Ein Koffer, wenn der Strom ausfällt
Düstere Bilder entstehen im Kopf, wenn man sich mit Katastrophen und möglichen Folgen, wie etwa einem länger andauernden Stromausfall beschäftigt. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass das Risiko für Krisensituationen mit weitreichenden Folgen in Zukunft steigen wird. Umso wichtiger ist es, dass sich einige KLAR!-Regionen schwerpunktmäßig mit den Themen Schutz vor Naturgefahren und Katastrophenmanagement befassen. Die Regionen berichten, welche Maßnahmen sie für diesen Bereich umsetzen – ein Koffer spielt dabei unter anderem auch eine Rolle …
Vernetzung und Kommunikation selbst mit weit entfernten Gesprächspartnern sind heutzutage allzeit verfügbar und nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Wenn im Ernstfall Handynetze ausfallen und Orte von der Umgebung abgeschnitten sind, sollte jeder Haushalt mit überlebenswichtigen Utensilien ausgestattet sein. Um die Lage schnellstmöglich zu normalisieren, sollte insbesondere die Gemeinde den Überblick behalten, was zu tun ist. Beim Thema Katastrophenmanagement geht es nicht darum, Ängste zu schüren. Vielmehr stellen Verantwortliche Überlegungen an und planen Prozesse, damit in Krisensituationen alle betroffenen Personen wissen, wie sie sich am besten verhalten. Die KLAR!-Regionen Südkärnten, Ennstal und Bucklige Welt-Wechselland initiieren in ihren Maßnahmen ebensolche Prozesse und Aktivitäten. Damit treiben sie die Anpassung an den Klimawandel voran und erhöhen die Widerstandsfähigkeit ihrer Region. Sie stellen selbst vor, wo die Schwerpunkte in ihren Regionen liegen und welche Maßnahmen geplant sind.
Die KLAR!-Region Südkärnten – ein sensibler, alpiner Lebensraum
Innerhalb eines Jahres wurde Kärnten von mehreren Unwetterkatastrophen heimgesucht. Schwere Föhnstürme haben große Schäden in den Waldbeständen verursacht. Vermurungen und Stromausfälle haben ganze Täler von der Außenwelt abgeschnitten. Starkniederschläge führten zu Überschwemmungen und die Rettungskräfte wurden durch nachträgliche Hangrutschungen und Steinschläge gefährdet. Es zeigt sich ganz offensichtlich, wie sensibel gerade der alpine Lebensraum auf den Klimawandel reagiert und wie sehr die Lebensqualität und vor allem das Einkommen von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben durch massive Unwetter leiden können und noch leiden werden.
Daher hat sich die Region Südkärnten bereits 2017 erfolgreich als Modellregion zur Klimawandelanpassung beworben. Die Zielsetzung liegt dabei in der Bewusstseinsbildung, dass es den Klimawandel gibt und wie man diesem langfristigen Prozess am besten begegnet. Mögliche Ansätze sind beispielsweise, klimaresistente Baumarten für die Stabilisierung unserer Wälder anzupflanzen oder unsere Lebens- und Bewegungsräume vor Überhitzung zu schützen.
Ein Themenschwerpunkt in Südkärnten betrifft das Katastrophenmanagement. Die Annahme, dass eine Gemeinde weder über Straßen erreichbar ist, noch über Strom und sonstige Kommunikationsmöglichkeiten verfügt, wurde anfangs noch belächelt. Doch nur wenige Wochen nach der erfolgreichen Einreichung als Klimawandel-Anpassungsmodellregion trat dieser „Worst-case“ in der KLAR!-Gemeinde Eisenkappel-Vellach ein. Der Föhnsturm Yves im Dezember 2017 löste einen Zivilschutzalarm im Bezirk Völkermarkt aus und Eisenkappel war völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Aus dieser Situation wurden wertvolle Erkenntnisse abgeleitet, vor allem dass es einen sogenannten „Worst-case“ tatsächlich geben kann – das haben auch die Skeptiker erkannt.
Prozesse für den Notfall planen
Die Aufgaben eines kommunalen Krisenstabs sind vielfältig. Folgende Fragen muss eine Gemeinde intern und in Abstimmung mit der Bezirksverwaltungsbehörde für den Katastrophenfall klären: Wie kann die Verbindung zur Außenwelt und zu den Hilfsorganisationen aufrecht erhalten werden?, Wie haben die Entscheidungsprozesse und die Koordination der Einsatzkräfte zu erfolgen? Wer ist mit welchen Kompetenzen und Aufgaben betraut?
Bei Stromausfall funktioniert die Fernwärmeversorgung zu den einzelnen Abgabestationen nicht, daher ist auch anzudenken, wie die Gemeinde für ihre Bürger eine Notversorgung bzw. eine Notunterkunft zur Verfügung stellen kann. Nicht die Versorgung von Notstromaggregaten war in Eisenkappel das Problem, sondern der Anschluss in ein Mikronetz (Kuranstalt) war problematisch. Dies konnte nur durch einen Elektriker bewerkstelligt werden. Diese Einspeisepunkte müssen vorsorglich errichtet werden.
Maßnahme „GEO-Daten für Gemeinden“
Um zukünftige Extremsituationen leichter managen zu können, haben fünf von sieben Gemeinden der KLAR!-Region Südkärnten bereits die Geo-App „GIS for you“ angeschafft. Sie erlaubt die Verwaltung einer Vielzahl von für die Gemeindeverwaltung und das Katastrophenmanagement relevanten Daten insbesondere über die Infrastruktur. Der Klimawandel belastet die öffentliche Infrastruktur zunehmend, daher sind aktuelle Daten über Zustand und Instandhaltung (auch im Hinblick auf die steigende Haftungsproblematik) sehr wichtig. Im Katastrophenfall sind leicht zugängliche georeferenzierte Daten eine große Hilfe. Sie sollen im Rahmen dieser KLAR!-Maßnahme erhoben und eingepflegt werden.
Kühlungsmaßnahmen auch im ländlichen Raum notwendig
Neben dem Schwerpunkt „Katastrophenmanagement“ widmet sich die KLAR! Südkärnten dem Thema Überhitzung. In öffentlichen Gebäuden (z.B. Gemeindeämter und Schulen), die keine baulichen Verschattungselemente aufweisen, werden Überhitzungsprobleme auftreten. Mit einfachen Mitteln (z.B. verschattender, kurzer Dachüberstand nach Süden, Außenjalousien) können oft erhebliche Kühlungseffekte im Sinne einer „guten“ Anpassung erzielt werden. Daher fördert die KLAR!-Region Südkärnten die teilnehmenden Gemeinden, gemeinsam mit einem renommierten Architekten öffentliche Gebäude analysieren zu lassen und Verbesserungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Außerdem wird die Begrünung versiegelter Flächen immer wichtiger (Ortskerne, Spielplätze, Schulhöfe,...). Vermehrte Begrünung kühlt die Umgebung und hat positive Effekte auf die Ökologie. Nach Identifizierung geeigneter gemeindeeigener Flächen werden die Entscheidungsträger sowie die Bevölkerung zum Mitmachen angeregt. Pflanzaktionen sollen als praktisches „Lernlabor Klimawandelanpassung“ – auch für Schulen – genutzt werden.
Als größter Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel gilt das gemeinsame Bekenntnis zur Sache, ein klarer Schulterschluss der sieben Mitgliedsgemeinden sowie eine gemeinsame, aktive Umsetzung der geplanten Maßnahmen.
Steckbrief KLAR! Südkärnten:
- Mitglieder: 7 Gemeinden
- Fläche: 495 km²
- Bevölkerung: 16.074
KLAR! Zukunftsregion Ennstal
Im Ennstal treten bereits heute extreme lokale Starkniederschläge auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Zukunft vermehrt solche Ereignisse stattfinden, ist sehr signifikant. Damit verbunden besteht eine hohe Gefahr vor von Vermurungen, Verklausungen und Überschwemmungen. Aus diesem Grund liegt einer der vier Schwerpunkte in der KLAR! Zukunftsregion Ennstal auf dem Thema „Katastrophenschutz & Infrastruktur“. Weiters bedeutet der Klimawandel immense Herausforderungen für die Land- und Forstwirtschaft. Im Ennstal gerät die Fichte als „Brotbaum“ – die in der Forstwirtschaft überwiegend genutzte Baumart – immer mehr unter Druck und fühlt sich durch die höheren Temperaturen in Tallagen nicht mehr wohl. Höhere Temperaturen, längere Vegetationszeiten und lange Trockenperioden begünstigen die Ausbreitung von Schädlingen, wie z.B. dem Borkenkäfer. Aber ein milderes Klima kann auch Chancen für die Region bedeuten. So nützen bereits heute die Tourismusbetriebe bestmöglich die längeren Zwischensaisonen. Gemeinsam mit der BOKU Wien wurden bereits für alle drei Ennstaler KLAR!-Gemeinden alternative Tourismuskonzepte für das Nischensegment “sanfter, naturnaher Tourismus“ entwickelt. Der vierte Schwerpunkt der Maßnahmen liegt im Bereich (Weiter-) Bildung und Bewusstseinsbildung für alle Altersstufen.
Krisen gekonnt kommunizieren
Konkret wurde eine Arbeitsgruppe Not- & Katastrophenfall mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren aus der Region gegründet, um geeignete Maßnahmen zur Informationsverbesserung (untereinander und zu den Bürgerinnen und Bürgern), zur Prävention und zur Kommunikation zu diskutieren und zu erarbeiten. Zudem wurde bereits eine professionelle Kommunikationsschulung für die Teilnehmenden der Arbeitsgruppe durch Krisen-Kommunikationsexpertinnen und -experten im Rahmen der KLAR! organisiert und durchgeführt.
Selbstschutz der BürgerInnen stärken
Weiters werden in den kommenden Monaten in Kooperation mit dem Land Steiermark, dem Zivilschutzverband und den Ortsfeuerwehren Informationsveranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Initiative „Selbstschutz Hochwasser“ stattfinden. Dabei können sich die Menschen wertvolle Tipps holen, wie man sich und sein Eigentum bestmöglich schützt. Hier geht es z.B. um die Identifikation von potentiellen Wassereintrittsstellen ins Haus, Elektroinstallationen im Außen- oder Kellerbereich, einen angepassten Garagenbau oder das Vermeiden von Bodenversiegelung. Aber auch richtiges Verhalten in Not- und Katastrophenfällen wird erklärt. Hier gilt es vor allem, die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung zu verstärken und die Botschaft: "Selbstschutz ist der beste Schutz!“ zu vermitteln.
Klimawandelanpassung auf der Straße
Auch gezielte Schulungen und Informationsweitergabe zum Thema angepasste Parkflächen und Wege in enger Kooperation mit den Behörden und der Landwirtschaftskammer sind geplant. Schließlich ist der Bau einer Demonstrationsanlage zum Thema Naturgefahren, insbesondere Hochwasser & Muren, in Kooperation mit der Wildbach- und Lawinenverbauung, Universitäten und dem Land Steiermark in Planung.
Bildungspool und Forstwirtschaft
Weitere Maßnahmen drehen sich darum, den Wald widerstandsfähiger zu machen. Waldeigentümerinnen und -eigentümer und Forstleute haben die Möglichkeit, sich bei Waldexkursionen über geeignete Baumarten und Mischwaldstrukturen zu informieren. Besonders erfolgreich wird Kindern im Rahmen des Bildungspools Wissen zum Klimawandel vermittelt. Kindergarten- und Schulkinder werden in Workshops zu aktiven „Klimaschützern“ und „Klimawandelanpassern“ ausgebildet. Noch Monate nach den Workshops erinnern sich die Kinder daran, achten auf richtiges Verhalten im Haushalt und erklären den Eltern und Großeltern, dass man z.B. bei Stürmen im Haus bleiben soll oder bei Hitze ausreichend trinken muss.
Klimawandel spannend vermitteln
Ein besonderer Erfolg war, dass im Mai 2018 rund 140 Kinder am KLAR! Kinder Erlebnisfest zum Thema Klimawandelanpassung in Raumberg-Gumpenstein teilnahmen. Vier Erlebnisstationen sorgten für Spannung, Spaß und neues Wissen bei Klein und Groß. Die Kooperation der Initiative KLAR! Zukunftsregion Ennstal mit der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie dem Kinderbüro − die Lobby für Menschen bis 14 war ein voller Erfolg. Alle Maßnahmen, Events und Termine können unter www.klar-ennstal.at nachgelesen werden.
Steckbrief KLAR! Zukunftsregion Ennstal:
- Mitglieder: 3 Gemeinden
- Fläche: 406 km²
- Bevölkerung: 4.763
KLAR! Bucklige Welt-Wechselland
Die Region Bucklige Welt - Wechselland ist seit Juni 2017 eine von 20 Klimawandel-Anpassungsmodellregionen (KLAR!) in Österreich. Mit 1. Juli 2018 wurde die Umsetzungsphase der KLAR! Bucklige Welt - Wechselland gestartet. In dem von der Steuerungsgruppe erstellten Anpassungskonzept hat die Region die Maßnahmenschwerpunkte für die Umsetzungsphase definiert:
• Ökosysteme und Biodiversität
• Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft
• Forstwirtschaft
• Landwirtschaft
• Schutz vor Naturgefahren (bezogen auf Gesundheit, Bauen und Wohnen, Infrastruktur)
• Katastrophenmanagement
Vier Maßnahmen drehen sich um die Themen Schutz vor Naturgefahren, Katastrophenmanagement und Bauen und Wohnen:
• Unwettercheck: Wie schütze ich mein Haus vor extremen Wetterereignissen? Gemeinsam mit regionalen Firmen wird ein Festpreis-Angebot für Privatkunden ausgearbeitet. Das Angebot beinhaltet die Begutachtung von Bestandsbauten, um die Gebäude auf zunehmende Wetterextremereignisse vorzubereiten.
• Konzept Backup Stromversorgung: Wie kann eine Gemeinde die Infrastruktur bei einem Blackout, einem länger andauernden Stromausfall, aufrechterhalten? Für eben diesen Fall erstellt die KLAR! Bucklige Welt-Wechselland ein Konzept für Gemeinden mit Maßnahmen z.B. für die Bereiche Wasserver- und entsorgung, Freiwillige Feuerwehren, Tankstellen usw.
• Überbrückungskoffer Blackout: In Zusammenarbeit mit dem Zivilschutzverband wird ein Überbrückungskoffer für Haushalte im Falle eines Blackouts erstellt. Mit welchen Utensilien der Notfallkoffer konkret ausgestattet wird, entwickelt die KLAR!-Region gemeinsam mit dem Zivilschutzverband. Angedacht sind Konservendosen, Wasser, Batterien, ein Kofferradio und ähnliches. Weiters wird ein System entwickelt, um die Inhalte des Koffers nach Vorbild der Feuerlöschüberprüfung periodisch zu überprüfen.
• Grenzübergreifende Kooperation der Einsatzorganisationen im Katastrophenfall: Es sollen die Einsatzpläne für den Fall eines Wald- oder Flurbrandes oder einer Hochwassersituation bezirks- bzw. landesübergreifend (NÖ, Bgld, Stmk) überprüft, koordiniert und gegebenenfalls aktualisiert werden.
Weitere Maßnahmen der KLAR! Bucklige Welt-Wechselland zu anderen Schwerpunkten umfassen folgende Themen:
- Grüne lebende Beschattung von öffentlichen Plätzen
- Waldbewirtschaftung unter neuen Voraussetzungen
- Bewusstseinsbildung zur Trinkwassersicherung
- Wasserrückhaltung der kleinstrukturierten Straßenentwässerung
- Gezielte Pflanzungen gegen Schneeverwehungen und Erosion
- Öffentlichkeitsarbeit – Bewusstseinsbildung
Auch die langfristige Wirkung der Aktivitäten ist gesichert: Die LFS Warth wird als Zentrum zur Weiterbildung der Forstwirte in Sachen Wald und Klimawandel dienen und somit die Anpassung der Wälder an den Klimawandel nachhaltig sicherstellen.
Steckbrief KLAR! Bucklige Welt-Wechselland:
- Mitglieder: 31 Gemeinden
- Fläche: 830 km²
- Bevölkerung: 49.222
Informationen zum KLAR!-Programm
Der Klima- und Energiefonds hat gemeinsam mit dem BMNT 2016 ein europaweit einzigartiges Förderprogramm ins Leben gerufen, das österreichische Regionen dabei unterstützt, sich als Klimawandel-Anpassungs-Modellregionen (KLAR!) auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Im ersten Schritt erstellten die KLAR!-Regionen ein Anpassungskonzept mit zehn regional zugeschnittenen Maßnahmen. Nun starten die Regionen mit der Umsetzung der geplanten Maßnahmen. Die KLAR!-Serviceplattform begleitet die Regionen bei diesem Anpassungsprozess und berät die Regionen inhaltlich, stellt Informationen bereit und organisiert Vernetzungstreffen. Nähere Informationen zum KLAR!-Programm und zu den teilnehmenden Regionen finden Sie unter www.klar-anpassungsregionen.at (AS, Dezember 2018)
Kontakt:
KLAR!-Programmmanager: Mag. Gernot Wörther, Klima- und Energiefonds