentur (EEA) dafür zur Verfügung: Die Datenbank CATDAT der RiskLayer GmbH sowie NatCatSERVICE der Munich Re GmbH. Die Schäden in diesen Datenbanken werden in drei Gruppen von Extremereignissen eingeteilt: (1) meteorologische Ereignisse wie beispielsweise Stürme, (2) hydrologische Ereignisse wie beispielsweise Überschwemmungen und (3) klimabezogene Ereignisse wie beispielsweise Hitzewellen, Dürren oder Kältewellen. Die Schäden aus allen 32 Mitgliedsländern der EEA sind in diesen Datenbanken erfasst.
Entwicklung bisher
In den EEA Mitgliedsländern wurden zwischen 1980 und 2020 wirtschaftliche Gesamtschäden in Höhe von 450 bis 520 Milliarden Euro ermittelt. Meteorologische und hydrologische Ereignisse verursachten jeweils zwischen 34 und 44 Prozent der Gesamtschäden, klimabezogene Ereignisse zwischen 22 und 24 Prozent. Nur etwa ein Viertel bis ein Drittel der Schäden war versichert. Bei den versicherten Schäden sind weiters große Unterschiede festzustellen: Etwa 37 bis 54 Prozent der Gesamtschäden von meteorologischen Ereignissen waren versichert, bei hydrologischen etwa 15 bis 24 Prozent und etwa 7 bis 16 Prozent bei klimabezogenen Ereignissen.
Zwischen den EEA Mitgliedsländern sind große Unterschiede festzustellen: Zieht man die CATDAT-Daten als Grundlage heran, sind die Länder mit den höchsten versicherten wirtschaftlichen Schäden in Dänemark, den Niederlanden und Norwegen aufgetreten (48 – 56 Prozent), während Kroatien, Litauen und Rumänien die niedrigsten Werte aufweisen (0,5 – 1,5 Prozent). Gemäß der NatCatSERVICE Datenbank sind die Länder Belgien, Luxemburg und Dänemark jene mit den höchsten versicherten wirtschaftlichen Schäden und Litauen, Rumänien und Zypern jene Länder mit den niedrigsten Schadenssummen.
Mehr als 85 Prozent aller Todesopfer durch wetter- und klimabezogene Ereignisse, die im Zeitraum 1981 bis 2020 zu beklagen waren, verstarben in Folge von Hitzewellen. Besonders während der Hitzewelle 2003 verstarben überdurchschnittlich viele Menschen (50 bis 75 Prozent aller wetter-/klimabezogenen Todesfälle).
Nach Angaben der WMO (World Meteorological Organization) nahm global die Zahl der wetterbedingten Katastrophen in den letzten 50 Jahren zu. Schätzungen zufolge sind etwa 3 Prozent der klima- und wetterbedingten Extremereignisse in Europa für rund 60 Prozent der Schäden im Zeitraum 1980 bis 2020 verantwortlich. Die CATDAT-Daten zeigen einen stetigen Anstieg der durchschnittlichen jährlichen (inflationsbereinigten) Gesamtschäden über die Jahrzehnte, von 10,0 Milliarden Euro 1981 bis 1990 auf 14,7 Milliarden Euro 2011 bis 2020. Auch die Anzahl der Ereignisse pro Jahrzehnt folgt einem steigenden Trend: 392 (1981 – 1990), 483 (1991 – 2000), 799 (2001 – 2010), 1.220 (2011 – 2020). Die NatCatSERVICE-Daten zeigen hingegen keinen steigenden linearen Trend.
In der Schweiz, in Slowenien und in Frankreich waren die höchsten Pro-Kopf-Verluste laut CATDAT-Daten zu verzeichnen, die höchsten Verluste pro Fläche in der Schweiz, in Deutschland und in Italien. Aus den NatCatSERVICE-Daten geht hervor, dass die höchsten Pro-Kopf-Verluste in der Schweiz, in Luxemburg und in Dänemark zu verzeichnen waren, sowie die höchsten Verluste pro Fläche in der Schweiz, auf Malta und in Luxemburg. Die niedrigsten Pro-Kopf-Verluste wurden aus Liechtenstein, der Türkei und Island (CATDAT) bzw. in Estland, Island und der Türkei (NatCatSERVICE) gemeldet. Die niedrigsten Werte pro Fläche waren in Island, Norwegen und Liechtenstein (CATDAT) bzw. in Estland, Island und der Türkei (NatCatSERVICE) verzeichnet worden.
In Anbetracht des hohen Maßes an interannuellen Schwankungen bei Naturgefahren empfiehlt der Sendai-Rahmen einen Vergleich der Fortschritte 2015 bis 2030 mit den Werten 2005 bis 2014. Die Daten sind angegeben als Anteile am durchschnittlichen jährlichen BIP für das jeweilige Jahrzehnt.
In Österreich wurde mit der Ereignis- und Schadendatenbank CESARE ein Demonstrator für eine konsistente nationale ereignisbasierte Schadendankbank geschaffen. Die Konzeption sowie der Aufbau der Datenbank erfolgte zwischen 2019 und 2022, fokussierte vorab auf zwei Bundesländer (Niederösterreich und Steiermark) und auf drei unterschiedliche Gefahrentypen (Hochwasser, Stürme, Massenbewegungen), die im Zeitraum zwischen 2005 und 2018 aufgetreten sind. Im Tool werden sowohl wirtschaftliche Verluste als auch Todesfälle berücksichtigt. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse ist noch für 2022 geplant. Danach soll die Datenbank mit historischen und aktuellen Daten weiter befüllt werden und sie wird auf weitere Bundesländer und andere Gefahrenkategorien ausgeweitet.
Zukunftsszenarien
Nicht nur der Klimawandel spielt bei zukünftigen wirtschaftlichen Verlusten und möglichen Todesopfern durch Naturgefahren eine Rolle, ebenso entscheidend sind die Umsetzung von Klimawandelanpassungsmaßnahmen, die wirtschaftliche und die demographische Entwicklung. Diese Faktoren, kombiniert mit der sehr hohen interannuellen Variabilität bei Extremereignissen, macht es sehr schwierig, Zukunftsmodelle mit hoher Genauigkeit zu erstellen. Allerdings ist es möglich, die Auswirkungen des Klimawandels bei ähnlichen wirtschaftlichen Bedingungen abzuschätzen.
Für Europa wird diese Abschätzung von der JRC (Joint Research Centre) der Europäischen Kommission im Rahmen des Projekts PESETA IV durchgeführt. Im Fokus stehen dabei unterschiedliche Gefahren wie Hitzewellen, Kältewellen, Stürme, Wasserressourcen, Dürren, Fluss-/Küstenüberflutungen und Waldbrände sowie deren Auswirkungen auf Menschen beziehungsweise auf unterschiedliche Systeme wie Wälder, die Landwirtschaft oder den Energiesektor. PESETA IV zufolge können durch Klimaschutzmaßnahmen, die den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad anstelle von 3 Grad begrenzen, bis zum Ende des Jahrhunderts jährlich bis zu 60.000 Todesfälle durch Hitzewellen und Dürreverluste in der Höhe von 20 Milliarden Euro pro Jahr vermieden werden. Die Schäden durch Hochwasser könnten um die Hälfte, auf etwa 24 Milliarden Euro pro Jahr reduziert und die wirtschaftlichen Verluste durch Überflutungen an den Küsten könnten bis 2100 um mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr verringert werden. Der G20-Risikoatlas enthält weitere Abschätzungen der wirtschaftlichen Auswirkungen für unterschiedliche Sektoren unter unterschiedlichen Klimawandelszenarien.
Exkurs: Aktuelle und projizierte regionale wirtschaftliche Auswirkungen von Hitzewellen in Europa
Extreme Hitze beeinträchtigt die Arbeitsfähigkeit von Individuen und führt zu einer geringeren Produktivität und damit zu einer geringeren Wirtschaftsleistung. Ein Forschungsteam analysierte die gegenwärtigen und zukünftigen wirtschaftlichen Schäden durch eine verringerte Arbeitsproduktivität, die durch extreme Hitze in Europa verursacht wird. Für die Analyse der aktuellen Auswirkungen fokussierte sich das Team auf die Hitzewellen in den Jahren 2003, 2010, 2015 und 2018 und verglichen die Ergebnisse mit dem Zeitraum 1981 bis 2010. In den ausgewählten Jahren beliefen sich die geschätzten Gesamtschäden aufgrund von Hitzewellen auf 0,3 bis 0,5 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Die ermittelten Verluste waren jedoch räumlich sehr heterogen und zeigten in den vulnerableren Regionen durchwegs BIP-Auswirkungen von über 1 Prozent. Künftige Projektionen deuten darauf hin, dass sich die Auswirkungen bis 2060 in Europa im Vergleich zum Referenzzeitraum 1981 bis 2010 fast verfünffachen könnten, wenn keine weiteren Klimaschutz- oder Klimawandelanpassungsmaßnahmen ergriffen werden. Die Auswirkungen in den Regionen, in denen die Schäden bereits jetzt akut sind, werden voraussichtlich noch ausgeprägter sein. (García-León, D., Casanueva, A., Standardi, G. et al. (2021)).
Politische Instrumente
Wie in der EU Anpassungsstrategie und dem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen „Closing the climate protection gap – Scoping policy and data gaps“ beschrieben, ermutigt die Europäische Kommission öffentlich-private Partnerschaften diese Daten in Zukunft zu sammeln und gemeinsam zu nutzen. Daten über Verluste und Todesfälle aufgrund von Extremereignissen fließen auch in den EU Katastrophenschutzmechanismus und das europäische Katastrophenrisikomanagement ein.
Auf internationaler Ebene enthält der Sendai-Rahmen zur Verringerung des Katastrophenrisikos 38 Indikatoren zur Messung der Fortschritte bei der Verwirklichung der angeführten sieben Ziele. Darüber hinaus verfügen die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) über einen internationalen Indikatorensatz mit 232 einzelnen Indikatorenzur Verfolgung der Fortschritte bei der Verwirklichung der 169 Ziele der 17 SDGs.
Im Pariser Abkommen wurde der Warschauer Internationale Mechanismus für Schäden und Verluste als wichtigstes Instrument des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) zur Abwendung, Minimierung und Behebung von Schäden und Verlusten im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels, einschließlich extremer Wetterereignisse und langsam eintretender Ereignisse, bekräftigt.
Der Klimapakt von Glasgow, der auf der 26. Konferenz der Vertragsparteien des UNFCCC (COP26) vereinbart wurde, erkennt an, dass der Klimawandel bereits Verluste und Schäden verursacht hat und in zunehmendem Maße verursachen wird. Er erkennt auch an, wie wichtig kohärente Maßnahmen zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen des Klimawandels sind.
Im Jänner dieses Jahres veröffentlichte die Munich RE Rückversicherung die Schadenstatistik für 2021. Für Versicherungsunternehmen war 2021 gemeinsam mit 2011 und 2005 das zweitteuerste Naturkatastrophenjahr bisher. Hurrikan Ida in den USA war mit Gesamtschäden in der Höhe von 65 Milliarden US $ die teuerste Naturkatastrophe, gefolgt von den Sturzfluten in Deutschland mit 54 Milliarden US $. Eine wesentliche Erkenntnis aus diesem Bericht: "Viele der Wetterkatastrophen passen zu den erwarteten Folgen des Klimawandels – mehr Vorsorge und Klimaschutz sind dringend nötig!". (MO, Juni 2022)
Weitere Informationen
Briefing no. 21/2021: Economic losses and fatalities from weather- and climate-related events in Europe
García-León, D., Casanueva, A., Standardi, G. et al. Current and projected regional economic impacts of heatwaves in Europe. Nat Commun 12, 5807 (2021).