Anhaltende Trockenperiode in ganz Europa und ihre Folgen

Seit Jahresbeginn gab es in nahezu ganz Österreich im Mittel um 16 Prozent weniger Niederschlag. Damit setzt sich die Trockenheit der letzten Jahre fort – nicht nur in Österreich, sondern in weiten Teilen Europas. Die Folgen sind sinkende Grundwasserpegel, austrocknende Flüsse und Seen, Waldbrandgefahr, Einschränkungen in der Energieproduktion und Folgen für die Landwirtschaft. Das BML plant einen Vorsorge- und Notfallplan Wasser.

Ausgetrockneter Boden des Zicksees mit starken Trockenrissen (Seewinkel).
Ausgetrockneter Bereich des Zicksees im Sommer 2022 (St. Andrä/Burgenland) .

Das Jahr 2022 war von ungewöhnlicher Trockenheit geprägt. Für 2023 zeichnet sich erneut ein dürres Jahr ab. Das Klimamonitoring der GeoSphere Austria zeigt, dass es im Winter 2023 österreichweit 13 Prozent weniger Niederschlag gab. Lediglich in Teilen der Steiermark und Ostkärnten gab es etwas mehr Niederschlag. Die Messdaten zeigen die größten Defizite in den westlichen Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Durch die fehlende Schneedecke mangelte es bereits zu Beginn des Frühjahrs an Feuchtigkeit, bildlich gesprochen startete der Boden mit „leeren Akkus“ in die Vegetationsperiode.

Im Frühjahr hat sich die Lage umgedreht – im März herrschte vor allem im Osten starke Trockenheit und es fiel österreichweit 21 Prozent weniger Niederschlag als im langjährigen Mittel von 1961 bis 1990. Seit Mitte April gab es zwar ausgiebige Regenfälle, das langjährige Niederschlagsdefizit können sie jedoch nicht ausgleichen, wie derStandard.at und ORF.at berichten.

Dürre in ganz Europa

Von der Trockenheit ist nicht nur Österreich betroffen – in ganz Europa gibt es seit 2018 eine anhaltende Dürre, wie aus einer Publikation von Eva Boergens in Geophysical Research Letters hervorgeht. Der Grundwasserspiegel ist seit den Sommermonaten 2018 und 2019 konstant niedrig. Die Daten dazu liefert das EU-Projekt „G3P“, bei dem unter anderem die TU Graz und TU Wien beteiligt sind. Das Projektteam misst Veränderungen des Grundwasserspiegels mittels Satellitengravimetrie. Bei dieser Methode scannen zwei Satelliten in einem Abstand von zirka 200 Metern zueinander die Erdoberfläche. Innerhalb eines Monats vermessen sie die gesamte Erdoberfläche. Aus diesen Daten ermitteln die Forschungsteams, wie sich die Wasserressourcen in Flüssen, Seen, im Boden, Schnee und im Grundwasser von Monat zu Monat verändern.

Blick aus dem Weltall auf Europa: Die Wasserspeicheranomalien des Grundwassersstandes in Zentraleuropasind farblich dargestellt.
In Zentraleuropa war der Grundwasserstand bereits im Jahr 2019 sehr niedrig.

Gemäß Daten der Europäischen Dürrebeobachtungsstelle (EDO – European Drought Observatory) herrscht in weiten Teilen Europas ein Defizit in der Bodenfeuchte. Diese ist ausschlaggebend dafür, ob im Boden ausreichend Wasser für das Pflanzenwachstum vorhanden ist. Besonders betroffen sind Irland und Großbritannien, Frankreich, die Benelux-Staaten, Teile Skandinaviens und Teile des Mittelmeerraums.

Sinkende Grundwasserstände in Österreich

In Österreich führt die Trockenheit seit Monaten zu sinkenden Grundwasserständen, wie die Daten zur Grundwassersituation des Hydrographischen Dienstes Österreich zeigen. Zwei Drittel der insgesamt 224 Messstellen österreichweit haben aktuell niedrige Grundwasserstände – 116 einen niedrigen und 37 einen sehr niedrigen Grundwasserstand im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt. Diese sind über ganz Österreich verteilt. Besonders prekär ist die Lage im Burgenland und in der Mitterndorfer Senke im Wiener Becken. In Wiener Neustadt lag der Grundwasserspiegel im April 2023 auf 252 Meter über Adria. Das ist der niedrigste Wert seit Messbeginn 1970 und liegt sechs Meter unter dem mittleren Grundwasserstand. Mehrere Grundwasserseen rund um Wiener Neustadt haben mittlerweile sehr niedrige Wasserstände oder sind sogar ganz ausgetrocknet.

In Zukunft rechnen Fachleute damit, dass die verfügbaren Grundwasserressourcen in Österreich abnehmen werden. Im ungünstigen Szenario könnten bis 2050 statt derzeit 5,1 Milliarden m3 nur noch 3,9 Milliarden m3 Grundwasser zur Verfügung stehen, das entspricht einer Abnahme um bis zu 23 Prozent. Im niederschlagsarmen Osten Österreichs ist der Rückgang der verfügbaren Grundwasserressourcen zwar geringer ausgeprägt als im Westen Österreichs, geht aber von einem geringeren Ausgangsniveau aus. Gleichzeitig steigt der Wasserbedarf für Trinkwasser aufgrund von Bevölkerungswachstum und Klimawandel voraussichtlich um 11 bis 15 Prozent. Der Wasserbedarf für die Bewässerung kann sich annähernd verdoppeln und in Trockenjahren ein Vielfaches des durchschnittlichen Bedarfes sein. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Wasserschatz Österreichs“ des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft.

Einschränkungen für die landwirtschaftliche Bewässerung

Für die Landwirtschaft wird Trockenheit dann zum Problem, wenn die Böden beginnen auszutrocknen und die Pflanzen unter dem Wassermangel leiden. Ob die Trockenheit Ernteausfälle verursachen wird, wird sich erst im Laufe des Frühjahrs und der weiteren Entwicklung der Niederschläge zeigen. In einigen Gebieten ist die Bewässerung bereits teilweise eingeschränkt. Beispielsweise besteht laut Burgenländischer Volkszeitung im Bezirk Neusiedl schon seit Sommer 2022 ein Bewässerungsverbot für Raps, Erbsen, Sonnenblumen, Weingärten und Getreide, das auch 2023 bestehen bleibt. Andere Kulturen dürfen bewässert werden, allerdings nur mit Tröpfchenbewässerung oder in den Abend- und Nachstunden zwischen 18 und 9 Uhr. Tagsüber ist die Beregnung verboten, um die Wasserverdunstung einzuschränken. Die Niederwasserbetriebsordnung für Leitha - Wiesgraben - Kleine Leitha – Komitatskanal regelt Wasserentnahmen in Abhängigkeit der aktuellen Durchflüsse bei ausgewählten Pegelstationen.   Landwirte müssen sich an die neuen Bedingungen anpassen, etwa durch den Wechsel auf neue Sorten wie Winter- statt Sommergerste oder das Anbauen von Zwischenfrüchten, um die Böden vor Sonneneinstrahlung zu schützen.

Trinkwassermangel und Waldbrandgefahr

Im Osten Österreichs, vom Weinviertel bis ins Südburgenland, herrscht bereits seit März 2023 mittlere Waldbrandgefahr, so ein Bericht von vienna.at am 20. März. Durch die weiträumigen Regenfälle ab Mitte April 2023 hat sich die Gefahr entschärft, zeigt die Karte zur Waldbrandgefahr der GeoSphere Austria. Aussagen über die Sommerbrandsaison lassen sich dadurch aber nicht treffen – hier sind der weitere Jahresverlauf, insbesondere längere Trockenphasen und Hitzewellen im Hochsommer entscheidend. Die allgemeine Gefährdung der Waldbestände sowie von Infrastrukturen und Siedlungsräumen durch Waldbrände zeigt die Waldbrand-Risikokarte des BML für jeden Bezirk auf.

ORF.at berichtete Anfang März, dass einige Bergbauernhöfe im Kärntner Bezirk Wolfsberg von der Feuerwehr mit Trinkwasser versorgt werden müssen, da die Brunnen versiegt sind und die Tiere auf den Höfen viel Wasser brauchen. Um die Wasserversorgung langfristig zu sichern, müssten die betroffenen Gemeinden das Wasserversorgungsnetz bis zu den entlegenen Höfen ausbauen. Außerdem müssten sie zusätzliche Wasserquellen erschließen, um ausreichend Wasser für die Versorgung bereitstellen zu können. Bereits 2022 kam es durch schneearme Winter und hohe Temperaturen in höheren Lagen zu Problemen in der Trinkwasserversorgung. So musste die Neue Prager Hütte im Nationalpark Hohe Tauern 2022 vorzeitig schließen, weil kein Trinkwasser mehr verfügbar war.

Diskussionen um den Neusiedler See

Auch der Neusiedler See, der überwiegend von Niederschlag gespeist wird, hat so wenig Wasser wie noch nie zu dieser Jahreszeit seit Messbeginn 1965 – und normalerweise führt der See im Frühjahr aufs Jahr gesehen am meisten Wasser. Die jüngsten Regenfälle haben den Neusiedler See um neun Zentimeter aufgefüllt, dennoch liegt der Wasserspiegel einen halben Meter unter dem mittleren Wasserstand des Sees. Der See könnte austrocknen. Seit Sommer 2022 gibt es Diskussionen zwischen Vertreter:innen von Landwirtschaft, Tourismus und Naturschutz, ob eine Zuleitung aus der Donau sinnvoll ist, um das Austrocknen zu verhindern. Historisch gab es immer wieder Phasen, in denen der Neusiedler See trocken lag – für einen Steppensee wie den Neusiedler See ist ein dynamischer Wasserpegel nicht ungewöhnlich. Eine Studie belegt Schwankungen von der Austrocknung bis hin zu einem Wasserstand von plus 2,5 Metern. Vertreter:innen des Naturschutzes argumentieren, die Einleitung von Donauwasser würde den Salzhaushalt des Sees verändern und könnte dazu führen, dass sich Algen verbreiten, da der See durch die Zuleitung das für ihn typische trübe Wasser verlieren würde. Aus Sicht des Naturschutzes sind auch die Schilfbrände von Anfang März 2023 dringend notwendig für eine Erneuerung des Schilfgürtels, da die Schilfbestände alt waren und immer weniger Vögel darin genistet haben. Für den Tourismus wäre es hingegen wichtig, dass der See weiterhin Wasser führt.

Foto Trockenheit am Neusiedlersee
Foto Trockenheit am Neusiedlersee

Trockenheit verstärkt die angespannte Energieversorgung

Die niedrigen Wasserstände wirken sich auch auf die Stromerzeugung aus. Österreich produzierte im Jahr 2022 etwa 10 Prozent weniger Strom aus Wasserkraft als im Jahresschnitt, meldete die APG. Um den Rückgang auszugleichen, musste dreimal mehr Strom importiert werden, als im Schnitt der vergangenen Jahre. Von Auswirkungen der Dürre auf die Stromproduktion war ganz Europa betroffen, wie aus einer Kurzstudie von Oesterreichs Energie hervorgeht. Norwegen, das besonders viel Wasserkraft exportiert, erwog Einschränkungen für den Export. Die extremen Niederwasserstände erschwerten den Schiffstransport von Braunkohle. Es bestanden Befürchtungen, dass dadurch insbesondere Kohlekraftwerke am Rhein nur eingeschränkt Energie produzieren können. In Frankreich fehlte Kühlwasser für den Betrieb von Atomkraftwerken. In Folge musste die Leistung zurückgefahren werden, bis November 2022 stand nur knapp die Hälfte der üblichen Atomenergie zur Verfügung. Die fehlenden Kapazitäten müssen durch andere Stromquellen ausgeglichen werden. Als kurzfristige Lösung wurden stillgelegte Kohlekraftwerke reaktiviert oder Abschaltungen verschoben. Der Ausbau von erneuerbare Energiequellen wurde durch die Energiekrise zwar beschleunigt vorangetrieben, wird sich aber erst langfristig merklich auswirken.

Vorsorge- und Notfallplan Wasser geplant

In Reaktion auf die anhaltende Trockenheit wird das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) einen Vorsorge- und Notfallplan Wasser erarbeiten. Meistens tritt eine Wasserknappheit lokal auf und kann auch auf dieser Ebene von Gemeinden und Ländern gemindert oder gelöst werden. Der Notfallplan rüstet für den Fall, dass die Wasserknappheit eine überregionale Dimension annimmt. Zudem soll die Vorsorge gestärkt werden, damit die Trinkwasserversorgung auch in trockenen Phasen sichergestellt werden kann. Heuer werden 60 Millionen Euro an zusätzlichen Fördergeldern in die Versorgungsinfrastruktur investiert. Dazu zählen der der Ausbau des öffentlichen Versorgungsnetzes, die Errichtung tieferer Brunnen und zusätzlichen Trinkwasserbehältern, der Ausbau von Verbund- und Ringleitungen zwischen den Gemeinden und die Errichtung sicherer Einzelwasserversorgungsanlagen. Außerdem soll die Zusammenarbeit zwischen den Ländern ausgeweitet werden. Die regelmäßige Analyse der Grundwasserstände und Entwicklungsprognosen sollen bei der frühzeitigen Erkennung helfen, wo es zu regionalen Versorgungsengpässe kommen könnte und wie sich diese auf andere Bereich auswirken könnten. Ziel ist, rechtzeitig mit Vorsorgemaßnahmen entgegenzuwirken. (AS, April 2023)