Dynamische Waldtypisierung Steiermark
Eine gut überlegte und nachhaltige Waldbewirtschaftung berücksichtigt die Klimaerwärmung und ihre Auswirkungen. Dazu gehört auch eine standortangepasste Baumartenwahl unter den Aspekten des Klimawandels. Die Ergebnisse des von der Steiermärkischen Landesregierung beauftragten Projekts FORSITE bieten nun dafür ein praxistaugliches Instrument.
Die Klimakrise ist für eine nachhaltige Forstwirtschaft die größte Herausforderung. Ziel einer nachhaltigen und an den Klimawandel angepassten Waldbewirtschaftung ist es, die Widerstandfähigkeit gegenüber Störungen zu erhöhen sowie die Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Waldökosysteme langfristig zu erhalten. Dies ist keine einfache Aufgabe, wenn man bedenkt, dass bei der waldbaulichen Planung immer vorausschauende, langfristige Entscheidungen für viele Jahrzehnte getroffen werden müssen.
Im Projekt FORSITE wurde daher ein praxistaugliches Instrument entwickelt, das die steirischen Waldbesitzer:innen bei waldbaulichen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel unterstützt. Erstmals können Auswirkungen der Klimakrise auf die steirischen Wälder für die nächsten 80 Jahre im Digitalen Atlas Steiermark abgerufen werden. Konkrete Empfehlungen für eine standortangepasste und klimafitte Baumartenwahl können eingeholt und in eine vorausschauende waldbauliche Planung einbezogen werden.
Diesem Instrument für Praktiker:innen liegt eine dynamische Waldtypisierung zugrunde, die auf umfassenden Bestandserhebungen und Berechnungen aufbaut. Waldstandorte sind von Natur aus durch Wasser-, Wärme-, Licht- und Nährstoffhaushalt geprägt. Dazu kommt die forstliche Nutzung, die Wälder und ihre Artenzusammensetzung mehr oder weniger stark überprägen. Die Klimakrise führt zu kurzfristigeren Änderungen der Standortverhältnisse, die bisher in der Waldbewirtschaftung nicht berücksichtigt wurden. Eine „herkömmliche“ Waldtypisierung (oder Waldtypenklassifikation) beschreibt Waldtypen, die sich auf Grundlage der heutigen Standorts- und Klimabedingungen potentiell ausbilden würden. Die dynamische Waldtypisierung in der Steiermark berücksichtigt erstmals auch den Klimawandel und beschreibt ein System von veränderlichen Standortszuständen. Es werden also auch zukünftige, standortangepasste Waldtypen für unterschiedliche Zeitspannen bis Ende des 21. Jahrhunderts dargestellt.
Mit der dynamischen Waldtypisierung werden die Waldtypen beschrieben, die sich unter heutigen Klima- und Standortbedingungen potentiell ausbilden können. Neu ist die zusätzliche Darstellung, mit welchen Veränderungen durch den Klimawandel für diese Standorte zu rechnen ist.
Um eine geeignete Datenbasis für die gesamte Waldfläche der Steiermark zu erhalten, wurden im Rahmen von FORSITE als erster Schritt terrestrischen Erhebungen zu Boden und Vegetation, eine Kartierung des geologischen Ausgangssubstrates und die Klassifizierung der Substrate durchgeführt. Dafür wurden:
- über 2900 Aufnahmepunkte zu Geologie und Substrat im Gelände und 240 Proben im Labor analysiert
- 1800 Probepunkte zu Vegetation und Standort erhoben, davon 400 Punkte intensiv mit Bodenproben in mehreren Tiefenstufen beprobt und im Labor analysiert
- an über 3100 Bäumen das Baumwachstum durch Bohranalysen ausgewertet
- mehr als 500 Personenmonate in das Projekt investiert
- 116 Standortseinheiten ausgeschieden
- für 18 Baumarten die Eignung flächig modelliert
Diese neu erhobenen Standort- und Bestandsparameter wurden regionalisiert, d.h. Punktdaten auf die Fläche übertragen. Neben dieser neu generierten Datenbasis wurden das digitale Höhenmodell, geologische Basisdaten und digital vorliegende Standorts- und Klimadaten zur Standortklassifizierung herangezogen. Standorte mit weitgehend ähnlichen Wachstumsfaktoren bzw. Standortsmerkmalen werden zu einer Standortseinheit zusammengefasst. Unterscheiden sich die Wuchsbedingungen zwischen einzelnen Standorten so wesentlich, dass die natürliche Waldgesellschaft oder die Baumartenmischung, die Wuchsrelationen zwischen den einzelnen Baumarten, das Gefährdungs- bzw. Leistungspotenzial bzw. die waldbaulichen Möglichkeiten anders sind, so werden unterschiedliche Standortseinheiten gefasst. Insgesamt wurde für die Steiermark 11 Waldvegetationszonen und 116 Standortseinheiten als Hauptwaldstandorte definiert.
Waldbauliche Planung muss langfristig denken und fortlaufend gut überlegte, nachhaltige Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels setzten. Dazu ist es wichtig, dass Waldbewirtschafter:innen mögliche klimawandelbedingte Veränderungen gut abschätzen können sowie mögliche Gefahren und zukünftige Potentiale erkennen. Genau dabei unterstützen die Ergebnisse des Projekts FORSITE.
Das Projekt FORSITE wurde vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 10 Land- und Forstwirtschaft geleitet, in Zusammenarbeit mit einem Team aus Forscher:innen der Universität für Bodenkultur, des BFWs, der Karl-Franzens-Universität Graz, JR-AquaConSol GmbH, WLM OG, ALPECON GmbH und der ZAMG. 6,4 Mio. Euro beträgt das Projekt-Budget, welches auch eine Förderung der EU enthält. (SV, Juni 2022)