Künstliche Beschneiung und Erfolgsstrategie für Transformation
In StartClim werden jährlich aktuelle Fragestellungen zum Klimawandel speziell zur Anpassung bearbeitet. Die Projekte in StartClim2018 spannen einen thematischen Bogen und befassen sich mit künstlicher Beschneiung, Unternehmensstrategien für Klimaschutz, Synergien und Nutzungskonflikten sowie bewusstseinsbildenden Maßnahmen.
Anpassung an den Klimawandel ist eine komplexe und langfristige Aufgabe, die uns noch viele Jahre begleiten wird. Das seit 2003 laufende Forschungsprogramm StartClim hat sich in der vergangenen Förderperiode in 5 Projekten mit unterschiedlichen thematischen Fragestellungen befasst. Diese beschäftigen sich mit künstlicher Beschneiung, Unternehmensstrategien für Klimaschutz, Synergien und Nutzungskonflikten sowie bewusstseinsbildenden Maßnahmen.
Kühlungseffekte künstlicher Beschneiung auf den Strahlungshaushalt (SnowAlb)
Künstliche Beschneiung von Pisten ist heute in Österreich üblich, um die Abhängigkeit von Naturschnee zu verringern und ausreichend lange Betriebszeiten von Skigebieten sicherzustellen. Diese Maßnahme führt zu einer längeren geschlossenen Schneedecke auf den Skipisten und erhöht dadurch grundsätzlich auch die Rückstrahlung des Sonnenlichtes – die Albedo. Da weniger Sonnenenergie am Boden in Wärme umgewandelt wird, kommt es zu einer lokalen Abkühlung, die Befürworter einer künstlichen Beschneiung in der klimapolitischen Diskussion mitunter auch positiv ins Treffen führen.
Die Forscherinnen und Forscher des Instituts für Meteorologie und Klimatologie an der BOKU haben in Zusammenarbeit mit der ZAMG den Strahlungshaushalt und Abkühlungseffekt im Skigebiet Saalbach-Hinterglemm analysiert. Ziel war es, den Berechnungen möglichst realitätsnahe Annahmen zugrunde zu legen und die Ergebnisse mit einer Untersuchung aus 2017 zum Kühleffekt künstlicher Beschneiung zu vergleichen. Bei der Untersuchung aus 2017 kamen im Gegensatz zum aktuellen Forschungsprojekt stark vereinfachte Methoden zur Anwendung.
Die Forscherinnen und Forscher setzten diesmal ein dreidimensionales Strahlungsmodell des Gebiets ein und berücksichtigten neben der Albedowirkung auch Abschattungseffekte, die Wirkung von Bäumen entlang der Pisten (Canyon-Effekt), Mehrfachreflexionen an Gegenhängen sowie die natürliche Schneelage. Das Ergebnis: Der Kühleffekt künstlicher Beschneiung ist deutlich geringer als angenommen. Das Forscherteam konnte zeigen, dass das verwendete Modell – im Gegensatz zu einfachen Strahlungsmodellen – geeignet ist, die Albedo in einem Gebirgsraum mit Schneebedeckung im Winter realistisch – ohne systematische Überschätzungen des Kühleffekts – zu beurteilen.
Unternehmensstrategien für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
Das Pariser Klimaübereinkommen bedeutet einen weitgehenden Ausstieg aus fossilen Energieträgern für Wirtschaft und Gesellschaft. Umweltbundesamt-Expertinnen und -Experten untersuchten nationale und internationale Strategien, mit denen Synergien zwischen Klimaschutz, Klimawandelanpassung und der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen besonders gut erreicht werden können. Der Fokus lag auf Branchen mit besonders großen Herausforderungen, wie der energieintensiven Industrie, dem Gebäude- und Verkehrsbereich.
Mittels Literaturrecherche und Interviews von 12 Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft konnte das Expertenteam die wichtigsten innovativen Strategien herausarbeiten und auf ihre Umsetzbarkeit in Österreich analysieren. Beispiele inkludieren neue Technologien wie Power-to-Gas und die Stahlerzeugung mit Wasserstoff, Produkte wie Wärmepumpen oder CO2-arme Zemente und neue Geschäftsmodelle in den Bereichen Recycling oder Energiedienstleistungen.
Einige der Ansätze sind laut Befragten bereits jetzt wirtschaftlich interessant für Industrie und Verbraucherinnen und Verbraucher, so zum Beispiel die industrielle Abwärmenutzung oder die Bioraffinerie. Andere erfordern weitere Forschung und Entwicklung, einen Ausbau der Infrastruktur oder eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen. In Summe ist durch die momentan bekannten Ansätze zur Reduktion fossiler Energie in Industrie, Verkehr und Gebäuden ein deutlicher Anstieg des Bedarfs an erneuerbarem Strom zu erwarten. Maßnahmen zur möglichst effizienten, kaskadischen Nutzung von Energie und Rohstoffen werden daher von zunehmender Bedeutung sein. Dazu zählen die Energierückgewinnung und die Wiedernutzung industrieller Abwärme in Betrieben und zur Wärmeversorgung von Gebäuden, die thermische Sanierung von Gebäuden und das Recycling von Grund- und Werkstoffen. Auch die Sektorkopplung, also die zunehmende Integration von Industrie, Verkehr, Gebäuden und Energieaufbringung über erneuerbaren Strom, birgt Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz des Gesamtsystems. Da erneuerbarer Strom außerdem volatil und dezentral verfügbar ist, werden Speichertechnologien für Strom wie Power-to-Gas oder Wärme im Gebäudebereich immer wichtiger. Schlussendlich bieten Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs, zur besseren Speicherung von Energie und zur Kühlung auch Synergien mit der Klimawandelanpassung. Auch Änderungen im Verbraucherverhalten, beispielsweise in der Mobilität und hinsichtlich der Klimaverträglichkeit von Produkten sind notwendig, um den Energieverbrauch gering zu halten und die Klimaziele zu erreichen.
Bewertung von Wechselwirkungen zwischen klimapolitischen Maßnahmen und den Zielvorgaben der nachhaltigen Entwicklungsziele
Die UN-Agenda 2030 erfordert rasches und entschlossenes Handeln im Sinne einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung und Transformation, die durch die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) vorgezeichnet ist. Österreich steht, gemeinsam mit allen Ländern der Welt, mit der Umsetzung der SDGs vor einer gewaltigen Herausforderung.
Das Projekt zielte darauf ab, die Interaktionen klimapolitischer Maßnahmen (SDG 13) mit anderen SDGs sichtbar zu machen und die dabei angewandte Methode kritisch zu diskutieren. Eine wesentliche Erkenntnis aus dem Projekt ist, dass klimapolitische Maßnahmen sehr gut mit den Zielvorgaben anderer SDGs harmonieren. Im Falle der getesteten Wechselwirkungen wirkt sich Klimaschutz meist positiv auf die Ziele im Bereich Gesundheit, Energie, Industrie und Innovation, nachhaltige Städte und auf die Bekämpfung von Fehlernährung aus.
Konfliktminimierung im Umgang mit Klimawandelanpassung und Klimaschutz
Das Projekt CCCS –Climate Change Conflict Solutions beschäftigte sich mit dem Erkennen und dem Minimieren möglicher Nutzungskonflikte, welche sich sowohl sektoral als auch sektorübergreifend durch den Klimwandel sowie die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen ergeben könnten.
Es wurde ein Lösungsansatz aus vier Schritten entwickelt. Mit den ersten drei Schritten können klimawandelbezogenen Konflikte für einzelne Länder, Regionen oder auf lokaler Ebene identifiziert sowie die jeweilige Bedeutung für die Handlungstragenden eingeordnet werden. Der darauf aufbauende vierte Schritt dient dazu, für diese sich andeutenden oder verschärfenden Konflikte geeignete Lösungsansätze zu finden. Durch diesen Ansatz können Konfliktfelder vorausschauend identifiziert werden, bevor sie zu erheblichen Belastungen der Umwelt oder zu Beeinträchtigungen anderer Aktivitätsfelder führen.
Für alle vier Schritte gelten folgende vier Grundprinzipien (4Ks) zur Konfliktlösung:
- Erstes Prinzip – Kommunikation: Die Sektor-übergreifende Kommunikation ist von wesentlicher Bedeutung, um Ziel- und Interessenskonflikte über einen Sektor hinaus oder auch innerhalb verschiedener Zielsysteme des gleichen Sektors zu identifizieren.
- Zweites Prinzip – Kooperation: Ergänzend können der Austausch und die Kooperation von Sektoren dazu beitragen, Synergien zu fördern und Nutzen für mehrere Aktivitätsfelder zu schaffen („Multi-Benefits“ bzw. „Co-Benefits“).
- Drittes Prinzip – K(l)eine Konflikte: Falls keine Synergien möglich sind, sollten bedachtsame „No-" oder „Low-Regret“-Maßnahmen angestrebt werden, die keine oder nur geringe Konfliktpotentiale bergen.
- Viertes Prinzip – Konsistenz: Schließlich ist die Konsistenz der geplanten Lösungsansätze mit übergeordneten Strategien und Instrumenten notwendig, damit sich die Abhilfemaßnahmen in das räumliche Zielsystem einfügen. Dies betrifft die Bestimmung der Handlungsrelevanz in der Konfliktvermeidung und -minimierung sowie die Identifizierung bestehender und aufkommender Konflikte und hilft, die Transparenz zu erhöhen und langfristig Konflikten vorzubeugen.
Ein Strategiekonzept zur Bewusstseinsbildung im Hochwasserrisikomanagement
Die potenzielle Zunahme von Extremwetterereignissen stellt ein hohes Gefährdungspotenzial dar. Bewusstseinsbildung und Risikokommunikation gewinnen unter diesem Gesichtspunkt zunehmend an Bedeutung. Die Evaluierung der steirischen Bildungsmaßnahme „Selbstschutz Hochwasser“ kam zum Ergebnis, dass mit dieser Bildungsoffensive positive Wirkungen auf das Risikobewusstsein und die Eigenvorsorge der erreichten Personen erzielt wurden. Für die Fortführung werden u.a. eine klare Marketingstrategie, die Nutzung zeitgemäßer Medien und Formate sowie eine zielgruppenorientierte Gestaltung empfohlen.
Das Forschungsprogramm StartClim
StartClim wurde im Jahr 2003 auf Initiative von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und vom damaligen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit dem Ziel gegründet, die Folgen des Klimawandels zu untersuchen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Bisher wurden in 105 Projekten unterschiedlichste Themen von über 100 österreichischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bearbeitet. Das Programm hat zur Stärkung und Vergrößerung der österreichischen Klimafolgenforschungscommunity beigetragen und ist ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Klimafolgen- und Anpassungsforschung. Seit 2012 stehen in den Ausschreibungen Themen im Vordergrund, die zur Umsetzung der österreichischen Anpassungsstrategie beitragen. Interdisziplinäre Vernetzung und der Austausch zwischen den Projekten sind wesentliche Elemente des Programms. Im Vordergrund stehen praxisorientierte Fragestellungen, die konkrete Unterstützung für potenzielle Anwenderinnen und Anwender liefern. Das Forschungsprogramm ist als flexibles Instrument gestaltet, das durch die kurze Laufzeit und die jährliche Vergabe von Projekten rasch aktuelle Themen im Bereich Klimawandel aufgreifen kann.
StartClim wird wissenschaftlich von Assoc. Prof. Dr. Herbert Formayer vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur Wien geleitet und vom Umweltbundesamt administrativ betreut. Die im Jahr 2018/19 durchgeführten StartClim-Projekte wurden vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (seit Jänner 2020 Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und dem Land Oberösterreich finanziert.
In StartClim2019 werden aktuell neun Projekte bearbeitet, die sich mit Bildung, Kommunikation, Kunst und Klimawandel, Landnutzung sowie mit Tourismus befassen. Die Ergebnisse werden ab November 2020 vorliegen. (MB, Februar 2020)