Wasserstress – ein großes und zunehmendes Problem in Europa

Bereits 30 Prozent der europäischen Bevölkerung ist in einem „klimatischen Durchschnittsjahr“, also ohne Extremwetterperioden, von Wasserstress betroffen. Diese Situation wird sich voraussichtlich noch weiter verschärften, da der Klimawandel die Häufigkeiten, das Ausmaß und die Auswirkungen von Dürren erhöhen wird. Der neue Report der Europäischen Umweltagentur (EEA) fasst den aktuellen Stand zu Wasserstress in Europa zusammen und plädiert für einen Wechsel vom Krisenmanagement zum Risikomanagement.

Foto ausgetrockneter See

Aktuell sind jährlich durchschnittlich 20 Prozent der europäischen Landfläche und 30 Prozent der europäischen Bevölkerung von Wasserstress betroffen. Dürren verursachen wirtschaftliche Schäden in der Höhe von bis zu neun Milliarden Euro pro Jahr sowie weitere nicht bezifferte Schäden an Ökosystemen und ihren Leistungen. Besonders Südeuropa ist mit schwerwiegenden Wasserstressproblemen konfrontiert. Das ganze Jahr über treten sie in vielen Flusseinzugsgebieten auf, mit deutlich saisonalen Höhepunkten im Sommer. Hauptverursacher sind die Landwirtschaft, die öffentliche Wasserversorgung sowie der Tourismus.

In anderen Teilen Europas ist Wasserstress grundsätzlich kein kontinuierliches Problem. Aber es gibt immer wieder Engpässe, vor allem wenn es durch Kühlprozesse in der Industrie und der Elektrizitätswirtschaft, der öffentlichen Wasserversorgung oder beim Bergbau zu hohen Verbräuchen kommt. Die Effizienz der Wassernutzung in der Landwirtschaft, der Stromerzeugung, der Industrie, im Bergbau sowie bei der öffentlichen Wasserversorgung hat sich jedoch maßgeblich verbessert. Im Jahr 2017 lag der Wasserverbrauch in diesen Sektoren 16 Prozent unter jenem im Vergleichsjahr 1995. Und das, obwohl die Produktion in diesen Sektoren um 20 Prozent, gemessen an der Nettowertschöpfung, gestiegen ist.

Für die Zukunft wird erwartet, dass sich Wasserstresssituationen in Europa verschärfen werden. Dürren werden öfter und intensiver auftreten als bisher und größere Auswirkungen zeigen. In den meisten Teilen Europas, mit Ausnahme von Regionen im Nordosten, führt der Klimawandel voraussichtlich zu saisonalen Verringerungen der Wasserverfügbarkeit. Die stärksten Auswirkungen werden für Süd- und Südwesteuropa erwartet. Expert:innen gehen – bei Betrachtung eines 3-Grad-Szenarios – von einer 40-prozentigen Reduzierung der sommerlichen Abflussmengen in Flüssen einiger Einzugsgebiete aus. Auch große Teile West- und Mitteleuropas werden betroffen sein, wenn auch in geringerem Maße. In etwa dem gleichen Muster sind Veränderungen in der Grundwasserneubildung zu erwarten.

Gelingt es, die Wassernutzungseffizienz in den kommenden Jahren weiter zu verbessern, könnte die Wasserentnahme in der Landwirtschaft, der Industrie, dem Bergbau und der Stromerzeugung um weitere 0,7 Prozent verringert werden. Das ist zwar erstrebenswert, kann aber weder die Auswirkungen auf Natur und Landwirtschaft, noch einen starken lokalen Wasserbedarfsanstieg kompensieren. Letzterer ist besonders durch anhaltende Urbanisierung und wachsende touristische Nachfrage in Küstengebieten bedingt. Der landwirtschaftliche Bewässerungsbedarf könnte durch ein wärmeres und trockeneres Klima um weitere 20 Prozent steigen und zu einer noch stärkeren Wassernachfrage in bereits dürreanfälligen Regionen Europas führen.

Welche Lösungsansätze stehen uns nun aus europäischer Sicht zur Verfügung? Gemäß EEA-Report sollten die Optionen laut EU-Wasserrahmenrichtlinie zur Bewältigung von Wasserstress dringend umgesetzt werden. Unter anderem braucht es Dürremanagementpläne sowie Bewirtschaftungspläne für Einzugsgebiete in den EU-Mitgliedstaaten, die mit der Wasserrahmenrichtlinie konformgehen. Dürremanagement sollte auf langfristigen Strategien basieren und proaktive Maßnahmen beinhalten. Auch braucht es einen Übergang vom Krisenmanagement zum Risikomanagement, beispielsweise indem mehr Gewicht auf die Nachfrage- als auf die Angebotsseite gelegt wird.

Zur Unterstützung des Wasserstressmanagements sollen auch die Initiativen und Maßnahmen des europäischen Green Deals beitragen. Dazu zählt beispielsweise die EU-Biodiversitätsstrategie 2030, welche unter anderem auf die Wiederherstellung von Süßwasserökosystemen und der Durchgängigkeit von Flüssen abzielt, oder die Umsetzung ökologischer Wasserströme und die Überprüfung von Wasserentnahmegenehmigungen fordert. Unterstützend wirken weiters der neue EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und die EU-Verordnung zur Wasserwiederverwendung aus dem Jahr 2020. Letztere schafft Anreize für eine effiziente Wassernutzung durch eine durchdachte Wasserpreisgestaltung und Wasserwiederverwendung. Die EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel 2021 fordert die Beachtung von Klimarisiko bei Investitionsentscheidungen und politischen Beschlüssen. Weiters braucht es eine strategische und rechtliche Koordinierung sektoraler politischer Maßnahmen mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie.

Wasserstress ist vor allem lokal und regional spürbar und verursacht regionale und globale Probleme. Es braucht die Verknüpfung aller Ebenen in systemischer Denkweise sowie in detaillierten räumlichen und zeitlichen Maßstäben, in denen Wasserstress auch tatsächlich sichtbar wird. (MO, 12/2021)