AdaptTree - Wie anpassungsfähig sind Waldbäume?

Forschungsergebnisse zeigen: Bäume sind Anpassungskünstler im Klimawandel. Neue Studien ergaben, dass viele Baumarten - entgegen bisherigen Annahmen - Anpassungen an veränderte Klimabedingungen erwerben und diese schon an die nächste Generation vererben können.

Die natürliche Anpassung von Bäumen an veränderte Standortbedingungen erfolgt langfristig über genetische Prozesse und die natürliche Ausbreitung von Baumarten. Die rasch voranschreitenden Veränderungen im Zuge des Klimawandels machen eine natürliche Anpassung nahezu unmöglich. Das ist der Wissensstand, von dem man bisher ausging. Neuesten Studien zufolge stimmt das nicht ganz. Es hat sich gezeigt, dass die Genexpression – das ist die Übersetzung des genetischen Codes in den Phänotyp [1] – nicht ausschließlich vom genetischen Code selbst, sondern auch von Umwelt- bzw. Klimafaktoren gesteuert wird. Zudem können diese Steuerungsmechanismen vererb t werden und erlauben daher eine vergleichsweise rasche Anpassung von einer Generation zur nächsten. So wurde beispielsweise für die Fichte gezeigt, dass die Bedingungen, die während der Blüte und Samenbildung (z.B. Tageslänge, Temperatur) herrschen, Eigenschaften der daraus wachsenden Sämlinge wie Blattaustrieb und Wachstumsabschluss beeinflussen können. Das zeigt, dass - anders als bislang vermutet - bereits innerhalb einer Baumgeneration gewisse Anpassungen an veränderte Klimabedingungen erworben werden können.

Das vom Klima- und Energiefonds finanzierte Projekt AdaptTree setzt sich mit diesen Steuerungsmechanismen (auch als epigenetische Variation [2] bezeichnet) auseinander und geht der Frage nach, welche Bedeutung sich daraus für die natürliche Anpassung von Bäumen an den Klimawandel ableiten lässt. Im Rahmen des Projekts, das vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) koordiniert wird, soll der Einfluss natürlicher Schwankungen der Wetterbedingungen, insbesondere warme/trockene Bedingungen, zum Zeitpunkt der Baumblüte und Samenreifung auf die adaptiven Eigenschaften der jungen Bäume untersucht werden.

Aus vorangegangenen Versuchsanbauten ist bereits bekannt, dass Anpassungen an ein kälteres Klima (z.B. Frosthärte), bzw. der Verlust dieser Anpassungen innerhalb einer Generation erfolgen können. Um nun zu prüfen, ob Anpassungen an ein wärmeres Klima ebenso schnell erworben werden können, wurde im Rahmen von AdaptTree Forstsaatgut von Fichte, Lärche und Kiefer aus unterschiedlichen Reifejahren aber von denselben Erntebeständen des letzten Jahrzehntes in einem zweijährigen Baumschulversuch angebaut. Bei der Auswahl der Reifejahre hat man dabei auf unterschiedlich vorherrschende Wetterbedingungen bei der Blüte- und Samenreife geachtet. Grob lassen sich diese in warm-trockene und kühl-frische Jahre einteilen. Die Pflanzen wurden dabei unter zwei verschiedenen Behandlungen angebaut: die eine Hälfte unter „normalen“ Niederschlagsbedingungen (Referenzwert Wien Mariabrunn), die andere unter reduzierten Niederschlagsbedingungen (50% des Niederschlags). Danach wurden nach jeder Vegetationsperiode Pflanzen entnommen und verschiedene Messungen durchgeführt. Unter anderen wurden Trockenstressversuche im Glashaus durchgeführt sowie die Frostresistenz im Winter bzw. Frühjahr geprüft.

Ergebnisse

Die Ergebnisse des Forstgartenversuchs belegen eindeutig, dass eine Vielzahl von quantitativen Merkmalen der Sämlinge von den Wetterbedingungen des Reifejahres abhängt. Für alle drei Baumarten wurden signifikante Unterschiede im Pflanzengewicht, in der Spross- und Wurzellänge gefunden. Darüber hinaus wiesen die Sämlinge warm-trockener Jahre von einigen Herkünften eine höhere Trockenresistenz auf als Sämlinge aus kühl-frischen Jahren. Die einzelnen Baumarten zeigen allerdings auch unterschiedliche Reaktionen. Eine Ursache für die abweichenden Reaktionen der Herkünfte liegt sehr wahrscheinlich in der unterschiedlichen geographischen Lage der Saatguterntebestände und in den unterschiedlichen Wetterbedingungen der warm-trockenen und kühl-frischen Jahre. Durch Berücksichtigung der jeweiligen Wetterbedingungen konnten die abweichenden Reaktionen der Herkünfte gewichtet und die Bedeutung der Wetterbedingungen während der Blüte und Samenreifung für eine Vielzahl an adaptiven Merkmalen bestätigt werden.

junge Sämlinge
Bereits junge Sämlinge zeigen wichtige Eigenschaften der späteren Waldbäume, die für das Überleben relevant sind. Zum Beispiel entscheidet der Zeitpunkt des Nadelaustriebs im Frühjahr über die Länge der Wachstumsperiode und darüber wie stark der Baum durch Spätfröste geschädigt werden kann. Viele dieser Eigenschaften können durch Umweltfaktoren „epigenetisch“ modifiziert werden und ermöglichen so eine schnellere Anpassung an den Klimawandel als bisher gedacht.

Schlussfolgerungen für die Praxis

Die Ergebnisse des Projekts bestätigen die Bedeutung der Wetterbedingungen für die Ausprägung von adaptiven Merkmalen von Waldbäumen erstmalig in vivo. Diese neuen Erkenntnisse sind insbesondere für Planungen über die künftige Versorgung mit Forstsaatgut oder bei Herkunftsempfehlungen von großem Wert. So könnte beispielsweise in Zukunft Forstsaatgut in den bereits heute wärmebegünstigten Regionen Österreichs produziert werden. Zudem könnte Saatgut aus „wärmeren“ Reifejahren gezielt für vom Klimawandel stärker betroffene Regionen verwendet werden, während Saatgut aus „kälteren“ Reifejahren eher für den Einsatz in höheren Lagen geeignet wäre. Konkret könnten diese Empfehlungen über das bereits im Einsatz befindliche Informationstool für Forstpraxis und Forstbaumschulen www.herkunftsberatung.at umgesetzt werden.
 

Weiterführende Informationen:

Projektleitung:

Dr. Silvio Schüler

Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft

Institut für Waldgenetik

Email: silvio.schueler@bfw.gv.at

Projektlaufzeit: 2011-2013

Projektwebsite

[1] Erscheinungsbild eines Organismus; also die Summe der sichtbaren Merkmale eines Organismus, die sich aus den genetischen Merkmalen (Genotyp) und der Umwelt entwickelt

[2] Epigenetik bezeichnet diejenigen erblichen Veränderung des Phänotyps, die nicht durch den genetischen Code (die DNA Sequenz) erklärt werden können. Der britische Wissenschaftler Bryan Turner (Birmingham, Großbritannien) erläutert das wie folgt: „DNA ist wie ein Tonband, auf dem Informationen gespeichert sind, und ein Tonband nützt uns ohne ein Abspielgerät gar nichts. Die Epigenetik befasst sich mit dem Tonbandgerät.“ (Quelle: epigenome.eu/de/)