Kosten des Nicht-Handelns

Von den Folgen des Klimawandels sind praktisch alle Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft und Umwelt betroffen, besonders die menschliche Gesundheit, Energiewirtschaft, Forst- und Landwirtschaft, Tourismus, Infrastruktur und Gebäude. Die ökonomischen Auswirkungen von wetterbedingten Extremereignissen sind bereits jetzt erheblich und haben in den vergangenen drei Jahrzehnten zugenommen. Das interdisziplinäre Projekt COIN hat die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels für Österreich evaluiert. Bereits heute belaufen sich die wetter- und klimabedingten Schäden in Österreich auf jährlich durchschnittlich rund 1 Mrd. Euro. Diese Zahl berücksichtigt jedoch nur bedeutende Naturkatastrophen sowie hitzebedingt frühzeitige Todesfälle. Diese Schäden werden weiter steigen, insbesondere wenn es nicht zu signifikanten Emissionsreduktionen kommen sollte. Die Ergebnisse von COIN zeigen, dass die bereits heute quantifizierbaren gesamtwirtschaftlichen Schäden bis zur Mitte des Jahrhunderts innerhalb einer Bandbreite von jährlich durchschnittlich 3,8 Mrd. bis 8,8 Mrd. Euro liegen werden.

Im Rahmen von COIN (Cost of Inaction – Assessing Costs of Climate Change for Austria) wurden für die 12 Schlüsselsektoren der Österreichischen Anpassungsstrategie (z. B. Land-, Forst-, Wasserwirtschaft, Tourismus, Gesundheit, etc.) die ökonomisch relevanten Wirkungsketten identifiziert und die zukünftige Entwicklung der ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels evaluiert. Jene Ausschnitte aus diesen Wirkungsketten, für die dies nach aktuellem Wissensstand bereits belastbar möglich ist, wurden modelliert und quantitativ in Euro bewertet. Effekte auf die Volkswirtschaft, die durch Schäden, Mehraufwände, Ertrags- oder Produktivitätsverluste und Nachfrageänderungen ausgelöst werden, wurden ebenfalls berücksichtigt. Neben Klimaszenarien wurden dabei auch sozioökonomische Szenarien, wie hinsichtlich Landnutzung, Demographie, Wirtschaftswachstum und politische Rahmenbedingungen, herangezogen.

Darstellung der gesamtjährlichen Schäden in Österreich durch Klimawandel in Mrd.

Der ermittelte obere Wert der gesamtwirtschaftlichen Folgen (8,8 Mrd. Euro/Jahr bis 2050) ist aus mehreren Gründen sehr vorsichtig zu interpretieren: Er ergibt sich nur aus etwa jenem Drittel der ökonomisch wirksamen Klimawandelfolgen, die bereits heute seriös monetär bewertet werden können. Weiters wurde von einem moderaten Klimawandelszenario ausgegangen, bei dem die globale Erwärmung unterhalb der 2 °C-Grenze bleibt, und das daher stärkere Maßnahmen zum Klimaschutz voraussetzt, als derzeit vereinbart sind. Untersucht wurden lediglich jene Auswirkungen des Klimawandels auf Österreich, die auch in Österreich ihren Ausgang nehmen; Auswirkungen des Klimawandels auf globaler Ebene und daraus abgeleitete Rückwirkungen auf Österreich sind nicht berücksichtigt. Zudem wurden an extremen Wetterereignissen ausschließlich Hochwasserschäden an Gebäuden herangezogen sowie jährliche Mittelwerte verwendet. Die Ergebnisse unterschätzen daher die tatsächlich zu erwartenden Folgekosten des Klimawandels.

Die Detailergebnisse einzelner Bereiche verdeutlichen die Dimension der gesellschaftlichen Klimawandelfolgen. Unter der Annahme eines mäßigen Klimawandelszenarios und einer moderaten sozioökonomischen Entwicklung (Veränderung hinsichtlich Anzahl und Wert von Immobilien, Zunahme exponierter Gebäude in Risikogebieten) werden die Hochwasserschäden durch Fließgewässer an Gebäuden für den Zeitraum 2016-2045 in Österreich in einer Bandbreite von gemittelt jährlich 288 Mio. bis 940 Mio. Euro liegen. Für die Periode 2036-2065 ergeben sich mittlere jährliche Hochwasserschäden von 430 Mio. bis 1.800 Mio. Euro. Gesamtwirtschaftlich betrachtet löst allein der klimawandelbedingte Schadensanteil bis in die 2050er Jahre eine Wohlfahrtsverringerung von bis zu 1 Mrd. Euro pro Jahr aus. Neben den Mittelwerten möglicher Schadensszenarien sind insbesondere auch die Folgen von Extremereignissen mit geringerer Wahrscheinlichkeit gesellschaftlich relevant. So wird ein einzelnes 100-jährliches Hochwasser in der Mitte des Jahrhunderts allein zu direkten Gebäudeschäden in Höhe von 4 – 7 Mrd. Euro führen, die bis zum Ende des Jahrhunderts sogar bis auf 41 Mrd. Euro ansteigen können (ohne Berücksichtigung von volkswirtschaftlichen Folgekosten).

In COIN wurden auch die Auswirkungen von steigenden Temperaturen und Hitze auf die Sterblichkeit untersucht. Unter Annahme eines moderaten Klimawandels ist in den 2030er Jahren mit durchschnittlich rund 400 Hitzetoten pro Jahr (das entspricht in etwa der Opferzahl aus dem Jahre 2003) zu rechnen, in den 2050er Jahren mit knapp über 1000. Unter der Annahme eines starken Klimawandels werden in den 2030er Jahren jährlich bis zu rund 1.200 Hitzetote erwartet – in den 2050er Jahren bis zu rund 3.000. Dies entspricht einer Verzehnfachung zu der im Zeitraum 2003 bis 2012 beobachteten 240 Menschen, die zusätzlich an aufeinander folgenden Hitzetagen im Vergleich zu anderen Sommertagen starben.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Folgeschäden und Kosten des Klimawandels durch vorausschauende und rechtzeitige Anpassung sehr stark reduziert werden können. Zwar können manche Anpassungsmaßnahmen mit Kosten in der Gegenwart verbunden sein, aber die Kosten des Nichthandelns werden diese langfristig um ein Vielfaches übersteigen.

Das vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekt COIN wurde vom Wegener Center Graz geleitet und in enger Zusammenarbeit mit dem BMLFUW von einem interdisziplinären Konsortium bearbeitet, dem auch das Umweltbundesamt angehörte.