Wenn im Tiefland Flüsse (fast) trocken fallen

Naturnahe Fließgewässer sind vielfältige artenreiche Lebensräume und erfüllen wichtige Funktionen für den Menschen. Sie sind Erholungsraum, verbessern die Wasserqualität und dienen als natürlicher Hochwasserschutz. Wenn sich das kühle Nass in Hitzeperioden erwärmt, ändert sich auch dessen Chemie. Projekt „lowflow+“ ging diesem Phänomen auf den Grund.

Logo lowflow+

Sommerliche Niederwasserperioden senken nicht nur den Wasserspiegel, sondern potentiell auch die ökologische Qualität eines Tieflandflusses.

Mit dem Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit von Dürreperioden. Tieflandflüsse verlieren dann an Wassertiefe bei gleichzeitig hohen Lufttemperaturen. Die verringerte Wassermenge erhitzt sich schneller. So eine Erwärmung des Wassers verschiebt physikalische und chemische Gleichgewichte. (Anschauliche Beispiele dafür sind der rasche Kohlensäureverlust warmer Erfrischungsgetränke oder das raschere Verderben von Lebensmitteln ohne Kühlung.) Das vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekte (ACRP) lowflow+ befasste sich mit genau diesen Phänomenen.

Zwar sind die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Temperatur und chemischen Abläufen oder biologischen Prozessen prinzipiell gut bekannt. Begibt man sich aber auf die Ebene eines komplexen (Öko)systems, zeigt erst der Weg ins Freiland, wie sehr die Hypothesen an die Dynamik und Eigenart jedes Fließgewässers angepasst werden müssen. Diese Überprüfung in natura ist umso wichtiger, wenn mithilfe mathematischer Modelle ein Blick in die (Klima)zukunft gewagt wird. Nicht zuletzt, so das Forschungsteam, verdiene eine Niederwasserstrategie ebensolche Aufmerksamkeit wie ein Hochwassermanagement, wenn die Ressource Fließgewässer nachhaltig gesichert werden soll.

Die Pinka als ökologisches Freilandlabor

Das Forschungsteam um Hans Peter Rauch und Gerda Kalny wählte die Pinka als Versuchsobjekt: der Fluss schlängelt sich durch das pannonische Tiefland im Südosten Österreichs und damit in einer Region, von der die ForscherInnen rund 2 °C Erwärmung des Flusswassers während ausgeprägter Hitzeperioden erwarten. Die ExpertInnen beschränkten ihre Fragestellung nicht auf das Messen der Wasserqualität, sondern verfolgten einen breiten Ansatz, der neben der Flussmorphologie auch Ufervegetation, Fließgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung, Terrain u. a. m. in das Rechenmodell einspeist. Die ForscherInnen wählten zudem einen Flussabschnitt, an dem sie den menschlichen Einfluss über Kraftwerke, landwirtschaftliche Wasserentnahme und Tourismus untersuchen konnten. Damit werden beispielsweise mögliche Nutzungskonflikte erkannt.

2 Grad plus

Laut den Modellrechnungen der ForscherInnen steigt die Wassertemperatur des untersuchten Abschnittes bis 2080 um rund 2 °C – der Durchschnittstemperatur wohlgemerkt, nicht nur des Maximums an extrem heißen Tagen. Wie eingangs erwähnt, beeinflusst das sämtliche abiologischen und biologischen Vorgänge vom Sauerstoffgehalt bis hin zum Stoffwechsel der Wasserorganismen. Die Ufer- und Sohldynamik von mehr als der Hälfte dieses Abschnittes befindet sich durch menschlichen Einfluss in den schlechtesten Zustandsklassen 4 und 5 (d.h. naturferner bzw. naturfremder Zustand). Ursache sind unter anderem mehrere Staukraftwerke. Die gute Nachricht: durch die Forschungsaktivitäten im Rahmen von lowflow+ wurden Datengrundlagen und Rechenmodelle geschaffen, die den speziellen Risiken einer Klimaerwärmung für Tieflandflüsse vorbeugen helfen. (März 2016)

Weiterführende Informationen:

Projektkoordination: Reinhard Koch, ÖkoEnergieland 

Wissenschaftliche Projektleitung:
Hans Peter Rauch
Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau IBLB, BOKU Wien 

Projektpartner:

Projektlaufzeit: 04.2013 - 03.2015