EWA-Wassermanifest 2020

Die Auswirkungen des Klimawandels stellen den Wassersektor vor enorme Herausforderungen. Mit ihrem im Juni erschienenen Wassermanifest 2020 macht die Europäische Wasservereinigung (EWA) auf die aktuellen Herausforderungen für das Wassermanagement in Europa aufmerksam und unterbreitet Vorschläge für nachhaltige Lösungen. 

Die European Water Association (EWA) ist eine unabhängige und gemeinnützige Nichtregierungs-Organisation, die sich mit dem Management und der Verbesserung der Wasserumwelt befasst. Ein Ziel der Europäischen Wasservereinigung ist es, durch Wissensaustausch zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft, einer sicheren Wasserversorgung und zum Schutz der Wasser- und Bodenumwelt beizutragen. Heute besteht die EWA aus 22 europäischen nationalen Wasser- und Abwass

Im Rahmen ihrer Jahreskonferenz in Brüssel übergibt die EWA üblicherweise ihre Positionspapiere der EU-Kommission und anderen relevanten Personen. Bedingt durch COVID-19 wurde das diesjährige EWA-Wassermanifest im Juni elektronisch präsentiert.

Luftblasen auf Wasseroberfläche

Das EWA-Wassermanifest 2020

Mit dem „Water Manifesto 2020“ legt die EWA den Fokus auf den Klimawandel und seine größten Herausforderungen an die Wasserwirtschaft. Naturbasierte Lösungen für die Wasserinfrastruktur, die Finanzierung von notwendigen Investitionen in Wasserdienstleistungen, die Digitalisierung und das Wasserbedarfsmanagement sind die Themen des Manifests.

Naturbasierte Lösungen als Reaktion auf den Klimawandel

Erhöhte Hochwassergefahr und häufigere Dürreperioden sind als Folgen des Klimawandels direkt und deutlich spürbar. Traditionell ist die Wasserwirtschaft stark abhängig von klassischen „grauen“ Infrastrukturlösungen wie Dämmen, Kanälen, Deichen, Pumpen, Rohren und Behandlungsanlagen. Durch die Auswirkungen des Klimawandels rücken jedoch Lösungen in den Vordergrund, die sich die Fähigkeit der Natur zunutze machen, Wasser zurückzuhalten und zu speichern.

Zu naturbasierten Lösungen gehören beispielsweise neue Konzepte für Stadtentwässerungen, eine "blau-grüne" städtische Regenwasserinfrastruktur, die Errichtung durchlässiger städtischer Flächen, grüne Dächer, die Wiederherstellung von Wiesen und Überschwemmungsgebieten oder die Wiederanbindung von Feuchtgebieten. Diese Lösungen sind typischerweise multifunktional und bieten eine Vielzahl von Vorteilen, sowohl für die Wasserwirtschaft als auch für das Hochwasserrisikomanagement, zusätzlich zum Schutz vor zu viel oder zu wenig Wasser.

Die EWA fordert daher für die Wasserinfrastruktur flexible, multifunktionale, naturbasierte Lösungen kombiniert mit Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen Extremereignisse. Weiters wird der Einsatz von naturnahen Lösungen zur Wiederherstellung von Ökosystemen und ihren Leistungen zur Erreichung des guten ökologischen Zustands nach WRRL verlangt.

Finanzierung von Investitionen in die Wasserversorgung

Die Anpassung der Wasserinfrastruktur an die Herausforderungen des Klimawandels hat neben den klassischen Aufgaben wie der Trinkwasserbereitstellung und der Abwassersammlung und Entsorgung die Entwässerung von häufiger auftretenden Starkregenfällen zu bewältigen. Neue technische und multifunktionale Systeme machen langfristige Planung und beträchtliche Investitionen notwendig. Wo möglich, sollen flexible, grüne Lösungen gewählt werden, die von künftigen Generationen entsprechend den Entwicklungen angepasst werden können, um Kosten zu sparten. Einer verbesserten Harmonisierung mit anderen europäischen Regelungen (Landwirtschaft, Chemikalien, Energie, Verkehr und so weiter) und die schrittweise Einstellung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe käme für die Behandlung von kommunalem Abwasser eine bedeutende Rolle zu. Es soll sichergestellt werden, dass Wasserdienstleistungen für alle erschwinglich bleiben, aber gleichzeitig ein echter Anreiz für nachhaltiges Verhalten und technologische Innovationen geschaffen wird.

Vermögensverwaltung und Digitalisierung der Wasserinfrastruktur

Die Wasserrahmenrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten eine Wasserpreispolitik, die dem Verursacher- und dem Kostendeckungsprinzip folgt. Die meisten Wassertarife in der EU decken nur die Kosten des täglichen Betriebs, nicht aber die Kosten der Digitalisierung, des Wiederaufbaus und des Ersetzens bestehender Einrichtungen am Ende ihrer Nutzungsdauer. Die Kosten für die Bereitstellung von Wasserdienstleistungen, die heute nicht abgedeckt werden, werden durch öffentliche Subventionen getragen oder an künftige Generationen weitergegeben.

Daher fordert die EWA den Einsatz der Digitalisierung als Instrument zur Vermögensverwaltung und Verbesserung der Ressourcen- und Wassereffizienz. Durch digitale Daten unterstützte Managementsysteme ermöglichen geeignete Finanzierungsstrategien und eine transparente Preisgestaltung. Bessere Umsetzung des Kostendeckungsprinzips und angemessene Tarifsysteme mit sozialen Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Tarife für alle erschwinglich sind. Weiters verlangt die EWA die starke Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen für den digitalen Übergang, den Wissensaustausch innerhalb der Wassergemeinschaft und eine abgestimmte Ausbildung im Bereich der Wasserdienstleistungen.

Steigerung des Wasserbedarfsmanagements

Das steigende Bevölkerungswachstum, die Urbanisierung und die Auswirkungen des Klimawandels in Bezug auf den Wasserkreislauf machen es dringend notwendig, auf die Steuerung der Wassernachfrage und Integration des Wassermanagements in die Kreislaufwirtschaft zu fokussieren. Der Wasserbedarf muss reduziert werden.

Zuerst müssen korrekte Messungen des Wasserverbrauchs vorhanden sein. Zweitens müssen Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs ergriffen werden (zum Beispiel wasserarme Waschmaschinen und Toiletten, wassersparende Bewässerungsmethoden, industrielle Technologien), insbesondere in Gebieten mit permanenter oder saisonaler Wasserknappheit. Maßnahmen zur Verringerung des Wasserverbrauchs könnten Einschränkungen für die Verwendung von Trinkwasser für Gartenarbeiten, Autowaschen, Straßenreinigung, Toilettenspülung und ähnliche Zwecke umfassen. Ergänzend könnten Anreize für den Ersatz von Trinkwasser für diese Zwecke geschaffen werden. Die Menschen sollen auf geeignete Weise motiviert werden, Wasser und Geld zu sparen. Nicht zuletzt müssen die Wasserpreise angepasst werden, ohne das Konzept des Wassers als gemeinsame Ressource zu gefährden.

Die EWA fordert die Zivilgesellschaft und alle relevanten Interessengruppen auf, zur Umsetzung solcher Lösungen beizutragen. Zudem fördert sie den ständigen Dialog zwischen den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern und den nationalen und regionalen Behörden. (IK, September 2020)