ClimAllergy - Ausbreitung und Management gebietsfremder Pflanzenarten mit hohem Allergiepotential

Höhere Temperaturen und eine längere Vegetationsperiode führen zu einer längeren
Pollenflugsaison und zu höheren gesundheitlichen Belastungen. Zusätzlich wird die Einwanderung und Ausbreitung wärmeliebender gebietsfremder Pflanzenarten durch den Klimawandel gefördert. Das Projekt ClimAllergy befasst sich mit ausgewählten allergenen Pflanzenarten, prognostiziert ihr zukünftiges Areal und erarbeitet Maßnahmen zur Eindämmung und Kontrolle.

Kosten einer Ausbreitung allergener Pflanzenarten und Maßnahmen zur Eindämmung

Eine wesentliche Frage für eine gezielte Maßnahmensetzung und ein vorsorgliches Management ist die Abwägung zwischen den entstehenden Kosten und dem Nutzeffekt. Die Nutzeffekte entstehen durch die Differenz der Maßnahmenkosten und der Kosten, die durch die Invasion der untersuchten gebietsfremden Pflanzenarten entstehen würden, wie Behandlungskosten und Ertragsverluste in der Landwirtschaft. Im Projekt CimAllergy wurden dafür zwei Maßnahmenszenarien miteinander verglichen: „keine Bekämpfung“, also eine ungehinderte Ausbreitung, und „vollständige Bekämpfung“, d.h. Ausrottung auftretender Populationen in Österreich. Darüber hinaus wurde die Pollenbelastung für die Bevölkerung mit zwei unterschiedlichen Klimawandelszenarien („konservativ“ [CGCM2 B2]  vs. „worst case“ [HadCM3 A1]) sowie zwei Ausbreitungsmodellen („realistisch“ vs. „maximal“) simuliert.

Die Ergebnisse zeigen, dass sogar für das „konservative“ Szenario (moderater Klimawandel, geringe Behandlungskosten und Ertragsverluste) Nutzeffekte im Ausmaß von 96,4 € Mio. bis 34,5 € Mio. prognostiziert werden. Für das „worst case“ Szenario liegen die berechneten Nutzeffekte zwischen 2.747, 7 € Mio. und 884,4 € Mio. Bei einem Vergleich der drei Arten würde die Bekämpfung des Einjährigen Beifußes den größten Nutzeffekt bringen. Für alle drei Arten gilt jedoch, dass die Vermeidung der Erkrankungen einen wesentlich bedeutenderen Beitrag am Nutzeffekt hat, als die Vermeidung der Ertragsverluste. Insbesondere die Bekämpfung des Einjährigen Beifußes und des Rispenkrauts sollte frühzeitig stattfinden, um einen möglichst hohen Nutzeffekt zu erzielen.

Ausbreitungsdynamik gebietsfremder Pflanzenarten mit hohem Allergiepotenzial

In dem vom Klima- und Energiefonds geförderten Projekt ClimAllergy wurde von drei ausgewählten gebietsfremden Pflanzenarten mit hohem Allergiepotenzial, und zwar dem Dreispaltigen Traubenkraut (Ambrosia trifida), dem Einjährigen Beifuß (Artemisia annua) und dem Rispenkraut (Iva xanthiifolia) die Ausbreitungsgeschichte sowie die Arealdynamik unter Berücksichtigung des Klimawandels dargestellt. In einem weiteren Schritt wurden effektive und kostengünstige Maßnahmen zur Eindämmung und Kontrolle erarbeitet sowie die Kosten und Nutzen dieser Maßnahmen analysiert. Das Projekt wurde von den fünf Projektpartnern Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Umweltbundesamt GmbH, Universität Wien, Institut für Naturschutzforschung und Ökologie GmbH (VINCA) und Technische Universität Wien von Januar 2011 bis August 2013 durchgeführt.

Alle drei ausgewählten Pflanzenarten haben ein sehr hohes allergenes Potenzial und sind Verursacher von Asthma, Heuschnupfen und Dermatitis. Darüber hinaus kommen das Dreispaltige Traubenkraut und das Rispenkraut auch als Unkraut auf landwirtschaftlichen Flächen vor. Alle drei Arten treten zurzeit sehr selten in Österreich auf, kommen jedoch schon in einigen angrenzenden europäischen Nachbarländern vor und verbreiten sich dort stetig. Es kann angenommen werden, dass die sich ändernden klimatischen Bedingungen die Ausbreitung der drei Arten weiter fördern.

Drei Fotos welche ein dreispaltiges Traubenkraut, einen einjährigen Beifuß und ein Rispenkraut darstellen
Foto links: Dreispaltiges Traubenkraut (Ambrosia trifida), stammt ursprünglich aus Nordamerika, nördlich des Ohio River (© S. Follak; Velky Osek, CZ, 28.07.2012). Foto mitte: Einjähriger Beifuß (Artemisa annua), stammt ursprünglich aus Ostasien (© Pavol Eliáš; Kameničná, SK, undated). Foto rechts: Rispenkraut (Iva xanthiifolia), stammt ursprünglich aus den Präriegebieten Nordamerikas (© S. Follak; Galanta, SK, 15.08.2012).

Ergebnisse aus ClimAllergy

Die aktuelle Verbreitung und die räumlich-zeitliche Ausbreitungsdynamik der drei ausgewählten Arten wurde auf der Grundlage von floristischen Datenbanken, nationalen Kartierungsprojekten und Herbarien, der floristischen Literatur und länderübergreifenden ExpertInnenbefragungen erhoben und kartografisch dargestellt. Die räumliche Auflösung der Funddaten folgt dem Quadrantenraster der floristischen Kartierungen (5x3 geografische Minuten, ca. 33 km2). Dabei wurden neben Österreich auch Funde in den Nachbarländer (Deutschland, Tschechien, Slowakei, Norditalien, Mittel- und Ostkroatien, Slowenien, Schweiz, Serbien, Ungarn) in die Studie mit einbezogen.

Es wurden von den drei Arten insgesamt 3200 Funde von ihrem Erstauftreten im 19. Jahrhundert bis zum Jahr 2011 erfasst. Alle drei Arten traten zunächst selten auf, erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts stiegen die Neufunde des Einjährigen Beifußes und des Rispenkrautes (Abb. 1) deutlich an, während die Ausbreitung des Dreispaltigen Traubenkrauts bisher deutlich langsamer verlief.

Verbreitungskarte des Rispenkrauts
Verbreitungskarte des Rispenkrauts (Iva xanthiifolia) in Mittel- und Osteuropa für den Zeitraum vor 1950 (rote Dreiecke), 1951 bis 1970 (gelb), 1971 bis 1990 (grün) und 1991 bis 2011 (blau)

Anhand einer Habitatmodellierung wurde in ClimAllery die Ausbreitung der drei Arten unter heutigen klimatischen Bedingungen (Abb. 2-4) sowie unter zukünftigen Klimabedingungen für unterschiedliche Klimawandelszenarien abgebildet. Der gewählte Prognosezeitraum war 2020 und 2050. Es wurden vier globale Klimamodelle (CGCM2, EchAM5, HadCM3, HadGEM1) und drei Emissionsszenarien (moderate [B2] und stärkere [A1, A2] prognostizierte Erhöhung der globalen  Durchschnittstemperatur) herangezogen.

Potenziell geeignetes Areal für die untersuchten Neophyten unter gegenwärtigem Klima in Mittel- und Osteuropa
Abb. 2 bis 4: Potenziell geeignetes Areal für die untersuchten Neophyten unter gegenwärtigem Klima in Mittel- und Osteuropa. oben das Dreispaltige Traubenkraut (Ambrosia trifida); in der Mitte der Einjährige Beifuß (Artemisia annua) und unten das Rispenkraut (Iva xanthiifolia)

Die drei untersuchten Arten treten zurzeit nur selten in Österreich auf und stellen daher keine akute Gefahr für die Gesundheit (und Landwirtschaft) dar. Es besteht jedoch für alle drei Arten ein hohes Invasionsrisiko unter den gegenwärtigen Klimabedingungen. Invasions-Hotspots unter gegenwärtigen Klimabedingungen liegen vor allem in Norditalien und in Gebieten mit kontinentalem und wärmerem Klima, wobei in Österreich insbesondere das östliche Donautiefland und das Wiener Becken für eine Besiedelung mit Dreispaltigem Traubenkraut, Einjährigem Beifuß und Rispenkraut geeignet sind (Abb. 2-4). Insbesondere für den Einjährigen Beifuß und das Rispenkraut wird dieses Invasionsrisiko durch den Klimawandel zusätzlich verschärft (das geeignete Areal steigt um nahezu das Dreifache an bis 2050), während das Invasionsrisiko des Dreispaltigen Traubenkrautes eher gleichbleibt oder gar abnimmt.

Kosten einer Ausbreitung allergener Pflanzenarten und Maßnahmen zur Eindämmung

Eine wesentliche Frage für eine gezielte Maßnahmensetzung und ein vorsorgliches Management ist die Abwägung zwischen den entstehenden Kosten und dem Nutzeffekt. Die Nutzeffekte entstehen durch die Differenz der Maßnahmenkosten und der Kosten, die durch die Invasion der untersuchten gebietsfremden Pflanzenarten entstehen würden, wie Behandlungskosten und Ertragsverluste in der Landwirtschaft. Im Projekt CimAllergy wurden dafür zwei Maßnahmenszenarien miteinander verglichen: „keine Bekämpfung“, also eine ungehinderte Ausbreitung, und „vollständige Bekämpfung“, d.h. Ausrottung auftretender Populationen in Österreich. Darüber hinaus wurde die Pollenbelastung für die Bevölkerung mit zwei unterschiedlichen Klimawandelszenarien („konservativ“ [CGCM2 B2]  vs. „worst case“ [HadCM3 A1]) sowie zwei Ausbreitungsmodellen („realistisch“ vs. „maximal“) simuliert.

Die Ergebnisse zeigen, dass sogar für das „konservative“ Szenario (moderater Klimawandel, geringe Behandlungskosten und Ertragsverluste) Nutzeffekte im Ausmaß von 96,4 € Mio. bis 34,5 € Mio. prognostiziert werden. Für das „worst case“ Szenario liegen die berechneten Nutzeffekte zwischen 2.747, 7 € Mio. und 884,4 € Mio. Bei einem Vergleich der drei Arten würde die Bekämpfung des Einjährigen Beifußes den größten Nutzeffekt bringen. Für alle drei Arten gilt jedoch, dass die Vermeidung der Erkrankungen einen wesentlich bedeutenderen Beitrag am Nutzeffekt hat, als die Vermeidung der Ertragsverluste. Insbesondere die Bekämpfung des Einjährigen Beifußes und des Rispenkrauts sollte frühzeitig stattfinden, um einen möglichst hohen Nutzeffekt zu erzielen.

Empfehlungen und Schlussfolgerungen

  • Eine wesentliche Voraussetzung für ein effektives Management stellt die Erfassung und Darstellung der räumlich-zeitlichen Verbreitung invasiver, allergener Pflanzenarten dar. Auch wenn dies oft sehr zeitaufwendig erscheint und viele Datenlücken bestehen, ermöglicht diese Grundlage die Untersuchung der Ausbreitungsgeschichte und -dynamik und Prognosen für eine weitere Verbreitung.
  • Eine Habitatmodellierung stellt ein wichtiges Werkzeug für Evaluierung und Beobachtung potenzieller Verbreitungsmöglichkeiten unter heutigen und zukünftigen klimatischen Bedingungen dar.
  • Für eine gezielte Beobachtung und Eindämmung der weiteren Verbreitung gebietsfremder Pflanzenarten mit hohem Allergiepotenzial sollten Managementstrategien erarbeitet werden. Es wird empfohlen, insbesondere folgende wichtige Maßnahmen und erste Schritte in die Strategien mit aufzunehmen: rasche Bekämpfung bzw. Eindämmung vorhandener Populationen (Trainingsmaterialien oder -programme für (Gemeinde)-arbeiterInnen), GIS-Datenbank zur Dokumentation der Verbreitung sowie die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für unterschiedliche Stakeholder, Gemeinden, Medien oder die allgemeine Öffentlichkeit.
  • Kosten-Nutzen-Analysen sind ein gutes Werkzeug, um die Auswirkungen und Kosten der Verbreitung von Pflanzenarten mit hohem Allergiepotenzial aufzuzeigen. Auch wenn in der Kosten-Nutzen-Analyse im Projekt ClimAllergy einige vereinfachende Annahmen getroffen wurden, zeigen die Ergebnisse doch eindeutig, dass eine möglichst frühzeitige, proaktive und gezielte Maßnahmensetzung notwendig ist, um eine weitere Verbreitung der Arten zu verhindern.

Weiterführende Information:

Projektleitung:

Dr. Swen Follak
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH
Institut für Nachhaltige Pflanzenproduktion
Abteilung Pflanzengesundheit in Feld- und Gartenbau
Email: swen.follak@ages.at

Projektpartner:
Dr. Franz Essl, Dr. Dietmar Moser, Umweltbundesamt Ges.m.b.H (UBA), Wien
Prof. Mag. Dr. Stefan Dullinger, Universität Wien, Wien
Mag. Ingrid Kleinbauer, Andreas Gattringer, Institut für Naturschutzforschung und Ökologie GmbH (VINCA), Wien
Univ.-Prof. Michael Getzner, Dr. Leonhard Plank, Mag. Denise Zak, Technische Universität Wien, Wien

Projektlaufzeit:

Januar 2011 bis August 2013