Klimafitte Sorten für die Landwirtschaft
Steigende Temperaturen, Starkniederschläge und Hagelereignisse machen den heimischen Ackerbaukulturen immer mehr zu schaffen. Ertragsminderungen sind oft die Folge. Es besteht akuter Handlungsbedarf, denn schließlich geht es um unsere Ernährungssicherheit. Der Einsatz angepasster Sorten kann einen wesentlichen Beitrag dazu liefern.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen von einem durchschnittlichen Ertragsverlust von 4,9 % pro 1 °C Erwärmung beziehungsweise von 5 % Verlust bei einem Niederschlagsrückgang von 10 % aus. Die Landwirtschaft, als einer der Hauptverursacher der Klimakrise, zählt somit zu den am stärksten betroffenen Sektoren durch die Folgen des Klimawandels.
Eine mögliche Anpassungsmaßnahme ist die Züchtung angepasster Sorten, die auch unter schwierigen Bedingungen hohe Erträge und gute Qualitäten erzeugen. Das BMLRT fördert dazu gemeinsam mit den Bundesländern seit 2017 ein eigenes Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit jährlich 1 Million Euro. Umgesetzt wird das Projekt mit dem Namen KLIMAFIT durch die Saatgut AUSTRIA und die AGES. Seit 2017 wurden in dessen Rahmen auf 238 Standorten im In- und Ausland Nutzpflanzen selektiert. Im Hauptfokus stand dabei die Widerstandfähigkeit gegenüber Trockenstress, aber auch gegenüber Starkregenereignissen sowie eine Verbesserung der Krankheitsresistenz, um den Pflanzenschutzmitteleinsatz im Sinne der „Farm-to-Fork-Strategie“ nachhaltig zu reduzieren. Insgesamt 450 Zuchtlinien aus 16 Kulturartengruppen gelangten bereits zur Prüfung für die Sortenzulassung. Nachfolgend auszugsweise der aktuelle Stand bei den einzelnen Kulturen:
Winterweizen: Da die Sommerweizenproduktion in Österreich seit Jahren rückläufig ist, ist von einer Ausweitung des Winterweizenanbaus auszugehen. Vorteile dabei sind die längere Vegetationszeit, die sich in höheren Erträgen niederschlägt, sowie die Nutzung der Winterfeuchte. Im pannonischen Gebiet wird vor allem Winterweizen für die Produktion von Qualitätsweizen mit hohen Backeigenschaften angepflanzt. Dabei wurden bisher auch trockenheitsbedingte Ertragsminderungen in Kauf genommen. Der Fokus der neuen Winterweizen-Zuchtlinien liegt daher auf einer verbesserten Trockenstress-Toleranz bei gleichbleibend guten Qualitätseigenschaften. Im Rahmen von KLIMAFIT zeigte sich, dass etablierte Standardsorten merklich mit trockenen Bedingungen zu kämpfen hatten. Vor allem die Sorten Aurelius und Bernstein fielen im Trockenstressversuch deutlich ab. Neue Zuchtlinien zeigten jedoch durchgängig vielversprechende Ertragsergebnisse sowohl unter Normal- als auch unter Trockenstressbedingungen – ein Hinweis auf eine hohe Ökostabilität, welche sehr erwünscht ist.
- Sommerweizen: Wie bereits oben beschrieben, ist der Anbau von Sommerweizen in Österreich generell rückläufig. Grund dafür sind die in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Frühjahrstrockenepisoden. Da Sommerweizen jedoch als Ausgleichskultur genutzt werden kann, wenn Winterschäden bei Winterkulturen auftreten, wurden auch Sommerweizenzuchtversuche umgesetzt. Es kristallisierten sich einige Zuchtlinien heraus, mit vielversprechenden Eigenschaften hinsichtlich Ertrag und Qualität.
- Sommergerste: Sommergerste spielt eine sehr wichtige Rolle für die Bierproduktion. Sehr wünschenswert für den Brauprozess, und damit auch ein Zuchtziel, ist ein geringer Proteingehalt. Der Anbau hat jedoch aufgrund der zunehmend heißeren und trockeneren Sommer in Österreich in den letzten Jahren an Relevanz verloren.
- Wintergerste: Im Gegenzug zu Sommergerste ist der Anbau von Wintergerste steigend. Kultiviert werden die zweizeilige und die mehrzeilige Wintergerste. In den im Rahmen von KLIMAFIT angelegten Versuchen lieferte die Wintergerste deutlich höhere Erträge als die Sommergerste. Winterungen können die Winterfeuchte besser ausnutzen, reifen früher ab und umgehen so die heißen Sommermonate. Als Braugerste steht vor allem die zweizeilige Gerste im Fokus. Sie erreicht die Mindestqualitäten unter Extrembedingungen (Dürre mit anschließender Notreife) zuverlässiger als die mehrzeilige Gerste. Außerdem hat die mehrzeilige Wintergerste eher mit geringerer Standfestigkeit zu kämpfen, was vor allem bei Starkregenereignissen zu Halm- und Ährenknicken führen kann.
- Triticale: Wintertriticale kommt ganz gut mit Trockenstress zurecht. Zuchtziel hier sind konstante, stabile Sorten, die auch bei wechselnden klimatischen Bedingungen hohe Ertragsleistungen erbringen (also sowohl unter Normalbedingungen als auch unter Trockenstress (diese Eigenschaft bezeichnet man als „ökostabil“). Der Kornertrag ist dabei ein wesentliches Merkmal der Pflanze, wie gut sie mit Trockenstress umgehen kann. Weiters ist der Zeitpunkt des Ährenschiebens von Interesse. Ein frühes Ährenschieben kann die Frühjahrsfeuchte effizienter nutzen, es kommt zu einer früheren Reife der Körner. So können die in Zukunft verstärkt auftretenden Trockenperioden vor allem in späten Frühlingsmonaten und frühen Sommermonaten umgangen werden.
- Winterroggen: Roggen hat eher eine untergeordnete Bedeutung im österreichischen Ackerbau. Einige Zuchtlinien wiesen eine gute Ertragsleistung unter geringem Trockenstress auf, aber auch Standardsorten wie KWS Berado oder KWS Receptor lieferten ausgesprochen gute Ertragsdaten.
- Sommerhafer: Hafer verfügt über eine nur geringe Frosttoleranz. Daher wird in Österreich fast ausschließlich Sommerhafer angebaut. Dieser benötigt für Keimung und während des Schossens ausreichend Feuchtigkeit. Winterhafer würde aufgrund der längeren Vegetationsperiode prinzipiell ein höheres Ertragspotential aufweisen. Er ist in Zukunft bei zunehmend milderen Wintern eine interessante Option.
- Rispenhirse: Hirse ist wärmeliebend und kommt gut mit längeren Trockenperioden zurecht. Das Korn enthält kein Gluten und ist somit eine hochgradig relevante Kulturart. Auch wenn die Rispenhirse derzeit noch eine relativ unbedeutende Kulturart ist, ist eine Ausweitung der Anbauflächen in Österreich zu erwarten. Es besteht auch die Möglichkeit für den Anbau als Zweitkultur. Sorten mit späterer Reife können für den Anbau als Hauptfrucht entwickelt werden.
- Mais: Ein Jahr mit ausreichender Sommerfeuchtigkeit ist ein gutes Jahr für die Maisproduktion, jedoch ein schlechtes Jahr für die Selektion von trockenstresstoleranten Zuchtlinien. Starkniederschläge erlaubten aber eine Selektion hinsichtlich Standfestigkeit. Ein Versuch wurde sogar durch ein massives Hagelereignis vollständig zerstört. Beim Mais unterscheidet man zwischen frühen/mittelfrühen, mittelspäten/späten Körnermais und Silomais. Beim Maisanbau ist die Wahl der richtigen Reifegruppe entscheidend. In warmen Gebieten sind Sorten mit hoher Reifezahl zu wählen, da dort der Mais mehr Zeit zum Abreifen hat. In kälteren Lagen muss man auf eine niedrigere Reifezahl achten. Sonst erfolgt eine Ernte mit zu hoher Kornfeuchtigkeit, die eine kostenaufwendige Trocknung erforderlich macht. Bei zu niedrigen Reifezahlen kann hingegen das Ertragsmaximum nicht erreicht werden.
- Sojabohne: Der Anbau der Sojabohne hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Eine weitere Steigerung ist zu erwarten. Auch Sojasorten werden hinsichtlich ihrer Reifegruppen unterschieden: extrem frühreif, sehr frühreif, frühreif und mittelspät. Frühreife Sorten sind besonders für den pannonischen Raum geeignet. In Grenzlagen sollte man besser zu extrem frühreifen oder sehr frühreifen Sorten greifen. Mittelspäte Sorten sind nur für Gunstlagen in Österreich geeignet. Die Sojabohne bevorzugt feuchtwarmes Wetter. Eine mangelhafte Wasserversorgung beim Anbau kann zum ertragsbegrenzenden Faktor werden. Weitere wichtige Selektionsmerkmale sind der Rohproteingehalt, die Wuchshöhe sowie die Neigung zur Lagerung. Eine gute Standfestigkeit ist insbesondere in niederschlagsreichen Anbaulagen von Bedeutung. Eine kurze Wuchshöhe wirkt sich positiv auf die Standfestigkeit aus, allerdings scheinen kurzwüchsige Sorten auf Trockenstress mit niedrigerem Ertrag zu reagieren. Der Fokus liegt derzeit auf extrem frühreifen Zuchtlinien, die eine Erweiterung der Anbauflächen ermöglichen würden.
- Ölkürbis: Ölkürbisse sind die Grundlage für die Produktion von Kürbiskernöl. Diese sehr beliebte heimische Kulturart wurde durch jahrelange Züchtungsarbeit gut an österreichische Standorte angepasst. Dennoch ist bei dieser wärmeliebenden Kulturart bei fortschreitendem Klimawandel in Trockengebieten mittel- bis langfristig mit Ertragseinbußen zu rechnen. Zuchtziel ist daher die Verbesserung der Trockenstresstoleranz. Hybridsorten erwiesen sich als ertragsstärker als frei abblühende Sorten. Weitere Merkmale, auf die geachtet werden, sind Virussymptome an Blättern oder Fruchtsymptome, wie die Fruchtfäuletoleranz.
- Ackerbohne: Wird sie als Winterung angebaut (Aussaat Mitte Oktober) kann die Ackerbohne optimal die Winter- und Frühjahrsfeuchte ausnutzen und somit einen deutlichen Entwicklungsvorsprung gegenüber der Sommerackerbohne im Frühjahr und Frühsommer aufweisen. In den Sommermonaten würde sie auch Dürreperioden mit geringeren Ertragseinbußen überstehen. Da mit milderen Wintern zu rechnen ist, laufen hier Züchtungsbemühungen. Ein Großteil der Versuche wurde jedoch für Sommerungen angelegt. Leider zog über einen Standort ein Jahrhundertunwetter mit 94 l/m² in 45 Minuten, gefolgt von mehreren Starkregenereignissen im Juli. Die Folgen waren massive Verschlämmung, Erosion, Wasserstau im Boden und starker Druck durch Wurzelkrankheiten – weitere Umweltfaktoren, mit denen Pflanzen in Zukunft zurechtkommen müssen.
- Sonnenblume: Auch bei den Sonnenblumenversuchsflächen lief es nicht wie gewünscht: Am rumänischen Standort war der Trockenstress so intensiv, dass eine Ernte nicht möglich war. Um zukünftig in trockenen Vegetationsperioden weiterhin ertragsstarke Sonnenblumensorten anbauen zu können, ist eine Selektion auf hohen Kornertrag unter Trockenstressbedingungen unabdingbar. Wichtig sind auch Eigenschaften wie die Erntefeuchte, die Wuchshöhe, der Ölgehalt, die Jugendentwicklung, der Blühbeginn, die Lagerung, Stängelknicken oder Befall durch Sclerotina.
- Körnererbse: Bei den Körnererbsen schnitten die Standardsorten gut ab. Aber auch Zuchtlinien zeigten im Versuch mit niedrigem Trockenstress gesteigerte Ertragsleistungen. Es sind noch weitere Anbauversuche notwendig, bis eine Anmeldung zur Wertprüfung möglich ist.
- Raps: Auffallend beim Raps waren das schlechte Abschneiden der Standardsorten Harry und Randy. Die Zuchtlinien wiesen hier sowohl unter Trockenstress- als auch unter Normalbedingungen deutlich gesteigerte Erträge auf. Raps leidet besonders unter Trockenstress im Frühjahr (März bis Mai), in der Hauptwachstumsphase. Empfindliche Genotypen reagieren in diesem Zeitraum auf Stress mit einem deutlich reduzierten Schotenansatz an den Triebspitzen. Selektionen hinsichtlich dieses Merkmals konnten vorgenommen und Zuchtlinien zur Wertprüfung angemeldet werden.
- Kartoffel: Durch Trockenheit kann es zu Auflaufverzögerungen kommen. Herrscht feuchtes Wetter vor, kommt es vor allem auf Bioflächen zu starkem Auftreten von Phytophthora. Bei einigen Genotypen kam es auch zu Fäulnis im Lager, weil die Knollen sehr feucht eingefahren wurden. Neben diesen beiden Eigenschaften hat weiters die Verwertung der Kartoffel eine bestimmende Rolle für die Selektion. Hitze und Trockenheit wirken sich nicht nur auf den Ertrag, sondern auch auf die Speise- und Verarbeitungsqualität aus. Für Speiseerdäpfel spielen vor allem der Geschmack und die Optik der Knollen eine wichtige Rolle. In einem trockenen Frühjahr können viele Risse an den Knollen entstehen, außerdem werden die Knollen sehr groß. Beides ist für Speisekartoffeln bzw. für die Verarbeitung nicht erwünscht. Niedrige Stärkewerte sind gut für die Chips- bzw. Pommes-Frites-Produktion.
Dass angepasste Sorten Ertragsminderungen ausgleichen können, ja die globale Produktion dadurch sogar deutlich gesteigert werden kann, dazu kam auch eine im Mai 2021 veröffentlichte Studie von Dr. Florian Zabel von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und einem internationalen ForscherInnenteam. In Computermodellen wurde der Effekt des Klimawandels unter unterschiedlichen sozioökonomischen Entwicklungen auf die globale Produktion von Mais, Reis, Soja und Weizen simuliert. Das Team ging auch der Frage nach, welchen Einfluss die Verwendung lokal angepasster Sorten auf die Erträge hat.
Das Ergebnis: Im ungünstigsten Klimaszenario (RCP8.5) müssten auf 39 % der globalen Ackerflächen neue, lokal angepasste Sorten angebaut werden, um Ertragseinbußen zu vermeiden. Teilweise würden Eigenschaften notwendig sein, die es heute noch gar nicht gibt. Auch heute hochintensive Anbauregionen, wie der amerikanische Corn Belt, eines der weltweit wichtigsten Anbaugebiete für Mais, wären betroffen. In einigen Regionen, wie in der Türkei, im Nordosten Brasiliens, in Texas, Kenia oder in Teilen Indiens, könnte aufgrund von Trockenheit eine Sortenanpassung gar nicht möglich sein. Bessere Aussichten bestehen für Teile Europas, China und Russland.
Bei einer Temperaturerhöhung von bis zu 2 °C sollte laut Studie eine Anpassung der Sorten zur Sicherung der Ernährung ausreichen. Steigt die Temperatur um mehr als 2 °C wären zusätzliche Maßnahmen wie die Bewässerung der neuen Zuchtlinien ebenfalls erforderlich, um Produktionsverluste auszugleichen. Wird das 1,5 °C Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens eingehalten, könnten 85 % der derzeit bewirtschafteten Anbauflächen mit bestehenden Sorten optimal weiterbewirtschaftet werden.
Fazit: Je stärker die Klimaerwärmung, desto mehr neue Sorten werden benötigt, desto höher ist aber auch das Risiko, dass keine lokal angepassten Sorten zur Verfügung stehen. Die Entwicklung lokal angepasster Sorten ist besonders wichtig für Regionen, in denen die Landwirtschaft ein wichtiger sozioökonomischer Faktor ist. Nur so können Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft, Beschäftigung, Gesellschaft und Kultur vermieden werden.
Da konventionelle Züchtungsmethoden bis zu 30 Jahre in Anspruch nehmen, könnten eine partizipative Pflanzenzüchtung (z. B. unter Einbeziehen der Expertise von Landwirtinnen und Landwirten) neben anderen Methoden die Zucht beschleunigen. Neben der Sortenanpassung stehen aber auch andere Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung: Aussaattermine können geändert oder längere Wachstumsperioden genutzt werden. Auch kann eine Umstellung auf andere Kulturen angedacht werden, allerdings unter Berücksichtigung der regionalen VerbraucherInnenpräferenzen, der Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Ökosysteme sowie einer eventuellen Anpassung der Lieferketten. Regionsspezifische Züchtungsbemühungen, wie sie im Rahmen von KLIMAFIT stattfinden, sind jedenfalls enorm wertvoll, um eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu ermöglichen. (MO, September 2021)
Weitere Informationen
Zabel F, Müller C, Elliott J, et al. Large potential for crop production adaptation depends on available future varieties. Glob Change Biol. 2021;27:3870-3882. http://doi.org/10.1111/gcb.15649
Welternährung: Neue Sorten für Anpassung an den Klimawandel erforderlich