Klimawandelanpassung im Regierungsprogramm
Im Jänner dieses Jahres wurde das österreichische Regierungsprogramm 2020-2024 vorgelegt. Als wesentliche Ziele sind die Bekämpfung des Klimawandels und die Einhaltung der Klimaziele von Paris genannt. Neben vielen Vorgaben zum Klimaschutz ist auch die Anpassung an den Klimawandel im Regierungsprogramm prominent vertreten.
Die Österreichische Bundesregierung bekennt sich im Regierungsprogramm zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Einhaltung der Klimaziele von Paris. Eine der Zielvorgaben ist die Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 und verbindliche Zwischenziele bis 2030. Die Anpassung an den Klimawandel findet sich vor allem in den sektoralen Zielsetzungen des Regierungsprogramms. Themen der Österreichischen Anpassungsstrategie sind insbesondere in den Sektoren Bauen und Wohnen, Wirtschaft, Energie, Naturschutz, Schutz vor Naturgefahren, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus, Katastrophenschutz sowie Wissenschaft und Forschung erwähnt. Für den Finanzsektor werden vor allem Maßnahmen zum Klimaschutz genannt.
Bauen und Wohnen/Gebäudesektor
Anpassungsrelevante Maßnahmen sollen im Sektor Wohnen und Gebäude unter anderem durch Investitionsanreize für die Sanierung und den Neubau sowie im Rahmen einer Ausbildungs- und Sanierungsoffensive gesetzt werden. Klimaschutz und Klimawandelanpassung können im Bereich Bauen und Wohnen nicht getrennt betrachtet werden und eine Vielzahl an Anpassungsmaßnahmen steht in engem Zusammenhang mit Klimaschutzmaßnahmen, so die Österreichische Anpassungsstrategie.
Auch im Regierungsprogramm finden sich für den Sektor Wohnen Maßnahmen, die Klimaschutz und Klimawandelanpassung vereinen. So werden anstelle der Versieglung grüner Wiesen flächenoptimierte Bauweisen bei Neubauten wie Nachverdichtung und Überbauung forciert. Bei der Wohnbauförderung, bei Abschreibungsmöglichkeiten und bei den Anforderungen an den sozialen und geförderten Wohnbau stehen Umweltschonung und ökologische Aspekte im Vordergrund. Die Wohnbauförderung soll z.B. an Klimaschutzzielen orientiert werden. Das Wohnangebot soll laut Regierungsprogramm vergrößert und gleichzeitig gegen den Leerstand mobilisiert werden. Dazu soll die Wohnbauförderung intensiver für die Sanierung genutzt werden können und die Sanierungsrate insgesamt erhöht werden. Förderprogramme sollen die thermisch-energetische Sanierung von Nutzgebäuden voranbringen, ökologische Baumaterialien sollen vermehrt zur Anwendung gelangen. Im Zuge der Klimaanpassung im Gebäudesektor soll bei Planung und Bau auf die voraussichtlich steigenden Außentemperaturen abgestellt werden. Rechtsmaterien und Förderinstrumente sollen folgende Maßnahmen implementieren: hochwertige Quartiersentwicklung mit Grünräumen, Reduktion versiegelte Flächen, Nutzung von Grauwasser, Dachbegrünungen, konstruktiver Überwärmungsschutz, Ausbau von Energienetzen und aktive Kühlmöglichkeiten. Damit unterstützt das Regierungsprogramm in einigen Bereichen die Umsetzung von Handlungsprinzipien und Handlungsempfehlungen des Aktivitätsfelds Bauen und Wohnen der Österreichischen Anpassungsstrategie, z.B. bei der Berücksichtigung von Kriterien der Nachhaltigkeit oder der Erhöhung der Sanierungsrate.
Wirtschaft
Das Regierungsprogramm nennt neben ökonomischen und sozialen auch ökologische Ziele der österreichischen Budgetpolitik, der als Handlungsgrundlage insbesondere auch das Pariser Klimaabkommen dienen soll. Eine Reform von Steuern und Abgaben soll Lenkungseffekte auf die erfolgreiche Bekämpfung des Klimawandels bewirken und nachhaltige Wirtschaftsweisen fördern. In erster Linie werden Klimaschutzmaßnahmen angesprochen, etwa mit einer „Bürger-Stiftung Klimaschutz“, mit der Auflage von Green Bonds zur Beteiligung der Bevölkerung an der Klimawende oder mit der Nutzung des Vergaberechts zur Bekämpfung des Klimawandels durch Erweiterung des Bestbieterprinzips um ökologische Kriterien. Parallelen bestehen auch hier zur Österreichischen Anpassungsstrategie, die die Entwicklung klimafreundlicher und anpassungsfördernder Produkte als Teil für nachhaltiges Wirtschaften als ein übergeordnetes Ziel des Sektors Wirtschaft betrachtet.
Energie und Energieversorgung
Die im Regierungsprogramm zu Energie und Energieversorgung dargestellten Maßnahmen besitzen hohe Relevanz für die Anpassung an den Klimawandel. Nach den Zielen des Regierungsprogramms soll möglichst rasch und weitgehend auf fossile Energieträger verzichtet werden. Dazu sollen verstärkt vorhandene Ressourcen zur nachhaltigen Erzeugung von erneuerbarer Energie (Strom, Wärme und Kälte, Mobilität) genutzt und gekoppelt werden. Durch einen erleichterten Ausbau bestehender und die Errichtung neuer Energieerzeugungsanlagen für erneuerbare Energien soll die Energie- und Versorgungssicherheit erhöht werden. Weiters wäre die Energieeffizienz anzuheben. Entwicklung und Beforschung von Speichermöglichkeiten finden ebenso Erwähnung wie die Gewährleistung der Versorgungs- und Netzsicherheit.
Naturschutz
„Die Bundesregierung übernimmt Verantwortung für den Schutz der Biodiversität“ heißt es wörtlich im Regierungsprogramm. Unter den erwähnten Maßnahmen finden sich viele, die auch Teil der Anpassungsstrategie sind. Es wird darauf hingewiesen, dass intakte Ökosysteme Schutz vor Naturgefahren bieten und zur Klimaregulierung beitragen. Gerade auch aus dieser Erkenntnis heraus werden wohl einige anpassungsrelevante Maßnahmen ins Regierungsprogramm aufgenommen. Die Entwicklung von Biotop-Verbundsystemen, die Schaffung von Anreizen für Biodiversitätsmaßnahmen, die Förderung der Strukturvielfalt in der Landschaft und Maßnahmen zur Wiederherstellung von degradierten Ökosystemen sind einige davon. Die Verbesserung und Vernetzung von Lebensräumen und Schutzgebieten wird in der Österreichischen Anpassungsstrategie als wesentlicher Faktor zur Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit von Populationen und Arten unter einem sich wandelnden Klima bezeichnet.
Schutz vor Naturgefahren
Das Regierungsprogramm nennt anpassungsrelevante Maßnahmen wie den Ausbau des Hochwasserschutzes mit Vorrang von nicht-baulichen Maßnahmen, die Vereinheitlichung von Förderkriterien und eine ausreichende Dotierung für den „Schutz vor Naturgefahren“. Ziele sind unter anderem ein dezentraler ökologischer Hochwasserschutz, die Verbesserung der Katastrophenhilfe, die Verstärkung der nachhaltigen Schutzwaldbewirtschaftung und die Reduktion negativer Auswirkungen invasiver, gebietsfremder Arten. Parallelen zur Österreichischen Anpassungsstrategie finden sich vor allem in Bezug auf den Schutz von Feuchtlebensräumen und die Erhöhung von Wasserspeicher und -rückhaltefähigkeit von Flächen durch abflussverzögernde Maßnahmen.
Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft
Eine Fülle an anpassungsrelevanten Maßnahmen enthält das Regierungsprogramm für den Sektor Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft. Beispielhaft erwähnt sind die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung und der Wasserqualität, ausreichende Fördermittel für ökologische Maßnahmen, integrative wasserwirtschaftliche Planung und der integrative ökologische Hochwasserschutz, die nachhaltige Sicherung der Wasserressourcen unter Berücksichtigung des Klimawandels oder die gesetzliche Vorrangstellung der Trinkwasserversorgung bei Nutzungskonflikten. Als ein Ziel nennt das Regierungsprogramm auch die Erreichung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und stellt ausreichende Fördermittel für die Umsetzung hydromorphologischer Maßnahmen sowie deren rechtliche Erleichterung in Aussicht.
Raumordnung
Das Regierungsprogramm thematisiert vor allem den steigenden Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung. Ziele sind eine österreichweite Bodenschutzstrategie für sparsamen Flächenverbrauch mit der Reduktion des Flächenverbrauchs auf 2,5 ha pro Tag bis 2030 sowie die Kompensation zusätzlicher Bodenversiegelung durch Entsiegelung entsprechender Flächen. Umgesetzt werden sollen ÖROK-Empfehlungen zur Stärkung von Orts- und Stadtkernen, zum Flächensparen, zum Flächenmanagement und zur aktiven Bodenpolitik. Weiters soll der Leerstand erhoben und wieder aktiviert werden. Die Maßnahmen des Regierungsprogramms stehen in engem Zusammenhang mit den Zielen der Österreichischen Anpassungsstrategie im Sektor Raumordnung wie beispielsweise einer nachhaltigen Raumentwicklung und der Weiterentwicklung bestehender Planungsziele.
Landwirtschaft
Die Landwirtschaft stellt erneuerbare Rohstoffe bereit, erhält natürliche Ressourcen und die Artenvielfalt, leistet einen Beitrag zum Schutz des Bodens und der Verbesserung der Wasserqualität und damit auch einen wesentlichen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel – so das Regierungsprogramm. Erkennend, dass die Landwirtschaft einem hohen Schadensrisiko ausgesetzt ist, soll der Versicherungsschutz verstärkt bzw. steuerlich ausgeglichen werden. Die biologische und nachhaltige Wirtschaftsweise soll zur Erreichung umwelt- und klimapolitischer Zielsetzungen prominent positioniert werden. Dem Agrarumweltprogramm – insbesondere mit ÖPUL, Bio, Naturschutz und Tierwohl – soll eine wesentliche Bedeutung zur Erreichung der Pariser Klimaziele zukommen. Die Österreichische Anpassungsstrategie fordert ähnliche Maßnahmen insbesondere in den Aktivitätsfeldern Landwirtschaft und Ökosysteme/Biodiversität.
Forstwirtschaft
Der klimafitte Wald erhält im Regierungsprogramm hohen Stellenwert. Anpassungsrelevante Zielsetzungen und Maßnahmen sind vor allem die Stärkung der aktiven, nachhaltigen Waldbewirtschaftung zur Sicherstellung der Schutz-, Erholungs-, Wirtschafts- und Wohlfahrtsfunktion. Das Aktionsprogramm Schutzwald soll bis 2024 umgesetzt, Biotop-Verbund-Systeme, Retentionsräume und das Naturwaldreservatnetz sollen ausgebaut und der Vertragsnaturschutz soll abgesichert werden. Unterstützung wird bei standortgemäßer und klimafitter Wiederaufforstung und Pflege nach klimabedingten Kalamitäten vorgesehen. Ziel ist es auch, geschädigte Schutzwälder rasch standortgemäß wieder zu bewalden und geschädigte Hochlagen gezielt aufzuforsten, um das Wasserrückhaltevermögen zu erhöhen. Ein wesentlicher Bezug zur Anpassungsstrategie ist auch damit gegeben.
Tourismus
Im Regierungsprogramm wird das Spannungsfeld zwischen den Auswirkungen des Tourismus auf die Natur und den Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Tourismus (vor allem im Wintersport) in den Fokus gerückt. Es wird eine Form von Tourismus favorisiert, von der alle profitieren – Betriebe, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gäste, Bevölkerung und Naturlandschaft. Das Regierungsprogramm setzt auf die Umsetzung des „Plan T – Masterplan für Tourismus“, der Grundlage für eine nachhaltige Weiterentwicklung des Tourismusstandorts Österreich bildet. Die umgesetzten Maßnahmen des Plan T sollen auf ihre Wirkungen auf Klima und Ökologie überprüft und die Ergebnisse des Special Reports zu Klimawandel und Tourismus des ACRP berücksichtigt werden. Konzepte für die Vermeidung von „Overtourism“, für die saisonale Veränderung und zur Stärkung der Zwischensaisonen sollen erstellt werden. Ganzjährige Tourismuskonzepte sollen für jene Regionen erstellt werden, die klimawandelbedingt zunehmend vor Problemen stehen. Auch damit lässt sich ein Bezug zur Österreichischen Anpassungsstrategie herstellen.
Katastrophenschutz
In den kommenden Jahren und Jahrzehnten werden trotz gesteigertem Engagements für den Klimaschutz klimawandelbedingte Naturkatastrophen häufiger und schwerer. Darum setzt das Regierungsprogramm auf eine Stärkung des staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagements, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden und eine Steigerung der Resilienz Österreichs zu gewährleisten. Dabei rückt auch der Zivilschutz in den Vordergrund. Eine Weiterentwicklung und Bedarfsanpassung der Ausrüstung und der Strukturen für den Katastrophenschutz sowie die Schaffung rechtlicher Voraussetzungen für eine einfache und rasche Beschaffung in Krisen- und Katastrophenfällen sind weitere anpassungsrelevante Maßnahmen. Die Bundesregierung will sich darüber hinaus für die Entwicklung eines europaweiten Katastrophenplans für schnelles Eingreifen einsetzen.
Wissenschaft, Forschung und Bildung
Ein Ziel des Regierungsprogramms ist, den aktuellen Herausforderungen wie dem Klimawandel mit der Erarbeitung einer FTI-Strategie 2030 zu begegnen. Im Einklang mit der Standortstrategie und den Klimazielen soll Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik für die nächsten zehn Jahre festgelegt und deren Umsetzung definiert werden. Ein Zentrum für Klimaforschung und Daseinsvorsoge soll aus der Zusammenlegung bestehender Einrichtungen entstehen. Abgeleitet aus den derzeitigen Aktivitäten zur Umwelt- und Klimaforschung sollen Forschungs- und Lehrschwerpunkte, insbesondere zum Wissenstransfer etabliert werden. In Schulen sollen zeitgemäße Lehr-/Lerninhalte besondere Bedeutung erhalten, in diesem Zusammenhang ist ausdrücklich der Klimawandel erwähnt. (IK, April 2020)