Soziale Folgen des Klimawandels in Österreich
Menschen sind einerseits Verursacher:innen des Klimawandels, andererseits bekommen sie – in immer stärkerem Ausmaß – die Auswirkungen der Klimaänderungen zu spüren. Die Folgen betreffen nicht alle gleich. Eine aktuelle Studie des Sozialministeriums zeigt besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen auf und leitet Empfehlungen für eine sozial verträgliche Klimapolitik ab.
Nicht nur auf der globalen Ebene, auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft gibt es Ungleichheiten im Hinblick auf Lebensstile, Einkommensverhältnisse und Ressourcenverbrauch. Wie Menschen dem Klimawandel gegenüberstehen und ob und in welcher Weise sie bereit sind, entsprechende Strategien tatsächlich umzusetzen oder verfügbare Ressourcen zur Anpassung zur Verfügung zu stellen, hängt stark von den jeweiligen sozialen Bedingungen der Betroffenen, von individuellen Voraussetzungen sowie dem gesellschaftlich-kulturellen Umfeld ab. Der Klimawandel hat das Potenzial, bereits bestehende Ungleichheiten zwischen Bevölkerungsgruppen weiter zu verschärfen oder neue Ungleichheiten zu schaffen.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Sozialministeriums beschäftigt sich mit den wesentlichsten Herausforderungen in Bezug auf die sozialen Aspekte des Klimawandels. Der Bericht betrachtet sowohl die Folgen des Klimawandels als auch die Folgen klimapolitischer Maßnahmen und leitet daraus allgemeine Empfehlungen für eine sozial verträgliche Klimapolitik ab.
Als besonders von den Folgen des Klimawandels betroffene Gruppen werden Personen mit niedrigem Einkommen, armuts- oder ausgrenzungsgefährdete Personen, von Energiearmut betroffene Personen, ältere Menschen, Kinder, chronisch kranke Personen, Menschen mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung sowie Frauen und Personen mit niedrigem Bildungsstand angeführt. Durch den demografischen Wandel kann sich die gesamtgesellschaftliche Verwundbarkeit erhöhen. Des Weiteren gibt es regionale und Stadt-Land Unterschiede bezüglich der Betroffenheit.
Um die sozialen Auswirkungen von klimapolitischen Maßnahmen aufzuzeigen, wird eine Bewertungsmatrix herangezogen. Diese veranschaulicht, wie (=Auswirkungen) wer (=Vulnerabilitätsmerkmale) warum (=Wirkungsprozesse) von einer Maßnahme betroffen ist. Die Auswirkungen zeigen, ob eine bestimmte Gruppe durch klimapolitische Maßnahmen überproportional schlechter- oder bessergestellt wird. Vulnerabilitätsmerkmale sind ausgewählte sozioökonomische Merkmale, die benachteiligte Gruppen aufweisen. Wirkungsprozesse sind kausale Dynamiken, die zeigen, wie sich eine Maßnahme auf Betroffene auswirkt.
Der Grad der Betroffenheit durch klimatische Veränderungen ergibt sich dabei aus der Schnittmenge der konkreten Folgen des Klimawandels wie z.B. Hitzewellen, Naturgefahren, der Verlängerung der Allergiesaison, und von Vulnerabilitätsmerkmalen. Personen können sowohl von mehreren Klimafolgen betroffen sein, als auch mehrere Vulnerabilitätsmerkmale aufweisen. Insgesamt wurden 13 Vulnerabilitätsmerkmale identifiziert wie unterstes Einkommensquintil, armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, energiearm, alleinerziehend, Migrationshintergrund, mit niedrigem Bildungsstand etc.
Elf ausgewählte Maßnahmen werden detailliert in Steckbriefen beschrieben und hinsichtlich ihrer sozialen Auswirkungen, Wissenslücken und der Anwendbarkeit diskutiert. Ein Steckbrief befasst sich z.B. mit der Begrünung von Gebäuden, um den Temperaturanstieg in Städten abzufedern und die Problematik von Hitzeinseln zu entschärfen. Für die Errichtung von Gebäudebegrünungen bestehen Förderungen, dennoch besteht ein hoher finanzieller Aufwand für die Betroffenen, auch die laufenden Instandhaltungskosten sind zu berücksichtigen. Durch die Umsetzung von Begrünungen kann es zu einer Aufwertung von Stadtvierteln kommen, die sich durch höhere Miet- und Kaufpreise äußern kann. Einkommensschwache Personen können dadurch in billigere und schlechtere Wohngegenden verdrängt werden. Die entsprechenden Förderungen dürften aktuell vor allem eine gut gebildete Mittelschicht erreichen, die ein ausreichendes Investitionsvermögen und Informationszugang hat. Um Städte vor Sommerhitze zu schützen und sozio-ökonomisch benachteiligte Gruppen nicht in baulich minderwertige Wohnviertel zu verdrängen, bräuchte es daher generell umfassende und großflächige Gebäudebegrünungen.
Empfehlungen
Um eine sozial verträgliche Klimapolitik in Österreich zu forcieren, schlägt die Studie als Fazit eine Reihe von Empfehlungen vor:
- Klimapolitik konkretisieren: In fast allen Klimastrategien auf Bundes- und Ländereben findet sich das Ziel einer sozial verträglichen Klimapolitik. Konkrete Handlungsschritte für eine horizontale und vertikale Integration von Klima- und Sozialpolitik werden jedoch kaum beschrieben. Hier besteht Handlungsbedarf.
- Maßnahmen kombinieren: Förderungen alleine sind nicht ausreichend, da sie vor allem Haushalte mit höheren Einkommen und entsprechendem Investitionsvermögen erreichen. Empfohlen wird ein Maßnahmenbündel, das neben Förderungen z.B. auch Steuern, Preisanreize und Beratungsgebote beinhaltet.
- Zentrale Vulnerabilitätsmerkmale berücksichtigen: Mit Vulnerabilitätsmerkmalen wird beschrieben, welche sozialen Gruppen von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen sind. Folgende Vulnerabilitätsmerkmale sind besonders relevant: geringes Einkommen, Alter über 65 Jahre, gesundheitliche Einschränkungen, Migrationshintergrund und niedriger Bildungsstand. 56 % der österreichischen Bevölkerung (über 15 Jahre) weisen zumindest eines dieser Merkmale auf und unterliegen daher dem Risiko, von den Folgen des Klimawandels oder den Wirkungen von klimapolitischen Maßnahmen überproportional betroffen zu sein. Diese Gruppen sind bei der Abschätzung und Abfederung sozialer Folgen besonders zu betrachten.
- Treffsicherheit verbessern: Bei klimapolitischen Maßnahmen, die sich an Personen oder Haushalte richten, sollte auf bessere Treffsicherheit geachtet werden.
- Strukturen verbessern: Strukturelle Verbesserungen, z.B. durch angepasste Gebäudestandards oder den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, sollten wesentliche Elemente einer sozial verträglichen Klimapolitik bilden. Auch können universelle Maßnahmen eher Verbesserungen erreichen, die allen Menschen in Österreich zu Gute kommen.
- Politikfelder horizontal integrieren: Klimawandel und soziale Ungleichheit sowie in der Folge auch Klima- und Sozialpolitik sind eng miteinander verschränkt. Eine verstärkte horizontale Zusammenarbeit und Verzahnung der Politikfelder Soziales und Klima ist anzustreben. (MB, Februar 2022)