Böhmischem Enzian und Alpenaurikel wird es zu warm
Nicht nur Enzian und Aurikel macht der Temperaturanstieg zu schaffen, auch andere Pflanzen- und Tierarten können mit den massiven Folgen des Klimawandels nicht Schritt halten. Naturschutz- und Anpassungsmaßnahmen alleine reichen nicht aus, es braucht ambitionierten Klimaschutz! Eine aktuelle Studie belegt diese Erkenntnisse mit wissenschaftlichen Fakten.
Ein Team von Biologen der Universität Wien und des Umweltbundesamtes hat herausgefunden, dass viele Tier- und Pflanzenarten auch durch weitreichende Schutzmaßnahmen nicht vom Aussterben bewahrt werden können. Das Klima wird sich in diesem Jahrhundert so schnell ändern, dass eine evolutive Anpassung an die neuen Bedingungen schwierig ist. Wenn es Tier- und Pflanzenarten infolge des Klimawandels zu warm oder zu trocken wird, dann verändern sie ihre Verbreitungsgebiete – in der Regel polwärts oder bergauf. Sie können aber nur dann wandern, wenn sie genügend geeignete Lebensräume vorfinden und wenn Siedlungsräume, Verkehrsinfrastruktur, intensivierte Landwirtschaftsflächen etc. ihre Wanderrouten nicht unterbrechen. Die Vernetzung und der Erhalt von Lebensräumen sind daher gerade auch im Hinblick auf den Klimawandel wichtige Naturschutzmaßnahmen. Diese Maßnahmen reichen jedoch nicht für alle gefährdeten Arten aus. Ohne ambitionierten Klimaschutz hat die Klimaänderung so massive Auswirkungen auf viele Arten, dass sie nicht Schritt halten können und regional aussterben werden.
Um verlässliche Aussagen zu diesen Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten zu treffen, untersuchte das Forscherteam 51 repräsentative Pflanzen-, Schmetterlings- und Heuschreckenarten. Bei den Berechnungen berücksichtigt wurden nicht nur der Klimawandel, sondern auch die für jede Art spezifischen Lebensraumansprüche und Ausbreitungsmöglichkeiten. Außerdem wurden die drei Naturschutzstrategien „Vergrößerung von Schutzgebieten“, „Einrichtung von Korridoren“ und „Stilllegungen in landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten“ untersucht. Das Ergebnis: Rund 20 Prozent der untersuchten Arten werden im Laufe dieses Jahrhunderts im Untersuchungsgebiet „Ostalpen“ (d.h. Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Südtirol und Süddeutschland) aussterben. Fast alle anderen untersuchten Arten erleiden erhebliche Verluste ihres Verbreitungsareals. Die untersuchten Arten können auch unter Berücksichtigung der Naturschutzmaßnahmen nicht mit dem Klimawandel Schritt halten. Naturschutzmaßnahmen verringern zwar die Verluste, können diese aber nicht vollständig kompensieren. Langfristig können die untersuchten und viele weitere Tier- und Pflanzenarten somit nur überleben, wenn die Klimaänderung nicht zu stark ist und die Naturschutzanstrengungen wesentlich erhöht werden. Das heißt, Klimaschutz ist neben der Anpassung ein wesentlicher Überlebensfaktor. (SV, Februar 2018)
Informationen zur Studie und Statements der Forscherinnen und Forscher (Medienportal der Universität Wien)
Zur Publikation in "Nature Climate Change": Johannes Wessely, Karl Hülber, Andreas Gattringer, Michael Kuttner, Dietmar Moser, Wolfgang Rabitsch, Stefan Schindler, Stefan Dullinger und Franz Essl: Habitat-based conservation strategies cannot compensate for climate change-induced range loss. Nature Climate Change. doi: 10.1038/NCLIMATE3414