Dasgupta-Bericht: Die Ökonomie der Biodiversität

Eine neue Studie zur Ökonomie der Biodiversität im Auftrag des britischen Finanzministeriums fordert die Regierungen weltweit auf, die massive Zerstörung der Ökosysteme der letzten 70 Jahre zu stoppen. Der Bericht (der sog. Dasgupta Review) zeichnet ein düsteres Bild des Biodiversitätsverlustes und warnt davor, dass die Naturzerstörung Gesellschaft und Wirtschaft bedroht, indem sie Ökosystem-Dienstleistungen und unsere Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser und Nahrung massiv gefährdet. Es zeigen sich Parallelen zum Kampf gegen den Klimawandel.

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Der Klimawandel und der Biodiversitätsverlust sind die größten ökologischen Krisen unserer Zeit. Beide sind vom Menschen verursacht und sie gehen Hand in Hand: Einerseits verstärkt der Klimawandel den Artenverlust. Prognosen zufolge könnte der Klimawandel bis 2070 der Hauptgrund für den Biodiversitätsverlust sein (derzeit sind Landnutzungsänderungen der Haupttreiber). Andererseits verstärkt der Biodiversitätsverlust den Klimawandel, beispielsweise durch den Verlust von CO2-Senken. Diese Zusammenhänge könnten jedoch auch auf positive Art genutzt werden: Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung können dem Biodiversitätsverlust effektiv entgegenwirken und vice versa. 

Bemerkenswert am Dasgupta-Bericht ist, dass erstmals ein nationales Finanzministerium eine vollständige Bewertung der ökonomischen Bedeutung der Ökosysteme beauftragt hat. Der Bericht wird mit dem einflussreichen Stern-Report verglichen, der im Jahr 2006 die ökonomischen Kosten des Klimawandels untersuchte. Er ist der erste umfassende ökonomische Rahmen für Biodiversität und ruft dazu auf, unser Verständnis von ökonomischem Erfolg grundlegend zu verändern – wie wir denken, handeln und Erfolg messen. Der Dasgupta-Bericht fokussiert auf die Biodiversität. Die Forderungen der Autorinnen und Autoren unterstützen aber auch den Kampf gegen den Klimawandel. Wir fassen hier einige wesentliche Erkenntnisse und Forderungen zusammen.

  • Vielfalt bedeutet, breiter gegenüber Veränderungen und Risiken aufgestellt zu sein – in der Natur genauso wie am Finanzmarkt. Derzeit ist der Verlust an Biodiversität so hoch wie nie zuvor, die Aussterberate ist 100 bis 1.000 Mal höher als in den letzten zehn Millionen Jahren. Schon jetzt sind viele Ökosysteme wie Korallenriffe oder Tropenwälder unwiederbringlich zerstört. Ein weiterer Verlust der Biodiversität würde zu Kipppunkten führen, die katastrophale Folgen für unseren Wohlstand nach sich ziehen könnten.
  • Die Studie zeigt auf, dass neue finanzielle Messgrößen - über das BIP hinaus - notwendig sind, um katastrophale Folgen für unsere Wirtschaft und unser Wohlergehen zu vermeiden. Die Verwendung des BIP basiert auf einer fehlerhaften Anwendung der Ökonomie, da es den Geldfluss misst, nicht den Bestand des nationalen Vermögens. Ein notwendiger Schritt ist daher, das Naturkapital in die nationalen Bilanzierungs-Systeme einzuführen.
  • Die Biodiversitätskrise ist nicht nur ein Marktversagen, sondern auch ein umfassenderes institutionelles Versagen. Fast alle Regierungen verschärfen die Biodiversitätskrise, indem sie den Menschen mehr dafür bezahlen, die Natur auszubeuten, als sie zu schützen, und indem sie nicht nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten Vorrang geben.
  • Weltweit zahlen die Staaten und Regierungen rund USD 500 Milliarden jährlich, um die Natur auszubeuten und zu zerstören, zum Beispiel in Form von Subventionen für Landwirtschaft, Fischerei, fossile Energien und Kraftstoffe und so weiter. Durch diese fehlgeleiteten, naturschädigenden öffentlichen Gelder entstehen – vorsichtig geschätzt – Schäden vonUSD 4-6 Billionen pro Jahr.
  • Für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen hingegen wird nur ein Bruchteil davon ausgegeben: USD78-143 Milliarden pro Jahr, das entspricht nur 0,1 % der globalen Wirtschaftsleistung.
  • Wirkungsvolle institutionelle Regelungen, um globale öffentliche Güter wie die Ozeane oder die Regenwälder der Welt zu schützen, fehlen weitgehend.
  • Während sich im Zeitraum 1992-2014 das produzierte Kapital pro Person verdoppelte (+100%), fiel im selben Zeitraum das Naturkapital signifikant um fast - 40% pro Person.

(NG, AS, April 2021)