Bauen für die Zukunft: Hitzetaugliche Wohngebäude

Lang andauernde Hitzewellen wie im heurigen Sommer belasten viele Menschen enorm – besonders, wenn sich die Hitze in der eigenen Wohnung auch über Nacht hält. Der effektivste Schutz ist, die Sonnenenergie gar nicht erst hereinzulassen. Ein Überblick, was man bei der Planung eines Wohnhauses beachten sollte und welche weiteren Möglichkeiten es gibt, um der steigenden Anzahl an heißen Tagen, Tropennächten und Hitzewellen am besten zu trotzen.

Hitzetage schon im Frühjahr

Hitze wird zunehmend auch über den Sommer hinaus ein Thema. Schon vor dem astronomischen Sommerbeginn am 21. Juni brachte das Jahr 2018 sommerliche Temperaturen in ganz Österreich. Bereits am 20. April 2018 wurde die 30-Grad-Marke erreicht – der zweitfrüheste Termin seit Messbeginn (ZAMG 2018). Die Anzahl der Hitzetage und – besonders ausschlaggebend für das Wohlbefinden während Hitzeperioden – auch die Zahl der Tropennächte mit Temperaturen über 20°C nehmen weiter zu. Beispielsweise muss man in Wien in einem durchschnittlichen Sommer mit 16 Tropennächten rechnen, im Sommer 2017 waren es jedoch 28. In den Landeshauptstädten gab es 2017 zwei bis drei Mal so viele Tropennächte wie im Mittel von 1981 bis 2010 (ZAMG 2017).

Die Auswirkungen dieser Temperaturzunahmen bekommen insbesondere die Menschen in Städten zu spüren. Durch den hohen Anteil an Beton- und Asphaltflächen wird viel Wärme gespeichert, gleichzeitig fließt das Niederschlagswasser ab anstatt zu verdunsten und die Umgebung zu kühlen. Dieser Effekt bewirkt, dass Städte um bis zu zehn Grad wärmer sind als ihr Umland. Insbesondere während Hitzeperioden belastet dies viele Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner.

Hitzeschutz beginnt bei der Gebäudeplanung

Rohbau mit Bauplänen
Effektiver Hitzeschutz beginnt bei der Planung.

Besonders problematisch werden hohe Temperaturen, wenn in heißen Perioden die eigene Wohnung keine Zuflucht vor der Hitze bietet, sondern sich die warme Luft in den Wohnräumen staut. Dieses Problem wird sich laut aktuellen Zukunftsszenarien zum Klimawandel weiter verstärken. Umso deutlicher ist, dass bei Neubauten Maßnahmen gegen die sommerliche Überwärmung eingeplant werden sollten. Dies sieht auch die Richtlinie zu Energieeinsparung und Wärmeschutz des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB-Richtlinie 6, Pkt. 4.8) vor. Bei Einfamilienhäusern und Wohngebäuden geht man von einer Nutzungsdauer zwischen 60 und 100 Jahren aus. Bei derartig langen Zeithorizonten lohnt sich eine umsichtige Planung mit durchdachten Sonnenschutzmaßnahmen, vor allem, da in Zukunft Hitzewellen länger und öfter auftreten werden.

Sommerliche Überwärmung tritt laut der gängigen Definition auf, wenn die gefühlte Temperatur im Innenraum am Tag 27°C und in der Nacht 25°C übersteigt. Ausschlaggebend ist allerdings nicht die tatsächliche Lufttemperatur, sondern die gefühlte Temperatur, die durch die Temperatur der Umgebungsflächen und Luftbewegungen beeinflusst wird.

Guter Sonnenschutz für die Wohnung umfasst viele Aspekte. Bereits bei der Planung kann man wirksame Maßnahmen gegen Überhitzung im Wohnraum treffen. Zu beachten sind dabei folgende Aspekte, die den thermischen Komfort eines Wohnhauses grundsätzlich beeinflussen:

  • Gebäudeorientierung: Fassaden Richtung Süden haben einen geringeren Energieeintrag als Fassaden nach Osten oder Westen, da die Sonne im Süden am höchsten steht. Daher sind die Fenster idealerweise senkrecht und nach Süden ausgerichtet. Auf diese Weise ist die Sonneneinstrahlung im Sommer bei höchstem Sonnenstand automatisch geringer. In den übrigen kälteren Jahreszeiten kann die Sonne länger einstrahlen und führt damit dem Haus die gewünschte Energie und ausreichend Tageslicht zu. Fenster, die nach Osten und Westen ausgerichtet sind, führen im Sommer zu einem höheren Wärmeeintrag. Durch den schrägeren Einfallswinkel am Vormittag bzw. Nachmittag gelangt mehr Strahlungsenergie ins Haus, es kommt schneller zu Überwärmung. Insbesondere schräge Fenster, z. B. Dachfenster, sind im Sommer Hitzefallen.
  • Bauweise und optimale Wärmedämmung: Je massiver eine Wand ist, desto besser schützt sie vor Temperaturschwankungen. Gute Wärmedämmung spart nicht nur Heizenergie im Winter sondern schützt auch vor Hitze im Sommer. Die einstrahlende Energie wird zeitverzögert und mit einer geringeren Amplitude, d. h. mit geringeren Temperaturschwankungen, nach innen weitergegeben.
  • Ausreichend Speichermasse durch Bauteile: Ein besonnter Raum sollte ca. 60 % der einfallenden Sonnenenergie speichern können.  Als Faustregel dafür gilt: Die primären Speichermassen (massive Flächen, auf die die Sonnenstrahlung direkt trifft) nehmen mindestens die dreifache Fensterfläche ein.  Um negative Umweltauswirkungen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren, empfiehlt es sich, die Verwendung nachhaltiger Materialien wie Holz gegenüber Beton abzuwägen.
  • Dimensionierung der Fensterflächen: Ein hoher Glasanteil trägt stark zu sommerlicher Überwärmung bei. Die Größe der Fenster sollte so geplant werden, dass ausreichend Tageslicht ins Haus gelangt, aber im Sommer nicht überhitzt.
  • Glasqualität: Je nach Qualität des Fensterglases dringt mehr oder weniger Energie durch die Glasflächen, ausgedrückt durch den Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) und den Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert). Die beiden Werte sollten möglichst niedrig sein. Herkömmliches Glas ohne Beschichtung hat einen g-Wert von etwa 0,85. Das bedeutet, dass 85 % der eingestrahlten Energie durch das Glas in den Innenraum eindringen. Beschichtetes Glas und zwei- oder dreifachverglaste Scheiben reflektieren mehr Strahlung, somit dringt weniger Wärme in den Raum. Moderne beschichtet Fenster haben einen g-Wert zwischen 0,25 und 0,65. Zu beachten ist, dass manche Glasbeschichtungen das durchdringende Lichtspektrum und die Farbwahrnehmung verändern und dadurch u. U. das Wohlbefinden beeinflussen.
  • Raumanordnung: Bei der Planung sollten Räume berücksichtig werden, die aufgrund ihrer Nutzung zum Wärmeeintrag beitragen (z. B. Küche).
  • Intelligenter Sonnenschutz: Mit einem beweglichen Sonnenschutz innen und außen kann die Beschattung individuell an die aktuellen Witterungs- und Strahlungsverhältnisse angepasst werden. Der optimale Sonnenschutz besteht aus einem flexiblen Sonnenschutz außen (Raffstores, Rollläden, Markisen etc.), Fensterglas mit einem möglichst niedrigen g-Wert sowie Blendschutz innen (Jalousien, Rollos, Plissees usw.). Auskragungen wie z. B. kleine Vordächer sind ebenfalls eine effektive Beschattungsmöglichkeit, jedoch können sie nicht angepasst werden und reduzieren den Lichteintrag permanent.
  • Bepflanzung: Fassaden- und Dachbegrünungen wirken sich positiv auf das Mikroklima rund ums Gebäude aus. Begrünte Fassaden und Dächer erhöhen die Luftfeuchtigkeit, senken die Temperaturen an der Fassade bei Hitze und binden Staub und Luftschadstoffe. Bei der fassadengebundenen Begrünung schützt die Bepflanzung außerdem die Fassade vor Schmutz, Witterung, UV-Strahlung und Schall.

Nicht nur bei der Planung, auch im täglichen Betrieb gibt es einige Maßnahmen, mit denen man Innenräume kühl halten kann:

  • Effiziente Beleuchtung wählen: LEDs erzeugen aufgrund ihres Lichtspektrums wesentlich weniger Abwärme als Glühbirnen.
  • Stromsparende Geräte kaufen: Sie verursachen weniger Abwärme.
  • Sonnenschutz verwenden: Der beste Sonnenschutz ist nutzlos, wenn er nicht verwendet wird. Daher ist es wichtig, alle Nutzerinnen und Nutzer über die Handhabung zu informieren.
  • Verhaltenanpassen: Unsere Aktivitäten beeinflussen die innere Wärmelast. Elektrogeräte wie PCs oder Beleuchtung sparsam einsetzen und einfache Speisen kochen hilft dabei, wenig Abwärme in den Raum zu führen. Die Bekleidung, Anzahl der Personen im Raum und die Aktivität an sich beeinflussen das Hitzeempfinden zusätzlich.
  • In der Nacht lüften: die kühle Nachtluft bringt Erleichterung.
  • Lüften wie im Winter: Tagsüber wenig lüften, damit keine warme Luft eindringen kann.
  • Die Natur nutzen: Zimmerpflanzen tragen zu einem guten Raumklima bei und Schattenpflanzen außen reduzieren den Wärmeeintrag durch die Sonne.

Kühlmethoden

Bub kühlt sich mit Ventilator ab

Klima-Split-Geräte häufen sich zusehends an den Fassaden – doch es gibt Alternativen.

Immer mehr Menschen ziehen aktive Kühlsysteme in Erwägung. Zu bedenken ist, dass insbesondere billige, mobile Geräte viel Energie verbrauchen und sich oftmals nachteilig auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen im Raum auswirken, da sie die Luftfeuchtigkeit beeinflussen, häufig zu Zugluft führen und viele Bakterien sammeln. Die klassischen Klima-Split-Geräte führen die Abwärme nach außen ab und tragen so weiter zur Erwärmung bei. Kontraproduktiv sind provisorische Lösungen, bei denen die Abluft mit einem Schlauch durchs gekippte oder gar offene Fenster nach außen geführt wird.

Alternative Kühltechnologien durch solarthermische Kühlung sind weniger bekannt, aber ebenso effektiv.

Eine Innenraumlüftung assoziiert man nicht automatisch mit einer Klimaanlage, sie kann aber ebenso zur Raumkühlung beitragen. Dabei kommt es vor allem auf eine durchdachte Planung an, um mit der Lüftung nicht heiße, sondern kühle Luft nach innen zu leiten. Ein erfolgreiches Beispiel ist eine Turnhalle in Wels (OÖ). Die Ansaugstelle für die Innenraumlüftung wurde im Schatten des Nebengebäudes platziert. So schwankt die Temperatur der angesaugten Luft über den Tag relativ gering. An einem heißen Sommernachmittag ist die angesaugte Luft um bis zu 20°C kühler als die Außenluft an einer Westfassade und die Innenraumtemperatur kann konstant bei etwa 26°C gehalten werden.

Wie hitzetauglich ist mein Haus?

Ob die eigenen vier Wände bzw. das geplante Haus überhitzungsgefährdet sind, kann man rasch mithilfe einiger Einflussfaktoren abschätzen. Dafür werden verschiedene Aspekte wie das Standortklima, Lüftungsmöglichkeiten, Beschattung und innere Wärmelasten für den kritischsten Raum im Haus anhand einer Tabelle bewertet und die Einflüsse addiert. Das Ergebnis kann von einer noch akzeptablen Temperatur von 30 °C abgezogen bzw. addiert werden. Das unten angeführte Beispiel zeigt, dass die Innentemperatur in diesem Raum im Sommer auf bis zu 35 °C steigen kann. 

Tabelle für eine erste Einschätzung der Überwärmungsgefahr im Haus bei Hitze.
Beispiel für eine grobe Abschätzung der Überwärmungsgefahr im Sommer. Eine erste Einschätzung kann selbst mit den Tabellen aus dem „Handbuch für Energieberatung“ durchgeführt werden

Kürzlich entwickelte ein Forscher der TU Wien außerdem ein kostenlos zugängliches Simulationswerkzeug, das die Temperatur im Innenraum modelliert. Mithilfe detaillierter Angaben zu Fenstern und Glasqualität, Material und Aufbau der Außenmauern, inneren Lasten usw. hilft das Online-Tool, Überwärmung bereits bei der Planung vorzubeugen – das war bisher nur mit kostenpflichtigen Programmen möglich. (AS, September 2018)