Erster Fortschrittsbericht zur Klimawandelanpassung

Der erste Fortschrittsbericht zum Stand der Umsetzung von Anpassung in Österreich liegt vor. Der Bericht wurde am 4. Dezember 2015 im Rahmen einer Pressekonferenz von Umweltminister Andrä Rupprechter vorgestellt. Er zeigt einerseits sowohl Bereiche auf, in denen bereits erfolgreich Maßnahmen zur Klimawandelanpassung in Angriff genommen wurden und auch solche, wo noch großer Handlungsbedarf besteht.

Nichthandeln, also keine Schritte zur Anpassung an den Klimawandel zu setzen, kann mit erheblichen Kosten bis 2050 verbunden sein. Nur mit einer vorausschauende Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen können Schäden vermieden und Chancen für viele Sektoren und Wirtschaftszweige gewinnbringend genutzt werden. Von den Auswirkungen des Klimawandels sind grundsätzlich alle Wirtschaftsbereiche betroffen, besonders die Gesundheit, die Energiewirtschaft, die Forst- und Landwirtschaft, der Tourismus, Verkehrsinfrastruktur und Gebäude.

Wie aber sieht der Stand der Umsetzung in den betroffenen Bereichen aus? Wo besteht weiterer und dringender Handlungsbedarf? Diesen und weiteren Fragen geht der erste Fortschrittsbericht zur Klimawandelanpassung in Österreich nach.

Anpassung findet statt

Der Bericht kommt zum Schluss, dass in Österreich bereits zahlreiche Maßnahmen in Angriff genommen wurden. Positive Beispiele finden sich de facto in jedem der 14 Aktivitätsfelder aus der Anpassungsstrategie. Viele der bereits in Umsetzung befindlichen Maßnahmen wurden aus einer anderen Motivation heraus initiiert, wie z.B. dem Schutz der Biodiversität, der nachhaltigen Entwicklung oder dem Klimaschutz, sind aber auch aus der Sicht der Anpassung wesentlich.

In der Landwirtschaft sind vor allem Anpassungsmaßnahmen wichtig, die eine nachhaltige, ressourcenschonende und klimafreundliche Produktion sichern. Im ÖPUL (Agrarumweltprogramm) sind daher auch etliche Maßnahmen zur Anpassung enthalten: wie z.B. der Schutz des Bodens durch biologische Bewirtschaftung, Begrünung von Ackerflächen, Erosionsschutz im Weinbau.

Bereits knapp mehr als 1/3 (rund 35%) aller landwirtschaftlichen Flächen Österreichs führen Maßnahmen zum Schutz des Bodens durch. 16,9% der landwirtschaftlichen Betriebe sind Bio-Betriebe. Insgesamt werden 19,7% der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet. Ein weiterer Ausbau und eine Erhöhung des Flächenanteils sind wichtig.

Eine Erhöhung der Hitze- und Trockenheitsresistenz sind seit langem Thema der Forschung. Seit den 70iger Jahren werden vermehrt trockenresistentere Wintersorten (Wintergetreide) angebaut. Der Anteil der Wintergetreideflächen ist von 50% auf 80% der Getreidefläche gestiegen.

Für die Forstwirtschaft gilt die Wahl standortangepasster Baumarten als eine wichtige Anpassungsmaßnahme. Diese erhöhen langfristig die Stabilität und reduzieren die Anfälligkeit der Wälder gegenüber Störungen bei sich ändernden klimatischen Bedingungen. Zu beobachten ist ein Rückgang des Fichten- und ein Anstieg des Laubholzanteiles.

Schematische Darstellung zum Trend der Baumartenverteilung in der Altersklasse 1–20 Jahre
Trend der Baumartenverteilung in der Altersklasse 1–20 Jahre

Eine nachhaltige Sicherung der Wasserressourcen als Lebensgrundlage und Lebensraum sowie Sicherung der Versorgung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser sind grundlegende Ziele in der Wasserwirtschaft.

Zur Verbesserung der Gewässerökologie wurden und werden zahlreiche Maßnahmen gesetzt, wie z. B. zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Fließgewässern oder der Renaturierung von Gewässern. Die im Zuge des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans (NGP) umgesetzten Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt, um die zusätzlichen Belastungen durch den Klimawandel (Erhöhung der Wassertemperatur, Veränderungen im Abflussgeschehen wie z.B. ausgeprägteres Niederwasser im Sommer) abzupuffern. Da jedoch mehr als die Hälfte der Fließgewässer in Österreich noch keinen guten oder sehr guten ökologischen Zustand aufweisen, ist auch in Zukunft eine Weiterführung von entsprechenden Maßnahmen wichtig.

Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Wirtschaftsbereichen in Österreich und ist vom Klimawandel stark betroffen: sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne. Eine Vielzahl von Fördermaßnahmen im Tourismus stehen im Einklang mit der Klimawandelanpassung, ohne diese explizit zu erwähnen: dazu zählen saisonverlängernde Maßnahmen, die Forcierung des Ganzjahrestourismus oder die Betonung regionaler Besonderheiten. Ein sanfter, umweltfreundlicher und nachhaltiger Tourismus unterstützt wesentlich die Ziele der Anpassung. Dazu vorhandene Initiativen wie die Bergsteigerdörfer, Wanderdörfer, das Umweltzeichen für Tourismusbetriebe oder die Alpine Pearls weisen in die richtige Richtung, sind aber zu stärken und weiter auszubauen.

Im Bereich Energie mit Fokus auf die Elektrizitätswirtschaft sind die Sicherstellung der Energieversorgung, die Diversifizierung der Energieträger aber auch die Reduktion des Energieverbrauchs aus der Sicht der Anpassung notwendig.

In energieeffizienten Gemeinden/Regionen werden Maßnahmen zum Klimaschutz, u. a. zur Erhöhung der regionalen Versorgungssicherheit (Versorgung auch im Krisenfall speziell bei Extremereignissen), vorangetrieben. Ziel ist auch, das Bewusstsein für Energiethemen und Energieeffizienz in der Bevölkerung zu stärken. Klima und Energiemodellregionen und e5 Gemeinden, aber auch das städtische Energieeffizienz Programm der Stadt Wien (SEP), leisten somit einen wichtigen Anpassungsbeitrag. Von großer Bedeutung ist es, dies weiterzuführen und weitere Gemeinden und Regionen zu gewinnen.

Im Aktivitätsfeld Bauen und Wohnen liegt eine große Herausforderung in der Vermeidung von sommerlicher Überhitzung der Innenräume. Gegen sommerliche Überhitzung von Gebäuden schützen Dämmung, Beschattung, alternative Kühlung, Dach- und Fassadenbegrünung. Vor allem Förderungen zur energetisch-thermischen Gebäudesanierung sind hier relevant und tragen in Kombination mit Beschattung und richtigem Lüften zur Anpassung an sommerliche Hitze bei.

Zum Schutz vor Naturgefahren ist es wichtig mehr Rückhalteflächen zu schaffen. Es ist daher erwähnenswert, dass im Jahr 2013 viele und große Projekte zur Schaffung von Retentionsraum umgesetzt wurden und damit das langjährige Mittel des jährlich zusätzlich geschaffenen Retentionsraums um ein Vielfaches überstiegen wurde.2013 wurden 18.550 ha Retentionsraum zusätzlich geschaffen. (Dies entspricht in etwa der Fläche von Ried im Innkreis mit ca. 29.000 EinwohnerInnen).

Diese positiven Beispiele sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Lücken in der Umsetzung sind analog zu den positiven Beispielen ebenso fast in jedem Aktivitätsfeld zu identifizieren. Zum Teil reichen auch die zur Verfügung stehenden Daten nicht aus, um eindeutige Aussagen treffen zu können.

So ist z. B. zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Bewässerung noch keine Trendangabe möglich, da nur Daten aus einer Erhebung im Jahr 2010 zur Verfügung standen. Dies trifft auch für den Anteil der Grünflächen im Siedlungsraum zu, die einerseits Hitzeinseln verringern und andererseits den Wasserrückhalt erhöhen. Die für den Bericht erstmalig erstellte Übersicht lässt noch keine Aussage zur vergangenen Entwicklung zu, bildet aber die Ausgangslage für die zukünftige Berichterstattung.

Weiterer Handlungsbedarf gegeben

Die Anzahl der Gebäude in Österreich nimmt ständig zu, von 1951 bis 2011 ist der Gebäudebestand auf das rund Zweieinhalbfache gestiegen (2 399 545 Gebäude). Im Jahr 2013 wurde erstmals erhoben wie viele Gebäude in Gebieten mit signifikantem Hochwasserrisiko liegen, die von einem 100jährlichen (und 300jährlichen) Hochwasser betroffen sind. 82.600 Gebäude (das sind 3,5% am Gesamtgebäudebestand) liegen in HQ100 Risikogebieten und 154.000 (6,4% am Gesamtgebäudebestand) in HQ300 Risikogebieten. Hier sind sowohl die Schutzwasserwirtschaft, Raumordnung, aber auch jede/jeder Einzelne durch Maßnahmen zur Eigenvorsorge gefragt, um gegenzusteuern.

Eine zentrale Herausforderung in der Raumordnung ist es, der steigenden Inanspruchnahme neuer Flächen sowie der Flächenversiegelung entgegenzuwirken. Nicht versiegelte Flächen tragen beispielsweise zur Erhöhung des Wasserrückhalts bei und können die Bildung von Hitzeinseln verringern. Im bundesweiten Mittel beläuft sich der Anteil der versiegelten Fläche am Dauersiedlungsraum für das Jahr 2013 auf 6,76 Prozent. Die höchsten Anteile von Versiegelung finden sich erwartungsgemäß in Bezirken mit urbanen Ballungsräumen wie Wien, Linz oder Graz. Auffallend ist im alpinen Bereich der vergleichsweise hohe Versiegelungsgrad des Dauersiedlungsraumes in Tiroler oder Vorarlberger Bezirken im Inn- bzw. Rheintal oder auch in der Steiermark im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag.

Karte mit dem Anteil der versiegelten Fläche am Dauersiedlungsraum in Österreich
Anteil der versiegelten Fläche am Dauersiedlungsraum

Verkehrsflächen bilden einen wesentlichen Anteil an den versiegelten Flächen. Die Zunahme der Verkehrsflächen und damit der Versiegelung durch Verkehrsflächen betrug in den letzten 18 Jahren österreichweit +18 %. Die Gesamtfläche der Versiegelung durch Verkehrsanlagen beträgt mittlerweile ca. 1 776 km2.

Eine Zunahme an Versiegelung durch Verkehrsflächen (v. a. Straßen) führt auch zu einer Zerschneidung von Lebensräumen und wirkt sich damit negativ auf die Vernetzung von Lebensräumen aus, die grundlegend für Wanderbewegungen und den Austausch von Populationen und Arten ist. Die Zerschneidung von Lebensräumen schreitet in Österreich laufend voran, wodurch immer mehr Inselbiotope entstehen.

Resümee

Anpassung findet statt, aber ein koordiniertes, sektorübergreifendes und vernetztes Vorgehen zwischen den Verwaltungsebenen und zwischen den Sektoren fehlt noch. Institutionelle Barrieren und mangelnder politischer Wille hemmen die Umsetzung von Anpassung in die Praxis. Der Klimawandel mit seinen mannigfaltigen Auswirkungen hat bisher österreichweit nur in wenige relevante strategische Entscheidungen Eingang gefunden. Damit wird ein zentrales Anliegen der österreichischen Anpassungsstrategie nur unzureichend erfüllt. Klimawandelanpassung verstärkt mitzudenken und ihr auf der politischen Agenda einen höheren Stellenwert beizumessen, wird mit fortschreitendem Klimawandel zunehmend dringlicher.

Hintergrund zum Bericht

Auf Basis des Auftrags aus der 2012 verabschiedeten Anpassungsstrategie und wie im aktuellen Regierungsprogramm 2013-2018 vorgesehen, wurde mit dem Fortschrittsbericht der Status-quo der Anpassung in Österreich untersucht. Der Bericht wurde am 29. September 2015 im Ministerrat verabschiedet.

Er ist als Pionierleistung auf EU-Ebene zu bezeichnen, da vergleichbar umfassende Berichte auf europäischer Ebene noch kaum vorliegen. Der Bericht basiert auf einer Befragung zur Umsetzung der 132 Handlungsempfehlungen aus dem Aktionsplan und auf der Beschreibung von 45 quantitativen und qualitativen Kriterien. Quantitative Kriterien sind beispielsweise der Anteil der Grünflächen im Siedlungsraum oder die Baumartenzusammensetzung. Qualitativ wird beschrieben, inwieweit Klimawandelanpassung in Tourismuskonzepten oder in Instrumenten der Verkehrsplanung berücksichtigt ist (BMLFUW 2015).

Die Ergebnisse sind ein wesentlicher Beitrag zur Weiterentwicklung der österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Er zeigt auf, wo weiterer und teils dringender Handlungsbedarf besteht und gibt somit auch Hinweise für die Ausrichtung und Planung zukünftiger Anpassungsaktivitäten. (Dezember 2015)