Kühl durch den Sommer
Der Klimawandel bringt auch in Österreich immer häufiger Hitzewellen mit sich. Die Frage wie Gebäude energieeffizient und ressourcenschonend kühlen, gewinnt zunehmen an Bedeutung. Eine Reihe von alternativen Kühlmethoden, aber auch die Berücksichtigung anderer Faktoren, wie die Vermeidung von Hitzeinseln im Umfeld oder vorausschauende Gebäudeplanung, sorgen für angenehme Innenraumtemperaturen.
In Österreich sind Siedlungsräume immer häufiger von sommerlichen Hitzewellen betroffen. 2015 war das zweitwärmste Jahr in der 247-jährigen Messgeschichte mit ungewöhnlich vielen extrem heißen Tagen. 2013 wurde sogar die 40 °C-Marke überschritten. Besonders städtische Kernzonen erwärmen sich übermäßig im Vergleich zum Umland. Man spricht von „Hitzeinseln“ in denen um bis zu 10 °C höhere Temperaturen gemessen werden als in der offenen Umgebungslandschaft. Diese Phänomene werden zukünftig durch den Klimawandel verstärkt und immer mehr Personen werden unter den hohen Temperaturen leiden (vgl. Abbildung 1, Zuwächse an Kühlgradtagen 1981 bis 2041).
Dichte Gebäudehüllen und ein steigender Glasflächenanteil an Fassaden steigern das Überwärmungsrisiko. Erzeuger von Klimaanlagen machen gute Gewinne. Doch es gibt auch alternative Methoden, um ein angenehmes und der Gesundheit dienliches Innenraumklima zu erzielen.
Gute mikroklimatische Rahmenbedingungen schaffen
Die empfundene Raumtemperatur sollte während einer Hitzeperiode während der Nutzungszeit am Tag + 27 °C und in der Nacht + 25 °C nicht überschreiten. Um dies zu erreichen müssen bereits bei der Planung die klimatischen Verhältnisse eines Standortes berücksichtigt werden. Topographie, vorherrschende Bebauungsstrukturen, die Vegetation und der Grad der Bodenversiegelung beeinflussen Innenraumtemperaturen zusätzlich. Ein überwärmtes Umfeld hat negative Auswirkungen auf den Kühlenergiebedarf von Gebäuden. Die kühle Nachtluft kann nur dann zum Abkühlen der Raumtemperatur genutzt werden, wenn entsprechend niedrige Temperaturniveaus und günstige Luftströmungen in der Gebäudeumgebung vorherrschen. Vor allem dicht verbaute, stark versiegelte Stadtteile mit geringem Grünanteil tragen zur Erwärmung des Mikroklimas bei. Durch das Freihalten oder die Schaffung von Luftleitbahnen und Klimakorridoren können kühlere Temperaturen im Umland genutzt werden. Auch Grünräume mit ihren Verdunstungsflächen wirken kühlend. Ein grünes Umfeld erhöht die Lebensqualität, in dem es sich positiv auf die Gesundheit der Bewohner/-innen auswirkt und zudem aus sozialer Perspektive Raum für die Begegnung mit anderen Personen schafft.
Auch die Baukörper- und Raumorientierung sowie die Gebäudegeometrie sind zu beachten: Südorientierte Glas- und Fassadenflächen lassen sich im Sommer durch den hohen Sonnenstand leichter vor unerwünschter Sonneneinstrahlung schützen, als Ost- und Westfassaden, die vom niedrigen Sonnenstand am Morgen und am Abend betroffen sind. Eine weitere gezielte Verschattung der Fassade kann durch Innenhöfe, gegliederte Gebäudegrundrisse oder gefaltete Fassaden ermöglicht werden. Der Wärmeinseleffekt lässt sich auch durch die Verwendung heller Farben, Oberflächen mit hohen Reflexionsvermögen und Beschattung im Außenraum durch Laubbäume, Vordächer und überdachte Passagen reduzieren. Wasserflächen verändern den Wasserhaushalt der Luft durch Verdunstung und stellen gleichzeitig die Wasserversorgung von Grünflächen sicher.
Gebäude sommertauglich bauen
Eine weit verbreitete und unterstützende Maßnahme zur Vermeidung von Wärmeeinträgen in Gebäude ist die Wärmedämmung. Diese stellt in Kombination mit entsprechendem Verhalten hinsichtlich Lüftung und am besten in Kombination mit Verschattungssystemen eine wirksame Maßnahme zur Vermeidung der sommerlichen Überhitzung dar.
Der größte Wärmeeintrag erfolgt jedoch nicht über die Wand sondern über die Fenster, daher ist besonders auf Größe, Qualität, Orientierung und Neigung von Verglasungen zu achten. Eine Reduktion des Glasanteils der Fassade senkt die Immissionsfläche und ein niedriger Gesamtenergiedurchlassgrad (Energie, die durch einen transparenten Bauteil durchgelassen wird) wirkt im Sommer positiv.
Bei Ost-, Süd- und Westfassaden wirken Beschattungseinrichtungen als Sonnenschutz. Unterschiedliche Verschattungssysteme wie Außen- und Innenjalousien, Fensterläden, Vordächer, Lamellenblenden, Markisen, Rollläden und Innenvorhänge reduzieren den Strahlungseintrag durch die Verglasung. Sie können flexibel auf die jeweiligen Bedingungen abgestimmt werden. Besonders wirksam sind außenliegende Verschattungseinrichtungen, diese müssen jedoch ausreichend widerstandsfähig (z.B. gegen Sturm) ausgeführt sein.
Eine weitere Reduzierung der Wärmespeicherung von Gebäuden ist durch Anwendung von Materialienund Oberflächenmit wenig Speicherkapazität und hoher Albedo (Maß für die von Oberflächen reflektierte Strahlung; hoch bedeutet: hoher Reflexionsgrad und geringe Absorption und folglich geringe Erwärmung der Oberfläche) zu erzielen. Helle oder reflektierende Oberflächen werfen einen höheren Strahlungsanteil in den Himmel oder ins Umfeld zurück.
Interessant ist auch die Ausführung von „speicherwirksamer Masse“: Das sind Bauteile und Baustoffe in Innenräumen, die Temperaturspitzen der Raumluft ausgleichen und so Temperaturextreme vermeiden können. Die Speicherkapazität hängt dabei von den Eigenschaften der verwendeten Baustoffe (z.B. Vollziegelmauerwerk, Stampfbeton oder Gipsbauplatten) und der Baukonstruktionen ab.
Grün, grüner, am grünsten
Ein begrüntes Dach vermindert den Wärmedurchfluss ins Gebäude. Es wirkt positiv auf das Raumklima darunterliegender Wohnräume und verbessert das Stadtklima. Die Pflanzenschicht liegt wie ein schattierender kühler Mantel über der Dachoberfläche. Trifft Sonnenlicht auf die Pflanzen, nehmen diese CO2 auf und geben Sauerstoff ab. Wasser wird verdunstet und sorgt für eine Abkühlung der Umgebung. Das Gute dabei: Pflanzen kühlen dann am stärksten, wenn es am dringendsten nötig ist – aIso an Hitzetagen. Auch Fassadenbegrünungen sorgen für eine Abkühlung der mittleren Strahlungstemperatur im Ausmaß von 15 bis 30 °C (vgl. GrünStadtKlima). Eine Grünfassade mit 850 m² Fläche kann an einem heißen Sommertag die Kühlleistung von etwa 75 Klimageräten mit 3.000 Watt Leistung und 8 Stunden Betriebsdauer erbringen (vgl. GrünStadtKlima). Im Winter wirkt das Gründach als Wärmedämmung. Beides senkt die Energiekosten.
„Grüne Bauweisen“ tragen wesentlich zur Verbesserung des städtischen Luft- und Wasserhaushalts bei. Dach- und Fassadenbegrünungen verursachen zwar Kosten bei der Errichtung und im Betrieb, sparen jedoch Kühlenergie und liefern Beiträge zur Wasserrückhaltung, Transpiration und Staubbindung. Die Städte Wien und Linz bieten Förderprogramme für Dach- und Fassadenbegrünungen. Das Land Niederösterreich fördert Gründächer im Rahmen der Wohnbauförderung.
Nachts passiv kühlen
Natürliches Lüften in der Nacht ist eine weitere effektive Form der Vermeidung von Überhitzung in Innenräumen ohne Einsatz von zusätzlicher Energie. Voraussetzung dafür sind nicht zu hohe Nachttemperaturen im Außenraum. Im städtischen Gebiet spielt dabei die Vermeidung des Wärmeinseleffekts eine wesentliche Rolle. Bei Dienstgebäuden ermöglicht eine Teilautomatisierung die Nachtlüftung auch bei Nichtanwesenheit des Personals. Fenster bzw. Lüftungsöffnungen sollten so angeordnet werden, dass eine Querlüftung möglich ist. Bei der Ausführung und Anordnung der Lüftungsöffnungen ist auf Sturm-, Regen-, Einbruchssicherheit und – soweit möglich - Schallschutz zu achten. Vor allem im Wohnbau sollte der passiven Kühlung Vorrang gegeben werden.
Aktiv kühlen mit alternativen, energieeffizienten und ressourcenschonenden Technologien
Nicht immer können passive Kühlmethoden angewandt werden oder reichen zur Reduzierung der Kühllast aus. Aktive Kühlsysteme nehmen daher seit einigen Jahren auch in Mitteleuropa aufgrund der Klimaerwärmung und gesteigerter Komfortansprüche der NutzerInnen an Bedeutung zu. Ein Resultat davon ist die Verschlechterung der Gebäude-Energiebilanz.
Im Vergleich zu konventionellen kältetechnischen Anlagen bietet eine solarthermische Kühlung große Potentiale zur Energieeinsparung, Vermeidung von Sommerstromspitzen und auch zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Die solare Kühlung nutzt die saisonale Gleichzeitigkeit der sommerlich auftretenden Kühllast und der hohen solaren Einstrahlung. Vorteilhaft ist auch die Mehrfachnutzung zur Kühlung, Raumheizung und Brauchwassererwärmung. Derzeit sind folgende Technologien am Markt:
- Kaltwasserverfahren: Ab- oder Adsorptionskälteanlagen
- Kaltluftverfahren: DEC-Anlagen (Desiccant Evaporative Cooling) = SGK (Sorptionsgestützte Klimatisierungssysteme)
Unter Kaltwasserverfahren sind geschlossene Verfahren zu verstehen, bei denen ein Kältemittel verdampft wird und dadurch einem äußeren Kältemittelkreis Wärme entzieht. Nach diesem eigentlichen Kühlvorgang muss der Kältemitteldampf zur Aufrechterhaltung des Kreislaufsystems an einem Sorptionsmittel ab- oder adsorbiert werden. Bei der Absorption verbindet sich das Kältemittel chemisch mit einem flüssigen Sorptionsmittel. Bei der Adsorption wird das Kältemittel an einer hochporösen Oberfläche eines festen Sorptionsmittels gebunden. Die solare Wärme hilft beim Austreiben des Kältemittels aus den Sorptionsmitteln.
Kaltluftverfahren arbeiten mit Luft. Man bezeichnet diese auch als offene Verfahren, bei denen warme Außenluft angesaugt, über einem Sorptionsrad getrocknet und anschließend mit Wasser besprüht wird. Die so gekühlte Luft wird über das Luftleitungssystem im Gebäude verteilt. Die Regeneration des Sorptionsrades erfolgt mit Solarwärme. Durch die Trennung der Prozesse „Entfeuchtung“ und „Kühlung“ kann bei diesen Anlagen – im Vergleich zu klassischen Klimaanlagen, bei denen die Entfeuchtung durch Unterschreitung des Taupunktes der Luft realisiert wird – die notwendige Kälteleistung reduziert werden. Im Vergleich zu Kompressionsanlagen sind nach derzeitigem Stand der Technik bei solarthermisch betriebenen Kühlanlagen Einsparungen von etwa 40 % des Energiebedarfs erzielbar (vgl. Preisler, 2008). Bei sorgfältiger Planung, Ausführung und Betriebsüberwachung sind Primärenergieeinsparungen von bis zu 80 % gegenüber konventionellen Kühltechnologien erzielbar.
Ende 2010 waren weltweit etwa 600 solare Kühlanlagen in Betrieb. 400 davon befinden sich in Europa (hauptsächlich Deutschland und Spanien). 20 Anlagen entfallen auf Österreich (Mugnier, 2011). Die Kosten solarer Kälteanlagen liegen bei etwa 1.000 € pro kW Kälteleistung bei kleinen Leistungen und bei etwa 500 € pro kW ab 200 kW (vgl. www.solarwaerme.at). Wichtig bei allen solarthermischen Kühlanlagen sind eine sorgfältige Anlagenauslegung und eine effiziente Technik. Die Anlage muss genau auf den Verbrauch abgestimmt werden. Obligatorisch sind Energiesparpumpen und –gebläse in drehzahlregelbarer Ausführung. Flächenkühlsysteme sind Gebläsekonvektorsystemen vorzuziehen. Die Regelung bzw. die Gebäudeleittechnik sind äußerst wichtige Komponenten und haben einen sehr großen Einfluss auf die Effizienz des gesamten solarthermischen Systems. Eine fachgerechte Betreuung durch ein Facility Management vor Ort muss möglich sein.
Weitere umweltfreundliche Kühlmethoden sind die adiabate Kühlung, bei der die Abluft in einem Lüftungsgerät durch einen Abluftbefeuchter gekühlt wird und diese Kälte über ein Wärmerückgewinnungsrad auf die Zuluft übertragen wird, sowie die Bauteilaktivierung in Kombination mit geothermischer Kühltechnologie. Letztere nutzt die Fähigkeit von Decken und Wänden, thermische Energie zu speichern. In eingebauten Rohrsystemen zirkuliert Wasser, das je nach Temperatur Wärme aus der Decke aufnimmt (Kühleffekt) oder an die Decke abgibt (Heizeffekt). Für die Temperierung des Wassers im Kreislauf können Energiepfähle oder Energiesonden im Erdreich eingesetzt werden (geothermische Quellen). Vor allem der Kühlungseffekt im Sommer ist oft so groß, dass auf Klimaanlagen häufig gänzlich verzichtet werden kann. Gebäude wie Schulen, bei denen Kühltechniken üblicherweise nicht eingeplant werden, können so in den Genuss von kühleren Innenraumtemperaturen kommen. Diese innovative und kostengünstige Methode zum Kühlen und Erwärmen von Gebäuden gewinnt immer mehr an Stellenwert.
In Städten wie Wien können Fernkälte-Großanlagen wesentlich effizienter Kälte liefern als viele kleine Klimaanlagen. Wien Energie ist dabei ein Vorreiter. Bei der Stromerzeugung und in der Müllverbrennungsanlage entsteht Wärme als Nebenprodukt, welches in Absorptionskältemaschinen für die Kälteproduktion verwendet wird. Durch diesen Prozess ist 4 bis 10 x weniger Primärenergie nötig. Das spart CO2 und mindert die negativen Auswirkungen auf das Klima.
Solare Kühlung trägt zu einer Beruhigung der Netzbelastung bei
Der Strombedarf für die Klimatisierung von Gebäuden wird sich in Österreich laut Haas ausgehend von 365 GWh im Jahr 2005 auf 1.875 GWh im Jahr 2030 mehr als verfünffachen (vgl. Haas, 2007). Nicht nur die Bestückung neuer Gebäude mit Teil- oder Vollklimaanlagen ist dafür verantwortlich, sondern auch die Nachrüstung bestehender Gebäude, darunter Ein- und Zweifamilienhäuser.
Die erhöhte Nachfrage, möglicherweise stockende Bereitstellung durch Niedrigwasser oder Kühlwassermenge und Gefahren durch Gewitter und Überschlagsspannungen für das Verteilnetz gefährden die Versorgungssicherheit mit Elektrizität und erhöhen die Gefahr von Black-Outs. Solare Kühlanlagen wirken auch hier vorbeugend als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel. (Juni 2016)
Planungsleitfaden Solare Kühlung, Fraunhofer ISE
Informationen zur Dachbegrünung, „die umweltberatung“ Wien
Leitfaden Fassadenbegrünung, verfasst von ÖkoKauf Wien
GrünStadtKlima, Der Leitfaden: Grüne Bauweisen für Städte der Zukunft
Simulation und 3 Jahre Betriebserfahrung der Highcombi Anlage im Rathaus und Servicecenter Gleisdorf
Erläuterungen zur jüngsten Novelle der OIB-RL6
Österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel
Österreichischer Sachstandsbericht
Weitere Hintergrundinformationen: