Gute Kommunikationsformate zur Stärkung privater Starkregenvorsorge
Vom Infostand über Beratungen bis hin zu Beteiligungsformaten, private Starkregenvorsorge kann auf unterschiedlichen Wegen forciert werden. Welche besonders effektiv sind, wurde in einer Studie des Umweltbundesamts Deutschland zusammengefasst.
2021 veröffentlichte das Umweltbundesamt Deutschland eine Studie zu Kommunikationsformaten zur Forcierung privater Starkregenvorsorge. Es wurden unterschiedliche Aktivierungsformate in Worms, Lübeck, Bad Liebenwerda und Elsterwerda über einen Zeitraum von zwei Jahren erprobt und systematisch auf ihre Wirkung hin evaluiert. Konkret untersucht wurden
- Informationsformate wie Websites, Broschüren, Flyer, Presseartikel, Informationsveranstaltungen, Informationsstände,
- Beratungsformate wie Expert:innen- und Peer-Group-Beratungen und
- Beteiligungsformate, bei denen die Bevölkerung bei politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen in unterschiedlicher Intensität (Konsultation, Mitwirkung, Mitentscheidung) eingebunden wurden.
Aus den Evaluationsergebnissen konnten folgende Empfehlungen für Kommunen zur Aktivierung von Eigenvorsorge beziehungsweise zur Konzeptionierung von Aktivierungsprozessen abgeleitet werden:
- Sind sich die Bürger:innen ihrer eigenen Verantwortung und der Verantwortung der öffentlichen Hand im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung bewusst, steigert dies die Auseinandersetzung mit dem Thema Starkregenvorsorge. Ein proaktiver Umgang der kommunalen Verwaltung mit dem Thema Starkregen wird im Sinne von „Die Kommune tut etwas für uns“ positiv wahrgenommen. Die Bevölkerung erlebt Verwaltung und Politik als handelnden Akteur.
- Bei der Konzeptionierung von Aktivierungsformaten sind gezielt psychologische Einflussfaktoren zu adressieren (siehe Abbildung 1).
- Eine Einbindung potenzieller Stakeholder (Adressaten) bei der Auswahl beziehungsweise Konzeption der Aktivierungsformate führt zu einer Verbesserung der Formatdesigns.
- Es sollten sowohl verhaltenserzeugende („Wecken eines Verhaltens, das bisher nicht gezeigt wurde) als auch verhaltensfördernde (Förderung eines Verhaltens, das bereits gezeigt wurde) Formate eingesetzt werden. Informationsstände beispielsweise sind eher verhaltenserzeugend, Beteiligungs- und Beratungsformate sind eher verhaltensfördernd.
- Die Kombination verschiedener Instrumente ist effektiver als der Einsatz isolierter Instrumente, da verschiedene Einflussfaktoren des Handelns adressiert werden. Je besser die Instrumente zu den Interessen und Vorlieben der Zielgruppe passen, desto wirksamer sind sie.
- Es ist zentral, sowohl Risikowissen als auch Wissen zu möglichen und wirksamen Anpassungs- bzw. Vorsorgemaßnahmen überzeugend zu vermitteln. Diese Kombination führte in den Fallstudien zu einer erhöhten Eigenvorsorgemotivation.
- Eine anschauliche Vermittlung durch Starkregenkarten, Checklisten zur Gefahrenabschätzung oder Erfahrungsberichte Betroffener hat sich bewährt.
- Entscheidungen von Privatpersonen, keine Maßnahmen zur Eigenvorsorge zu ergreifen, sind auch als Erfolg von Beteiligungs- oder Beratungsformaten zu werten. In diesem Fall fand eine Risikoeinschätzung statt, mit dem Ergebnis, dass die Person kein oder nur ein geringes Risiko wahr- und dieses bewusst in Kauf nimmt.
- Aktivierungsformate zur Förderung privater Starkregenvorsorge sollten vor allem an Personen adressiert sein, die betroffen sein können und/oder einen Handlungsspielraum zur Umsetzungvon Vorsorgemaßnahmen haben (z. B. Privatgrundbesitzende, Wohnbaugesellschaften, Unternehmen).
- Die Konzeption eines Gesamtprozesses unter Berücksichtigung unterschiedlicher Ziele, Zielgruppen und psychologischer Einflussfaktoren hat sich bewährt. Er sollte verhaltenserzeugende als auch verhaltensfördernde Aktivierungsformate umfassen.
- Instrumente können ihre größte Wirksamkeit entfalten, wenn sie Zielgruppen in Phasen erreichen, in denen sie offen für Veränderungen sind (z. B. wenn Haussanierung ansteht).
- Eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit erhöht das Risikobewusstsein der Bevölkerung kontinuierlich. Um in Ereignisfällen schnell und direkt reagieren zu können, empfiehlt sich, vorgefertigte Pressemitteilungen vorliegen zu haben.
Hier noch weitere wertvolle Praxiserfahrungen aus der Studie:
- Starkregenkarten sind sehr gut geeignet, einen Aktivierungsprozess zu starten, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu erregen, sie für das Thema zu sensibilisieren und die eigene Gefährdungslage einzuschätzen.
- Bürger:innen können scheinbar gut über nachbarschaftliche Organisationen erreicht werden.
- Ein erfolgversprechender Weg ist auch die Ansiedelung eines Beratungsangebots bei regionalen Abwasserverbänden.
- Generell tragen kontinuierliche Beratungsangebote (und die Bewerbung dieser) dazu bei, die Starkregenvorsorge längerfristig im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.
- Es ist wichtig, Akteur:innen des Katastrophenschutzes als Wissenstragende zu Hot Spots miteinzubinden.
- Klimawandelanpassungsmanager:innen aber auch „Anpassungsagenturen“ (analog zu Klimaschutz- und Energieagenturen auf Landesebene) können das Thema in den Kommunen oder bei Abwasserverbänden verankern. Wertvoll wäre auch die Ausbildung von Starkregenvorsorgeberater:innen.
- Begriffe wie 100-jährige Starkregenereignisse sind in der Riskokommunikation nicht hilfreich. Diese Begriffe legen nahe, dass Ereignisse extrem selten auftreten und erzeugen so ein falsches Gefühl von Sicherheit. Sinnvoller erscheint die Argumentation mit einer Niederschlagsmenge pro Quadratmeter und Zeiteinheit.
Die im Rahmen dieses Projektes erarbeiteten Veranstaltungskonzepte (z. B. Stadtteilworkshop) können zum Teil selbständig durch Akteur:innen der kommunalen Verwaltung durchgeführt werden. Innovative Formate wie das „Mahnmal des nächsten Starkregens“, der „Starkregen.Cocktail in der AnpassBar“, die „blaue Hausnummer“, eine kommunale „Tatenbank Starkregen“, eine Stadtteilwette – Entsiegelungsbarometer, eine Regenwassertour, Generationengespräche oder Entsiegelungsparties sind im Dokument neben herkömmlichen Konzepten gut beschrieben.
Weiters im Studienabschlussbericht zu finden sind unter anderem ein Muster einer Kooperationsvereinbarung für ein Beteiligungsverfahren, eine Infografik „So bleibt das Wasser draußen“, Evaluationsfragebögen, eine Checkliste zur Gefährdungsabschätzung eines Hauses oder ein Leitfaden für ein Beratungsgespräch. (MO, Februar 2022)