VitisCLIM - Einfluss des Klimawandels auf den Weinbau
Höhere Temperaturen begünstigen die Ansiedelung und Ausbreitung nicht heimischer Schädlinge und Krankheiten. Ein Beispiel dafür ist die eingeschleppte Amerikanische Rebzikade, die die Goldgelbe Vergilbungskrankheit der Weinrebe überträgt. Im Projekt VitisCLIM wurden Modelle zur Abschätzung der Ausbreitung entwickelt, die ökonomischen Auswirkungen der Krankheit beleuchtet und Eindämmungsmaßnahmen erarbeitet.
Im Zuge des Klimawandels dringen vermehrt invasive Pflanzenschädlinge in Regionen vor, in denen sie bislang nicht verbreitet waren. Die sogenannte Goldgelbe Vergilbung – GFD (französisch: flavescence dorée) ist eine Rebkrankheit, die durch ein Phytoplasma verursacht wird. Die Übertragung der Krankheit erfolgt durch ihren wichtigsten Vektor, die Amerikanische Rebzikade Scaphoideus titanus, die im 20. Jahrhundert aus den USA nach Europa eingeschleppt wurde. Lange Zeit war die Verbreitung der Krankheit auf den Süden Frankreichs beschränkt. Erst seit den späten 1990er Jahren sind eine Ausbreitung nach Norden und eine Ansiedlung in Weinbaugebieten Mitteleuropas zu beobachten. Im Jahr 2004 wurde die Rebzikade auch erstmals in Österreich – in der Südoststeiermark – gefunden und hat sich dort seitdem etabliert. Im Herbst 2009 wurde die Vergilbungskrankheit GFD von der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) erstmals in Österreich nachgewiesen. GFD wirkt sich auf die Vitalität und den Ertrag der Rebe sowie auf die Qualität des Weins aus und kann ohne entsprechende Maßnahmen hohe wirtschaftliche Auswirkungen haben. Aufgrund des komplexen einjährigen Entwicklungszyklus sind häufiger auftretende, lange, warme Sommer günstig für die Verbreitung der Amerikanischen Rebzikade. Somit ist durch die Klimaerwärmung mit einer zunehmenden Ausbreitung zu rechnen. Die Goldgelbe Vergilbung führt zum Absterben der Rebstöcke und ist eine Quarantänekrankheit im Sinne der EU-RL 2000/29. Das bedeutet, dass EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Eindämmungsmaßnahmen zu treffen.
Modellierung der zukünftigen Ausbreitung und wirtschaftliche Auswirkungen
Der Problematik Vergilbungskrankheit der Weinrebe im Zusammenhang mit dem Klimawandel widmet sich das vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekt VitisCLIM, welches die AGES federführend gemeinsam mit dem Land Steiermark, der Landwirtschaftskammer Steiermark sowie Economica (Institut für Wirtschaftsforschung) durchführt. Ziel des Projekts ist es, die Ausbreitung und ökonomischen Auswirkungen dieser für den österreichischen Weinbau neuen Krankheit in Abhängigkeit verschiedener Eindämmungsmaßnahmen zu modellieren und darauf basierend Handlungsempfehlungen auszuarbeiten.
Ein wichtiger Schwerpunkt in VitisCLIM lag zunächst auf der Modellierung der potenziellen Ausbreitung der Krankheit sowie ihres Vektors in Europa. Hierfür wurde das Modell CLIMEX® angewandt, eine in Risikobewertungen weltweit benutze Software zur Bestimmung des potenziellen Verbreitungsgebiets einer eingeschleppten invasiven Art. Die Ergebnisse zeigen, dass – insbesondere bei einer simulierten Erwärmung neben den Optimalgebieten in Süd- und Westfrankreich, Italien und dem nördlichen Balkan, auch Weinbaugebiete Mitteleuropas (z.B. Nordosten Österreichs, Tschechien/Mähren, Deutschland/Rheingebiet) ausreichend gute klimatisch Bedingungen für die Etablierung der Krankheit und ihres Vektors aufweisen. Das Risiko einer weiteren Verbreitung in Süd-Europa (Griechenland, Spanien) ist jedoch aufgrund der dort herrschenden Bedingungen von Trockenstress als gering einzustufen.
Zur Simulation der Dynamik der natürlichen Ausbreitung der GFD wurde in einer weiteren Projektphase ein stochastisches Ausbreitungsmodell für zwei Modellgemeinden in der Süd- und Südoststeiermark entwickelt und getestet. Das Modell stützt sich auf geographische Informationen hinsichtlich der Lage und Größe von Weingärten und Hecken in den beiden Gemeinden Tieschen und Glanz an der Weinstraße. Für die Bestimmung der Modellparameter (Flugverhalten, Dichte der Zikadenpopulation in Hecken, Sortenanfälligkeit, Übertragungswahrscheinlichkeiten etc.) wurden Feldstudien in der Steiermark durchgeführt sowie Fachliteratur zu Rate gezogen. Das Modell wurde mithilfe realer Ausbruchsdaten kalibriert und zur Abschätzung der Wirksamkeit verschiedener, praxisrelevanter Interventionsszenarien herangezogen.
Die Bekämpfungsmaßnahmen sind mit erheblichen Kosten verbunden und haben daher eine hohe ökonomische Relevanz für den Weinbau. Die Ergebnisse des Ausbreitungsmodells flossen in ein ökonomisches Modell ein, um die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krankheit mittels einer Input-Output-Analyse zu bestimmen. Dabei wurden basierend auf den vorhandenen Daten und den Ergebnissen des Ausbreitungsmodells acht Szenarien untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass für einen Zeitraum von 10 Jahren die wirtschaftlichen Auswirkungen ausgewählter Maßnahmenszenarien von null bis über 5 Mio. Euro variieren.
Empfehlungen und Schlussfolgerungen
Die wesentlichen Schlussfolgerungen aus dem Projekt lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Ein intensives Überwachungsprogramm gekoppelt mit einem zunehmenden öffentlichen Bewusstsein erhöhen die Chance auf Früherkennung von GFD Ausbrüchen und von Vektorpopulationen in Weingärten und/oder -lauben.
- Regelmäßige Kontrolle von latenten Infektionen in Lauben und Hecken mittels Labortests verringern das Risiko eines schnellen Anstiegs der infizierten Vektor-Population.
- Vektorkontrollstrategien sollen auf der Überwachung und Kontrolle der Larvenpopulation im Gebiet beruhen. In Gemeinden mit hoher Lauben- und Heckendichte sollten diese in die Kontrollen mit einbezogen werden.
- Empfehlungen für angepasste Pflanzenschutzmaßnahmen sollten die örtlichen Gegebenheiten miteinbeziehen, um den bestmöglichen Effekt hinsichtlich Eindämmung und Kosteneffizienz zu erzielen.
Die Erfahrungen sowie die Methodik aus dem Projekt bieten eine wichtige wissenschaftliche Grundlage für die optimale kosteneffiziente Nutzung beschränkter Ressourcen und können auch für andere österreichische und europäische Weinbauregionen adaptiert werden. (Dezember, 2013)
Weitere Information:
Projektleitung:
Robert Steffek, AGES
Email: robert.steffek@ages.at
Projektlaufzeit: April 2011 – März 2013