Urbane Hitzeinseln – die Wiener Strategie

Häufigere und immer länger anhaltende Hitzewellen stellen Städte vor große Herausforderungen. Um die Gesundheit und das Wohlbefinden der in Städten lebenden und arbeiteten Menschen zu schützen und zu verbessern, braucht es entsprechende Strategien und Maßnahmen. Die Stadt Wien hat mit dem „Urban Heat Islands Strategieplan Wien“ einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan.

Bedingt durch den Klimawandel werden Anzahl und Dauer von Hitzewellen weltweit weiter steigen. Dichtverbaute Gebiete, wie Städte, sind besonders davon betroffen. Laut der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) waren in Wien zwischen 1961 und 1990 durchschnittlich 9,6 Hitzetage, also Tage mit mehr als 30 °C, zu verzeichnen. Im Zeitraum 1981 bis 2010 waren es bereits 15,2 Hitzetage pro Jahr. Die innerstädtischen Temperaturen liegen dabei deutlich höher als im ländlichen Umfeld. Hauptursache ist die Bebauung von Oberflächen und damit das Fehlen einer natürlichen Vegetationsschicht und feuchtigkeitsspeichernder Böden. Städtische Oberflächen bestehen meist aus wärmeabsorbierenden Materialien, die wasserundurchlässig sind. Niederschlagswasser läuft schnell ab und steht nicht für Verdunstungsvorgänge und damit für natürliche Kühleffekte zur Verfügung. Hinzu kommen erhöhtes Verkehrsaufkommen, fehlende Beschattungen, zu wenig Grün- bzw. Wasserflächen, unzureichende Luftzirkulation und viele exponierte, schwach reflektierende Flächen, die um bis zu 50 °C wärmer sein können als die umgebende Lufttemperatur (U.S. Environmental Protection Agency´s Office of Atmospheric Programs 2008, Reducing Urban Heat Islands: Compendium of Strategies, Urban Heat Island Basics). Dieser akkumulierte Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland wird als städtischer Hitzeinseleffekt bezeichnet.

Strategieplan für die Stadt Wien

Mit dem Klimawandel wird sich dieser Effekt noch weiter verstärken, wenn keine Maßnahmen gesetzt werden. Die Stadt Wien reagierte auf diese Herausforderung und erarbeitete im Rahmen eines Central Europe Projekts den „Urban Heat Islands Strategieplan Wien“ (UHI STRAT Wien). In diesem Werk, das vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung und dem Institut für Landschaftsplanung der BOKU in Zusammenarbeit mit der Magistratsabteilung 22 (Wiener Umweltschutzabteilung) der Stadt Wien erarbeitet wurde, sind unterschiedliche Möglichkeiten dargestellt, um städtischen Hitzeinseln entgegenzuwirken. Neben Informationen über die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen sind darüber hinaus auch Vorteile und mögliche Hürden bei der Umsetzung zu finden. Der UHI STRAT Wien soll zukünftig Anregungen für Strategien und Maßnahmen geben und als Entscheidungshilfe dienen. Ziel ist eine Reduktion der negativen Effekte auf Gesundheit und Wohlbefinden der Wienerinnen und Wiener und von Besucherinnen und Besuchern.

Konkrete Maßnahmen zur Verringerung des Hitzeinseleffekts

In Summe wurden 37 Maßnahmen erarbeitet, diese sind im UHI STRAT Wien unter folgender Gliederung zu finden:

Strategische, großmaßstäbliche Ebene:

  • Erhaltung der städtischen Luftzirkulation und Vernetzung der Freiräume
  • Anpassung der Stadtstruktur und der Siedlungsformen
  • Aufhellung von Gebäuden und Oberflächenmaterialien und Entsiegelung
  • Sicherung und Erweiterung von Grün- und Freiräumen wie z.B. Parkanlagen
  • Erhaltung und Ausweitung des Baumbestandes

Konkrete Planungs- und Projektierungsebene:

  • Erhöhung des Grünanteils bei Straßen und in Freiräumen z.B. durch Alleen, Einzelbäume, Strauchreihen, Rasen- und Wiesenflächen, Zulassen von Spontangrün, kleinflächige Grünflächen wie Innenhofbegrünungen, Nutzung urbaner Brachflächen, grüne Wandelemente und mobiles Grün (in Töpfen)
  • Begrünung und Kühlung von Gebäuden durch Dach- und Fassadenbegrünung, aktive und passive Gebäudekühlung und Wasserkühlung von Gebäuden
  • Erhöhung des Wasseranteils z.B. durch Bewässerung, Regenwassermanagement, Entsiegelung, Schaffung von Wasserinstallationen, Bereitstellung von Trinkwasser, Erhöhung des Anteils von Wasserflächen und Freilegen verrohrter Gewässer
  • Beschattung von Freiräumen und Wegen
  • Kühlung öffentlicher Verkehrsmittel
Foto Blick auf Stadt

Die Stadt Wien hat bereits jetzt einige Maßnahmen umgesetzt. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Fassadenbegrünung der MA 48-Zentrale am Margaretengürtel. Dabei wurden auf 850 m² Fassade 2.850 Laufmeter Pflanzentröge aus Aluminium montiert. Diese bieten Platz für etwa 17.000 Pflanzen, v.a. Stauden, Gräser und Kräuter. Die Bewässerung erfolgt mit insgesamt über 3.500 Laufmeter langen, einzeln steuerbaren Tropfschläuchen. Ebenso neu angelegt wurde der Helmut Zilk Park mit einer Größe von 7 ha beim Hauptbahnhof. Auch in der Seestadt Aspern werden drei Parks mit einer Gesamtgröße von 8 ha entstehen. Gerade bei Parks, aber auch bei der Revitalisierung von Flussläufen fallen oft hohe Errichtungs- und Erhaltungskosten an. Dennoch wirken diese Anpassungsmaßnahmen nicht nur positiv auf das Stadtklima, sondern bringen zusätzliche Nebeneffekte mit sich: Es werden Freiräume geschaffen, die auch für Freizeitaktivitäten genutzt werden können. Begrünungen steigern nicht nur die Attraktivität von Gebäuden und Stadtteilen, sondern sind auch ökologisch wertvolle Lebensräume für Tiere in der Stadt und Laub hält schädliche Luftinhaltsstoffe und Staub fest. 

Ein Blick auf die weltweite demografische Entwicklung spiegelt die enorme Wichtigkeit von hitzeinselreduzierenden Maßnahmen wider: seit 2005 lebt etwa die Hälfte der Weltbevölkerung im städtischen Raum. Prognosen gehen jedoch von einem Anstieg auf 2/3 bis 2050 aus. Städte müssen darauf reagieren und weniger sinnvolle Einzelmaßnahmen ohne Langzeiteffekt vermeiden. Es ist notwendig, Stadt- und Landschaftsplanerinnen und -planer, die Stadtverwaltung, die Politik und die Bevölkerung in strategische und planerische Prozesse zu involvieren. Ebenso ist eine Planung über die Verwaltungsgrenzen hinweg notwendig. (September 2016)