Aufwertung urbaner Straßenränder – für Anpassung und Insektenleben gut
Städtische Straßenränder bergen ein großes Potenzial: Eine in München durchgeführte Erhebung zeigt auf, dass eine vielfältige Straßenrandvegetation der Fragmentierung von Lebensräumen und dem Insektenschwund entgegenwirken kann. Selbst kleine, isolierte Flächen in dicht verbauten Gebieten können eine große Wirkung erzielen und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen.
Die Effekte von Wildpflanzenflächen auf die Mikroklimaregulation und Bestäuberabundanz wurden in München entlang von fünf Verkehrsachsen untersucht und mit der herkömmlichen Standardbegrünung verglichen. Dazu wurden vom Stadtzentrum München bis in die Peripherie experimentelle Blühflächen angelegt. Die Erhebungen erfolgten in drei Vegetationsperioden.
Der Verlauf der Straßen zeichnete sich durch eine sehr hohe urbane landschaftliche Heterogenität aus: Die Straßen führten sowohl durch Gebiete mit über 60 % Versiegelung (urban), als auch durch lockere Bebauung (periurban) oder städtische Randsiedlungen mit teils angrenzender landwirtschaftlicher Nutzung (rural). Die Erfassung von verschiedenen Ökosystemfunktionen der Blühflächen entlang eines urbanen Gradienten war dadurch möglich. Zwei weitere Straßen ohne Blühflächen dienten als Kontrollflächen. Die Blühflächen entwickelten sich – bedingt durch die unterschiedlichen Standortbedingungen – in Artenzahlen, Deckung und Blütenproduktion zum Teil sehr unterschiedlich. Bei einem dichten Baumbestand wurden vor allem Licht- und Wasserverfügbarkeit stark limitiert.
Durch die Einsaat der Pflanzen konnten die Oberflächentemperaturen deutlich reduziert werden. Die Wasserinfiltration des Bodens glich sich im Laufe von zwei Jahren an die der „Standardbegrünung“ an. Die Insektenabundanz erhöhte sich durch das vielfältige Blütenangebot bereits im ersten Jahr nach der Einsaat. Eine Stabilisierung dieser Entwicklung trat im zweiten Jahr auf. Die Ergebnisse zeigten, dass sich nicht nur die Blütendichte (Anzahl der Blüten) sondern auch die Vielfalt der blühenden Pflanzen positiv auf die Bestäuberabundanz auswirkten.
Aufwertungsmaßnahmen können bereits durch eine im Vergleich zur sonst üblichen Straßenbetreuung verringerte Mahdfrequenz erreicht werden. Das Mähgut sollte entfernt werden, um Nährstoffeinträge zu verringern. Eine spätere Mahd ist förderlich für Insekten und das Aussamen der Wildpflanzen. Die Einsaat einer angepassten Wildpflanzenmischung bietet vor allem bei der Neuanlage von Straßenbegleitgrün eine vielversprechende ökologische Aufwertungsmöglichkeit. Es sollten Wildpflanzenarten aus regionaler Herkunft verwendet werden. Diese sind an die lokalen Bedingungen (Klima, Böden) angepasst, genauso wie Bestäuber an die heimische Flora. Ein nährstoffarmer Boden ist für die Etablierung der eingesäten Wildpflanzen von Vorteil. Je breiter und länger das aufzuwertende Straßenbegleitgrün, desto höher ist der Ansaaterfolg. (IO, Juni 2022)