Alpenglühen: überdurchschnittliche Erwärmung in großen Höhen

Das Schmelzen der Gletscher ist ein besonders augenfälliges Beispiel für die Folgen der Erderwärmung. Der Zusammenhang leuchtet ein: je wärmer, desto rascher schmilzt das Eis. Was weniger bekannt ist: in größeren Höhen steigt die Temperatur sogar überdurchschnittlich rasch – der Klimawandel setzt dem „ewigen“ Eis also doppelt zu.

Dieses Phänomen wurde nun von einem internationalen Forschungsteam unter Leitung der Universität Portsmouth näher untersucht. Wie es für ein Alpenland naheliegt, war auch Österreich in der Kooperation vertreten, und zwar durch das Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz: Geograph und Meteorologe Wolfgang Schöner gehört zu den AutorInnen von insgesamt 20 renommierten Forschungseinrichtungen, die die Ergebnisse und Hintergründe kürzlich im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlichten.

Höhenabhängige Erwärmung in Bergregionen der Welt…

…bzw. „Elevation-dependent warming in mountain regions of the world”, so der Originaltitel der Publikation, gibt die wissenschaftliche Forschungsfrage wieder. Von den Alpen über Anden und Rocky Mountains bis ins tibetische Hochland wurden die großen Höhenzüge der Welt unter die Lupe genommen. Erhoben wurde neben der Temperatur auch eine Reihe von Faktoren, die nach Vermutung der WissenschaftlerInnen die überproportionale Erwärmung in großen Höhen mitverursachen. Eine typische Kenngröße war die Albedo (dt.: „Weißheit“), die das Reflexionsvermögen der Oberfläche angibt. Je niedriger die Albedo, desto mehr Himmelsstrahlung wird von der Landschaft geschluckt und in Wärme umgewandelt. Das bedeutet konkret, dass sich ein graubrauner Berghang stärker erwärmt als eine weiße Gletscheroberfläche. Der Rückzug der Eis- und Schneedecke beschleunigt sich damit selbst in einer Abwärtsspirale. In dieser Einfachheit ist der Wärmeaustausch zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre natürlich nicht zu erfassen. Luftfeuchte, Strahlungsflüsse und Aerosolkonzentration sind nur einige weitere Kenngrößen, die geländebedingt oft mühsam und unter widrigen Messbedingungen bestimmt werden mussten. Erst danach konnten sich die ForscherInnen an die rechenintensive Suche nach Mustern und Zusammenhängen machen.

Die Abbildung zeigt die Albedo von Oberflächen im Vergleich
Albedo von Geländeoberflächen: frischer und alter Schnee reflektieren am meisten der wärmenden Einstrahlung.

Globale Trends, regionale Unterschiede

Im weltweiten Vergleich zeigten sich zwar gemeinsame Faktoren, die für die raschere Temperaturzunahme in großen Höhen sorgen, deren relative Bedeutung im Zusammenspiel der Ursachen kann jedoch von Gebirge zu Gebirge variieren. Für die heimischen Gletscher ist das Ergebnis jedenfalls nicht rosig: Im gesamten Alpenraum steigt die Durchschnittstemperatur etwa doppelt so rasch an wie im weltweiten Mittel, so Wolfgang Schöner im Interview. Im Hochgebirge ist dieser Effekt jedoch noch deutlicher zu erkennen. Die damit einhergehende Gletscherschmelze wird jährlich im österreichischen Gletscherbericht dokumentiert, der Thema der vorigen Ausgabe dieses Newsletters war.

Gepatschferner mit und ohne Gletscher
Gepatschferner – weitere 91 m Verlust (oben: 2012, unten 2014)

Auftrag zu Klima- und Gletscherschutz

Gletscher sind ein imposantes und charakteristisches Element der Hochgebirgskulisse, auch im Sommer. Ihr Schwinden ist, nicht nur, aber auch aus touristischer Sicht sehr bedauerlich. Vor allem auf regionaler Ebene kann der Gletscherschwund eine Interessensabwägung zwischen kurzfristiger Saisonverlängerung und längerfristiger Bewahrung der zunehmend knappen Ressource erfordern. Gletscherschutz ist auch Klimaschutz und daraus ergibt sich der private und öffentliche Handlungsauftrag. (Juli, 2015)