Wie beeinflusst der Klimawandel Hochwasser?

Bisher haben Forschungsarbeiten zu Auswirkungen des Klimawandels auf Hochwasser meist untersucht, wie sich der Klimawandel auf den Wasserabfluss und auf das Ausmaß von Hochwassern auswirkt. Eine neue Studie thematisiert die zeitliche Komponente erstmals in einer europaweiten Untersuchung.

Weltweit betrachtet sind mehr Menschen von Hochwassern bedroht als von allen anderen Naturgefahren. Auch in Österreich kennen wir die verheerenden Schäden, die eine Hochwasserkatastrophe verursachen kann. Jedoch machen Flüsse an den Landesgrenzen nicht Halt und können über die Grenzen hinweg mitunter große Einzugsgebiete überschwemmen. Da Hochwasser viele Menschen gefährden können, gibt es national und auf EU-Ebene viele Bestrebungen, die Bevölkerung vor Hochwasser zu schützen. Dies ist das oberste Ziel der EU-Hochwasserrichtlinie 2007/60/EG. Sie legt fest, dass jeder EU-Mitgliedsstaat Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten sowie Hochwasser-Managementpläne mit Schutz- und Vorsorgemaßnahmen erstellen und regelmäßig aktualisieren muss. Dadurch wird sichergestellt, dass negative Auswirkungen von Hochwassern auf Menschen, die Umwelt und die Wirtschaft minimiert werden.

Überflutete Siedlung an einem hochwasserführenden Fluss

Viele Studien untersuchen Zunahme von Hochwassern durch den Klimawandel

Da in den letzten Jahren und Jahrzehnten viele große Hochwasserkatastrophen auftraten, wird häufig nach der Ursache dafür gesucht. Häufig fällt in diesem Zusammenhang das Stichwort Klimawandel. Viele fragen sich: Steigt die Wahrscheinlichkeit für Hochwasserkatastrophen durch den Klimawandel?  

Stichhaltige Aussagen dazu fehlen, da es kaum langfristige Aufzeichnungen zu Hochwassern gibt. Zudem beeinflussen viele Aspekte, ob und wann Hochwasser auftreten: Niederschlagsmenge, Schnee und die Bodenfeuchte sind ausschlaggebende Faktoren. Diese Einflussgrößen überlagern sich mit menschlichen Aktivitäten in Wassereinzugsgebieten, wie der Landnutzung oder Flussregulierungen. Diese beeinflussen das Auftreten von Hochwassern zusätzlich. Rückschlüsse auf häufigere oder stärkere Hochwasserereignisse aufgrund des Klimawandels kann man aufgrund der komplexen Zusammenhänge schwer ableiten und daher nicht mit Sicherheit beweisen oder widerlegen.

Neuer Ansatz: Berücksichtigung des Zeitpunkts der Hochwasser

Einen anderen Ansatz verfolgte ein internationales Forschungsteam rund um Günter Blöschl, Professor für Ingenieurhydrologie, und Julia Hall von der Technischen Universität Wien. Sie untersuchten nicht, ob der Klimawandel die Häufigkeit und das Ausmaß der Hochwasser beeinflusst, sondern wie sehr Hochwasser an wetterbedingte Prozesse gekoppelt sind. „Den Zeitpunkt der Hochwasser zu analysieren gibt Auskunft über den direkten Einfluss des Klimas“, so die Studienautorin Hall.

Internationales Großprojekt

Vorhergehende Studien untersuchten die zeitliche Verschiebung von Hochwassern auf regionaler Ebene. Blöschl und sein Team werteten erstmals den Zeitpunkt der Hochwasserereignisse für ganz Europa aus. Das Forschungsteam sammelte und analysierte über 4.000 Datensätze von Messstationen an Flüssen zur Bodenfeuchte und zur Schneemenge. Aus 38 europäischen Ländern flossen Daten zwischen 1960 und 2010 in die Studie ein.

Ergebnis: Überraschend klares Klimasignal

Die bisherigen Untersuchungen stellten eine zeitliche Verschiebung auf regionaler Ebene durch eine frühere Schneeschmelze fest. Das Ergebnis der neuen Studie zeigt ein klares Muster einer zeitlichen Verschiebung von Hochwassern für ganz Europa. Zwar erwarteten die Autorinnen und Autoren, dass es ähnlich der kleinräumigen Studien zeitliche Verschiebungen durch die globale Erwärmung in Europa gibt. „Überraschend ist, dass die großräumigen Zusammenhänge auf europäischer Ebene sichtbar sind“, meint Hall.

Wo treten welche Veränderungen auf?

Die beobachteten zeitlichen Verschiebungen hängen eindeutig mit Veränderungen im Klimasystem zusammen: So führt eine früher eintretende Schneeschmelze aufgrund höherer Temperaturen in Skandinavien und den baltischen Staaten in Nordosteuropa zu früheren Hochwassern im Frühjahr.

In den Ländern an der Nordsee wiederum treten die Hochwasser aufgrund später einsetzender Winterstürme mit starken Niederschlägen später im Winter auf, was vermutlich von Veränderungen der Luftdruckverhältnisse über dem Atlantik und der Erwärmung der Polregion beeinflusst ist.

In den westlichen, vom Atlantik beeinflussten Regionen von England bis Portugal ist die sogenannte maximale Bodenfeuchte von größerer Relevanz für Überschwemmungen als extreme Niederschläge. In diesen Regionen treten Hochwasser vor allem im Winter auf, wenn der Boden gesättigt ist und nach langen Niederschlägen kein Wasser mehr aufnehmen kann. Die untersuchte Zeitreihe zeigte eine Verschiebung der Winterhochwasser um etwa vier bis acht Tage nach vor. 

An der nordadriatischen Küste treten die Hochwasser durch den Klimawandel später auf. Ursache dafür ist der großräumige Einfluss des Atlantiks auf die Wirbelstürme im Mittelmeer, die starke Regenfälle mit sich bringen. Veränderungen im Atlantik verursachen geänderte Zugbahnen der Stürme. Das führt dazu, dass die Stürme und somit auch die Hochwasser am Mittelmeer später im Winter auftreten.

Fluss

Auswirkungen der zeitlichen Verschiebung

Regionen haben sich über Jahrhunderte an das regelmäßige Auftreten der Hochwasser angepasst. Eine weitere zeitliche Verschiebung auf die Umwelt und die Wirtschaft wird bestimmte Auswirkungen nach sich ziehen. Wenn beispielsweise Winterhochwasser später auftreten, verzögert sich die Trockenlegung der Böden und erschwert dadurch die landwirtschaftliche Bearbeitung durch erhöhte Erosion und stärkere Bodenverdichtung. Weiters werden die Wasserversorgung und die Möglichkeit der Bewässerung beeinträchtigt, wenn das Frühjahrshochwasser früher als gewohnt auftritt und Wasserreservoire später nicht mehr ausreichend aufgefüllt werden können. 

Detailanalyse für Österreich notwendig

Die vom Forschungsteam ausgewerteten Daten ermöglichen keine regionalen Aussagen für Österreich, wie die Autorin Hall erläutert: „Der Fokus der Studie war die Ermittlung von großräumigen Mustern. Daher sind auf Basis dieser Studie keine genauen Aussagen über Österreich möglich.“ Durch den Einfluss der Alpen sind es in Österreich vor allem kleinräumige Faktoren, die das Auftreten von Hochwasser beeinflussen. Somit ist eine detaillierte Analyse für Österreich nötig. Neben dem Hochwasserschutz hat das Wissen über mögliche längerfristige Entwicklungen vor allem für die Landwirtschaft, die infrastrukturelle Planung oder die Energiegewinnung aus Wasserkraftwerken große Bedeutung.

Link zur Studie

 Quellen:

G. Blöschl, J. Hall, J. Parajka, R.A.P. Perdigão, B. Merz, B. Arheimer, G.T. Aronica, A. Bilibashi, O. Bonacci, M. Borga, I. Čanjevac, A. Castellarin, G. Chirico, P. Claps, K. Fiala, N. Frovola, L. Gorbachova, A. Gül, J. Hannaford, S Harrigan, A. Kiss, T.R. Kjeldsen, S. Kohnová, J.J. Koskela, O. Ledvinka, N. Macdonald, M. Mavrova-Guirguinova, L. Mediero, R. Merz, P. Molnar, A. Montanari, C. Murphy, M. Osuch, V. Ovcharuk, I. Radevski, M Rogger, J. Salinas, E. Sauquet, M. Šraj, J. Szolgay, A. Viglione, E. Volpi, D. Wilson, K. Zaimi, N. Zivković (2017): Changing climate shifts timing of European floods. Science, 357 (2017), 6351; 588 - 590.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW; 2014): Hochwasserrichtlinie (2007/60/EG)

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Mudelsee, M.; Börngen, M.; Tetzlaff, G.; Grünewald, U. (2003): No upward trends in the occurrence of extreme floods in central Europe. In: Nature, 2003 Sep 11; 425(6954):166-9.