PACINAS analysiert Klimawandel-Anpassungskosten für die öffentliche Hand
Das Projekt PACINAS (Public Adaptation – Investigating the Austrian Adaptation Strategy) analysiert Ausgaben, die durch Klimawandelanpassung für den öffentlichen Haushalt entstehen und damit verbundene Effekte für die Volkswirtschaft. Mit Fallstudien auf Stadt-, Länder- und Bundesebene werden sowohl das bereits bestehende Anpassungsdefizit als auch potenzielle zukünftige Anpassungskosten bis 2050 abgeschätzt.
Der Klimawandel bringt viele Herausforderungen für Österreich mit sich. Um den Folgen des Klimawandels vorsorgend zu begegnen, müssen Maßnahmen zur Anpassung weiterentwickelt und umgesetzt werden. Ziel der Anpassung ist es, sich einerseits mit bereits spürbaren Auswirkungen der Klimaveränderungen (z.B. vermehrtes Auftreten von Hitzetagen) zu arrangieren und andererseits zukünftige Schäden (z.B. durch intensive Starkniederschläge) soweit als möglich zu vermeiden. Dabei sind unterschiedliche öffentliche und private Akteurinnen und Akteure in der erfolgreichen Umsetzung und Finanzierung auf unterschiedlichen Ebenen gefragt.
Aufbauend auf dem Projekt COIN, in dem die Kosten des Nichthandelns für Österreich ermittelt wurden, beschäftigt sich das Projekt PACINAS mit der Frage, welche Kosten und welcher Nutzen mit öffentlicher Klimawandelanpassung verbunden sind.
Exkurs COIN - Kosten des Klimawandels bzw. des Nichthandelns
Es kann bereits heute davon ausgegangen werden, dass die Kosten des Handelns um einiges niedriger sein werden als die mittel- bis langfristigen Kosten des Nichthandelns. Die Ergebnisse der COIN-Studie zeigen, dass sich die wetter- und klimabedingten Schäden in Österreich bereits heute auf jährlich durchschnittlich rund 1 Mrd. Euro belaufen. Diese Zahl berücksichtigt nur bedeutende Naturkatastrophen sowie hitzebedingte frühzeitige Todesfälle. Die bereits jetzt quantifizierbaren Gesamtschäden liegen bis zur Mitte des Jahrhunderts innerhalb einer Bandbreite von durchschnittlich 3,8–8,8 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Angaben betreffen lediglich bereits abgesicherte Folgen des Klimawandels und monetär bewertbare Auswirkungen. An extremen Wetterereignissen wurden ausschließlich Hochwasserschäden an Gebäuden herangezogen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf globaler Ebene und daraus abgeleitete Rückwirkungen auf Österreich sind nicht berücksichtigt.
Fokus auf öffentlicher Anpassung an den Klimawandel
Unter öffentlicher Anpassung sind sämtliche Anpassungsmaßnahmen zu verstehen, die durch das Handeln aller staatlichen Ebenen durchgeführt oder induziert werden. Bundesministerien, Landesregierungen und Gemeinden sind gefordert, etwa nach Hochwasserereignissen Unterstützung zu gewähren oder vorausschauende Rahmenbedingungen zu setzen, um künftige Auswirkungen des Klimawandels möglichst gering zu halten.
Im Mittelpunkt von PACINAS stehen die Anpassungskosten durch Extremereignisse wie Hochwasser, Massenbewegungen und Hitze sowie weitere Aktivitätsfelder der österreichischen Anpassungsstrategie (BMLFUW 2012) mit hoher Bedeutung für den Öffentlichen Haushalt (Land- und Forstwirtschaft, Wasser, Schutz vor Naturgefahren, Katastrophenmanagement, Verkehrsinfrastruktur, Stadt- und Grünräume). Abgeschätzt wurden sowohl das derzeitige Anpassungsdefizit als auch zukünftige klimabedingte Risiken und deren ökonomische Folgen für den öffentlichen Haushalt.
Bestehendes Anpassungsdefizit
Das derzeitige Anpassungsdefizit bezieht sich auf die Auswirkungen der derzeitigen Klimavariabilität (periodische Schwankungen um den langjährigen Durchschnitt, inklusive Extremwetterereignisse) und die bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. In PACINAS wird unter Anpassungsdefizit der aktuelle und zukünftige Handlungsbedarf verstanden, der sich aus den derzeitigen Klimarisiken, aufgrund der Variabilität des Klimas und von extremen Wetterereignissen, ableitet.
Mangels geeigneter Methoden der Zurechnung wird nicht explizit identifiziert, zu welchem Anteil der Klimawandel für Naturkatastrophen und damit einhergehenden Schäden verantwortlich ist. Dies ist ein pragmatischer Zugang, um erste Aussagen zu „früher Anpassung“ in Österreich darzustellen.
Anpassungsrelevante Kosten
Anpassungsrelevante Kosten sind jene Ausgaben, die darauf abzielen, die Folgen der aktuellen Klimavariabilität (Anpassungsdefizit) als auch der zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels auf ökologische, soziale und ökonomische Systeme zu vermeiden, zu verringern oder sich daraus ergebende Chancen zu nutzen. Somit sind als „anpassungsrelevant“ all jene Aktivitäten zu verstehen, die dieses Ziel unterstützen und damit verbundene finanzielle Aufwendungen sind als „anpassungsrelevante Kosten“ zu sehen.
Öffentliche Ausgaben und Programme, die Klimawandelanpassung als Hauptziel haben, werden zu 100% als Anpassungskosten gewertet. Die meisten Ausgaben für die Klimawandelanpassung sind jedoch „Nebenprodukt“ aus bestehenden Programmen und Aktivitäten, die primär andere Ziele wie die Förderung der Gesundheit oder der Energieversorgung verfolgen. Sie sind daher nur zu einem bestimmten Prozentsatz als Anpassungskosten gewertet.
Methodisch umfasst das Projekt sowohl einen Bottom-up-Ansatz, mit Fallstudien auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, als auch einen Top-down-Ansatz mit der Ableitung von Anpassungskosten und anpassungsrelevanten Kosten aus den Bundesbudgets.
- Top-Down Ansatz auf Basis der Bundesvoranschläge 2016 (erfolgte Auszahlungen 2014): Dieser Ansatz untersucht, welche Ausgaben des Bundes anpassungsrelevant sind und welcher Anteil davon in weiterer Folge zu den Anpassungskosten im engeren Sinn gezählt werden kann.
- Bottom-Up Ansatz auf Basis der österreichischen Anpassungsstrategie: Unter Einbeziehung der Einschätzung von Expertinnen und Experten untersucht dieser Ansatz die Kosten je Handlungsempfehlung für den Bund, die durch die Umsetzung verursacht wurden und zeigt, welche Anpassungskosten sich im engeren Sinn dadurch ergeben.
Ausgaben für öffentliche Anpassung im Bundesbudget (Top-Down Ansatz)
Anpassungsrelevante Ausgaben des Bundes wurden für die Untergliederungen UG 42 (Land, Forst- und Wasserwirtschaft), UG 43 (Umwelt) und für UG 41 (Verkehr, Innovation und Technologie) des Bundesbudgets abgeschätzt. Diese Untergliederungen decken folgende sieben Aktivitätsfelder ab: Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft, Schutz vor Naturgefahren, Katastrophenmanagement, Ökosysteme und Biodiversität und Verkehrsinfrastruktur. Für die Untergliederungen UG 11 (Inneres) und UG 24 (Gesundheit und Frauen) werden vor allem organisatorische und koordinative Aufgaben wahrgenommen und somit spielen eher personelle als finanzielle Ressourcen eine Rolle, daher konnten keine Kosten abgeschätzt werden.
Die Untersuchungen zeigten, dass im Jahr 2014 die anpassungsrelevanten Ausgaben in UG (Untergliederung) 41, UG 42 und UG 43, die Klimawandelanpassung sowohl als Haupt- als auch als Nebenziel umfassen, € 2,1 Mrd. betrugen. Berücksichtigt man nur jenen Teil dieser Ausgaben, der explizit der Anpassung zugerechnet werden kann, ergibt sich ein Betrag von € 488 Mio. als Anpassungskosten im engeren Sinn. Abbildung 1 zeigt die Aufteilung dieser Anpassungskosten auf die Aktivitätsfelder sowie auf „sonstige Maßnahmen“. Darunter sind Ausgaben für Maßnahmen erfasst, die Anpassung unterstützen, jedoch nicht in der österreichischen Anpassungsstrategie genannt sind.
Kostenabschätzung unter Einbindung von Expertinnen und Experten (Bottom-Up-Ansatz)
Das Ziel des Bottom-up-Ansatzes war eine Abschätzung und Aggregation der heutigen Kosten jener Handlungsempfehlungen der Anpassungsstrategie, die aktuell aus dem Bundesbudget finanziert werden. Die Abschätzung der Kosten und Umlegung auf öffentliche Budgetpositionen erfolgte unter Einbindung von Expertinnen und Experten aus den Ministerien.
In Summe ergeben sich nach dieser Methode durchschnittliche derzeitige jährliche Anpassungskosten im engeren Sinn in Höhe von € 385 Mio. (mit einer Schwankungsbreite von € 286 Mio. bis € 485 Mio.). Es muss jedoch angemerkt werden, dass viele der Handlungsempfehlungen, die aus zahlreichen Einzelschritten bestehen, noch nicht vollständig umgesetzt wurden und somit eine Intensivierung der Maßnahmen mit höheren Kosten verbunden sein kann.
Die Differenz zwischen Top-down und Bottom-up-Ansatz ergibt sich vor allem daraus, dass der Top-down-Ansatz alle Anpassungsaktivitäten erfasst, die heute mit Bundesmitteln umgesetzt werden. Der Bottom-up-Ansatz berücksichtigt nur jene Aktivitäten, die in der Anpassungsstrategie beschrieben werden.
Diese ersten Ergebnisse aus PACINAS zeigen, dass die Anpassungskosten in den nächsten drei Jahrzehnten durch den Klimawandel wahrscheinlich steigen werden. Dies wird wichtige Implikationen auf den Bundeshaushalt und die öffentlichen Finanzen bewirken. Es wäre daher sinnvoll, genauere Projektionen der zeitlichen Entwicklung der Anpassungskosten unter zunehmendem Klimawandel zu entwickeln, um Rückschlüsse auf Budgetimplikationen zu ziehen.
Volkswirtschaftliche Effekte von Anpassung
Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist mit Kosten verbunden. Gleichzeitig werden dadurch aber auch negative Klimawandelfolgen reduziert und somit auch Nutzen geschaffen. Diese Kosten und Nutzen werden oft in betriebswirtschaftlichen oder sektoralen „Kosten-Nutzen Analysen“ gegenübergestellt. In solch engen Betrachtungen wird jedoch übersehen, dass aus volkswirtschaftlicher Sicht weitere indirekte Effekte durch Anpassung entstehen; z.B. auf die Beschäftigung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und auch auf die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt.
Im Rahmen von PACINAS wurden die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von öffentlicher Anpassung für die drei Aktivitätsfelder Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Katastrophenmanagement bis 2050 modelliert. Es zeigt sich, dass negative Effekte durch Anpassung reduziert werden können. Da nur diese drei Aktivitätsfelder beleuchtet wurden, können die vorliegenden Ergebnisse als untere Grenze für die positive Wirkung von Klimawandelanpassung angenommen werden.
Erste Schlussfolgerungen der volkswirtschaftlichen Modellierung
Die volkswirtschaftlichen Effekte von Klimawandelanpassung in den Aktivitätsfeldern Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Katastrophenmanagement sind im Vergleich zum Klimawandelszenario ohne Anpassung durchwegs positiv.
- Die klimawandelinduzierten negativen BIP-Effekte werden durch die Anpassung positiv und Wohlfahrtsverluste können in den Aktivitätsfeldern Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasser und Katastrophenmanagement durch Anpassung auf ein Fünftel reduziert werden.
- Klimawandelanpassung kann langfristig zu positiven Beschäftigungseffekten führen, falls vermehrt auf softe und grüne Maßnahmen gesetzt wird. (Juni 2017)
Die Projektergebnisse wurden in sechs Factsheets in Deutsch und Englisch zusammengefasst und sind online verfügbar:
- Factsheet 1 gibt einen Projektüberblick und beschreibt die angewandte Methode
- Factsheet 2 umfasst die Fallstudie Hochwasser: Iteratives Klimarisikomanagement
- Factsheet 3 beschreibt die Ergebnisse aus der Fallstudie Städte: Kostenrelevanz von Anpassung in Städten
- Factsheet 4 stellt die Ausgaben des Bundes für Klimawandelanpassung dar
- Factsheet 5 beschäftigt sich mit den volkswirtschaftlichen Effekten von öffentlicher Klimawandelanpassung
- Factsheet 6 erläutert Anpassungspfade und beschreibt Anwendungsbeispiele
Projektleitung: Uni Graz /Wegener Center für Klima und Globalen Wandel
Projektpartner:
Umweltbundesamt GmbH
IIASA – International Institute for Applied System Analysis
AIT – Austrian Institute of Technology GmbH
Projektlaufzeit: September 2014 – August 2016