Landesgebäude im Klimawandel
Seit Herbst 2018 tourt das Umweltbundesamt gemeinsam mit Expertinnen und Experten im Rahmen der bereits vierten Dialogveranstaltungsreihe durch die Bundesländer. Am 15. Februar stand St. Pölten mit dem Themenschwerpunkt „Landesgebäude im Klimawandel“ am Fahrplan. Lesen Sie im folgenden Beitrag eine Rückschau.
Gebäude sind von den Auswirkungen des Klimawandels in vielfältiger Weise betroffen. Dies betrifft zum einen die unmittelbaren physikalischen Auswirkungen auf das Gebäude durch Hitze, Starkniederschläge, Sturm, Schneedruck, Hochwasser, Lawinen, etc. und zum anderen aber auch den Komfort für Menschen, die in den Gebäuden leben und arbeiten. Diesem Thema widmete sich die Dialogveranstaltung am 15. Februar 2019 in St. Pölten mit speziellem Fokus auf Landesgebäude.
Die Hitzebelastung, die eine Person verspürt, ist nicht alleine von der Temperatur abhängig, so Dr. Manfred Radlherr von der Abteilung Umwelthygiene des Landes Niederösterreich. Weitere wichtige Faktoren sind, inwiefern eine Person der Hitze ausgesetzt ist, wie sensibel sie auf Hitze reagiert, wie hoch die Luftfeuchtigkeit ist und welche körperliche Aktivität ausgeübt wird. Je nach Intensität kann durch Hitze Hitzestress ausgelöst werden, bzw. können in schlimmeren Fällen hitzebedingte Krankheiten oder sogar ein Hitzetod eintreten. Besonders betroffene Personen sind
- Personen, die älter als 65 Jahre sind, Vorerkrankungen aufweisen und deren Anpassungskapazität eingeschränkt ist,
- Personen mit Atemwegs- oder Herz-Kreislauferkrankungen,
- Säuglinge und Kleinkinder, aufgrund ihrer instabilen Thermoregulation sowie
- chronisch kranke Menschen bzw. Menschen mit besonderen Bedürfnissen.
Die optimale Temperatur bei der keine Übersterblichkeit eintritt, ist u.a. vom Zweck des Gebäudes abhängig. So sind in einem Krankenhaus andere Anforderungen gegeben als beispielsweise in einem Kindergarten oder einem Verwaltungsgebäude. Rechtlich sind die Anforderungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) sowie in der Arbeitsstättenverordnung (AStV) festgeschrieben. Aus Studien geht hervor, dass beispielsweise in Schulen mechanische Lüftungsanlagen nicht nur die Luftqualität und damit auch das Konzentrationsvermögen von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern entscheidend beeinflussen, sondern energetisch auch kostengünstiger sind als Stoßlüften. Ein anderes Problem könnte in Zusammenhang mit dem Klimawandel das vermehrte Auftreten von Legionellen werden. Hier wurden 2010 in England und den Niederlanden Zusammenhänge zwischen besonders warmen und feuchten Sommern und einer erhöhten Legionellen-Fallzahl beobachtet. In Österreich veröffentlicht die AGES jährlich Berichte zu Legionella-Infektionen.
Langandauernde Hitzeperioden können zu einer Übersterblichkeit führen. Die AGES berichtete erst kürzlich von 766 zusätzlichen Todesfällen im Sommer 2018. In diesem Jahr wurden auch die meisten Sommertage (Tage, an denen die Temperatur über 25 °C steigt) seit mehr als 250 Jahren gezählt. Es ist entscheidend, dass sich Personen, in deren Zuständigkeitsbereich die Errichtung und Instandhaltung von Landesgebäuden fällt, mit dem aktuellen Forschungsstand der Klimawissenschaft auseinandersetzen. Bei der Dialogveranstaltung in St. Pölten übernahm diesen Input Dr. Klaus Haslinger von der ZAMG. Fest steht, dass sich das Klima auch in Niederösterreich verändern wird. Wie stark diese Veränderung ausfallen wird, ist entscheidend davon abhängig, inwiefern Gesellschaft und Politik es schaffen, die aktuelle Lebens- und Wirtschaftsweise zu verändern. Machen wir weiter wie bisher (Business-as-usual-Szenario) oder reduzieren wir unsere Treibhausgasemissionen (Klimaschutzszenario)? Im Worst-Case steht Niederösterreich eine Temperaturerhöhung um fast 4 °C bis zum Jahrhundertende bevor. Die Anzahl der Hitzetage könnte von den derzeit durchschnittlich 6 Tagen pro Jahr auf 29 Tage bis 2100 ansteigen. Die Website der ZAMG bietet vielfältige Informationen, beispielsweise über das „Informationsportal Klimawandel“. Auch können dort aktuelle Klimainformationen unter www.zamg.ac.at/cms/de/klima/klima-aktuell aufgerufen werden.
Selbst wenn es gelingt, die Treibhausgasemissionen rasch zu reduzieren, wird sich der Klimawandel aufgrund der Trägheit des Klimasystems fortsetzen. Verantwortliche für Landesgebäude sind daher gut beraten, sich bereits heute proaktiv mit den Möglichkeiten einer klimafitten Gestaltung von Gebäuden und deren Umfeld auseinanderzusetzen. Dipl.-Ing. Hubert Länger von der Abteilung Anlagentechnik hat sich mit diesem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt. Durch den Klimawandel sind folgende Einwirkungen auf Gebäude vermehrt zu erwarten: Hochwasserereignisse, Vermurungen, Starkregenereignisse, intensive Schneefälle, Stürme, Hitzeperioden, Trockenheit und Wasserknappheit. Für all diese Herausforderungen existieren bereits heute (technische) Lösungen, die in Planung und Umsetzung zu berücksichtigen wären. So sollten beispielsweise Gebiete, die derzeit nahe an der HW-100-Höhenmarke oder in der Nähe von instabilen Hängen liegen, nicht als Baugrund ausgewiesen werden. Schäden durch Hochwasser und Vermurungen können auch durch Dämme bzw. Rückhaltesysteme gemindert bzw. vermieden werden. Regenwasserableitsysteme sollten mit Reserven dimensioniert werden, Rückstauklappen in Abwassersystemen Standard sein. Um Schäden durch Schneelasten auf Dächern zu begegnen, sollten Dächer mit entsprechenden Reserven dimensioniert werden. Dass Schneelast auch in Niederösterreich ein Thema sein kann, zeigten die ersten Jännerwochen 2019, in denen im Mostviertel Schneehöhen von über 3 m auftraten. Eine interessante Idee ist eine sichtbare Deklarierung der zulässigen Schneebelastung am oder im Gebäude. Somit wäre klar, ab wann die Dächer (gesichert) freizuschaufeln wären. Die Sommermonate bringen andere Herausforderungen mit sich. Aufgrund des enormen Anstiegs an Hitzetagen sind Maßnahmen zur Verbesserung des Raumklimas zu setzen. Im Sinne des Klimaschutzes ist dabei von einfachen Maßnahmen, die keine oder nur wenig Treibhausgaseemissionen verursachen, auszugehen und erst dann auf mechanische Kälteanlagen zu setzen, sofern es unbedingt erforderlich ist.
Bei der Errichtung oder Sanierung von Landesgebäuden ist die Hinzuziehung von Expertinnen und Experten von Vorteil. Durch das Know-How von Firmen wie dem Bauphysikbüro Schöberl & Pöll können große Einsparungen erzielt und proaktiv Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels gesetzt werden. Bei der Dialogveranstaltung in St. Pölten stellte Bmst. DI Helmut Schöberl Lösungen für klimawandelangepasste Gebäude der Zukunft vor. Dabei gilt der Grundsatz: Klimaschutz forcieren und nicht mehr vermeidbare Folgen des Klimawandels abfedern. Erneuerbare Energiequellen, wie beispielsweise Solar-Eis-Speicher in Kombination mit Wärmepumpen und Solarabsorbern, sind wichtige Bausteine. Wie auch von Hubert Länger ausgeführt, ist die Sommertauglichkeit von Gebäuden zunächst mit passiven Kühlstrategien zu bewerkstelligen. Dazu gehören Beschattung, Minimierung innerer Lasten, Nachtlüftung, Aktivierung von Speichermassen, Reduktion von solaren Einträgen über transparente Flächen sowie helle Fassadenmaterialien, die Strahlungswärme reflektieren. Sollte dennoch eine aktive Kühlung erforderlich sein, dann sollte auf Bauteilaktivierung, Geothermie sowie eine bessere Dämmung der Verteilleitungen geachtet werden. Öffentliche Gebäude der Zukunft sollten durch Folgendes gekennzeichnet sein:
- Optimierte thermische Hülle: für Klimaschutz und Energieeffizienz; Schutz vor Hitze im Sommer sowie vor Kälte im Winter;
- Lüftungssysteme: wichtig für eine angenehme Innenluftqualität, da Fensterlüftung an heißen Tagen unmöglich wird;
- Erneuerbare Energien: ausschließlich und zu jeder Zeit rein regenerativ zur Gebäudeversorgung, wenn möglich auch im Gebäudeverband;
- Speicherung von Energie: Überschüsse vom Sommer in den Winter verschieben;
- Energieeffizienz: auch durch Abwärme-Rückgewinnung z.B. aus Grauwasser;
- Ökologische Baustoffe;
- Verschmelzung Mobilität mit Gebäude: man spricht dabei von sogenannter Sektorkopplung; auf Nähe des ÖV achten;
- Netze mit anderen Gebäuden;
- Mikroklima verbessern: durch Reduktion versiegelter Flächen (Vermeidung des Hitzeinseleffekts) und Schaffung begrünter Flächen (zum Rückhalt von Starkregen und zur natürlichen Beschattung);
- Gebäude der Zukunft müssen auch höheren Sturmlasten standhalten;
In den nächsten Jahren stehen einige technische Innovationen bevor. Das sind beispielsweise verbesserte Außenwanddämmstoffe (XPS, Bakelit, Aerogelputz/-platte, Vakuumdämmung) oder Vakuumgläser, die den U-Wert auf 0,3 bis 0,5 senken können.
Öffentliche Gebäude erfüllen nicht nur einen bestimmten Zweck als Krankenhaus, Kindergarten oder Verwaltungsgebäude, sondern sind durch die meist hohe Frequentierung Vorzeigeobjekte mit Multiplikatoreffekt. In Niederösterreich gibt es im Bereich der Landesgebäude bereits heute sehr positive Umsetzungsbeispiele. Diese stellten Ing. Reinhold Kunze von der Abteilung Umwelt- und Energiewirtschaft und Ing. Anton Pfneisl von der Abteilung Landeshochbau vor. Ein wichtiges Instrument dabei ist das „Pflichtenheft Energieeffizienz und Nachhaltigkeit für NÖ Landesgebäude“. Darin sind alle energetischen und ökologischen Anforderungen für Planung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung festgelegt. Diese Vorgaben sind sehr wichtig, denn Gebäude sind Jahrzehnte in Betrieb. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Niederösterreichische Landesgebäude wurden unter anderen mit drei Green Building Awards der EU, einem Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit, zwei FMA-Preisen und zehn klimaaktiv-Bewertungen in Gold ausgezeichnet.
Wird ein neues Gebäude errichtet, sind die Anforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, relativ einfach umzusetzen. Schwieriger gestaltet sich dies bei bestehenden Gebäuden. Jene Gebäude, die in den nächsten Jahren saniert werden, legen das Emissionsniveau bis 2050 fest. Eine Möglichkeit für finanzielle Unterstützung gibt es vom Klima- und Energiefonds durch das Programm „Mustersanierung“. Mag. Christoph Wolfsegger, der zuständige Programm-Manager, stellte die Förderung vor. Die Förderhöhen 2018 beliefen sich zwischen 35.000 und 800.000 Euro pro Projekt. Über Mustersanierungen sind Einspareffekte beim Energiebedarf und bei energierelevanten Betriebskosten bis zu einem Faktor 10 möglich. Bisher wurden 75 Gebäude über dieses Programm gefördert, wie z. B. das Schulzentrum Kirchberg am Wagram (NÖ). Weitere Informationen sind auf der Seite des Klima- und Energiefonds zu finden unter www.mustersanierung.at.
Nach dem Vortragsteil wurde der Dialog unter allen Anwesenden eröffnet. Diskutiert wurden die dringlichsten Probleme und Lösungsmöglichkeiten für Niederösterreichische Landesgebäude im Kontext zur Klimawandelanpassung. Besondere Herausforderungen bestehen durch Hitze, Hochwasser und Stürme. Technische Lösungen wie Beschattung, Kühlung, Geothermie, oder Verringerung der Versiegelung werden bereits – wo möglich – angewendet. Darüber hinausgehend müssen jedoch noch andere Faktoren berücksichtigt werden. Die Wissensvermittlung steht dabei im Vordergrund, denn jede Beschattung oder Kühlung ist obsolet, wenn Bewohnerinnen oder Bewohner eines Alten- und Pflegeheimes die Fenster im Sommer untertags öffnen. Nutzerinnen und Nutzer aber auch Betreiberinnen und Betreiber von Gebäuden sollten daher bereits von Anfang an in die Planung aber auch in die Umsetzung und den Betrieb miteinbezogen werden.
Die Dialogveranstaltungsreihe wird vom Klima- und Energiefonds gefördert. Die Umsetzung obliegt dem Umweltbundesamt, Abteilung Umweltfolgenabschätzung & Klimawandel. Die Veranstaltung in NÖ wurde auch maßgeblich vom Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Umwelt- und Energiewirtschaft unterstützt. Vielen Dank dafür! (MO, Februar 2019)