Die Kosten des Nichthandelns für Österreich

Was kostet uns der Klimawandel, wenn wir uns nicht anpassen? Dieser Frage ging das Projekt COIN (Costs of Inaction) nach. COIN kombinierte dabei entlang der Aktivitätsfelder der öst. Anpassungsstrategie Klimaszenarien mit sozio-ökonomischen (primär Landnutzung, wirtschaftliche und demografische) Entwicklungen und konnte rund ein Drittel der als wesentlich erachteten Klimafolgen und Schäden in Geldwerten bis 2050 darstellen.

Bedarf für ökonomische Abschätzungen der Klimafolgen

Die Umsetzung einiger Anpassungsmaßnahmen kann mit Kosten verbunden sein. Auf der anderen Seite kann für Österreich auch das Nichthandeln, also keine Schritte zur Anpassung an den Klimawandel zu setzen, teuer werden. Um die Prioritäten richtig zu setzen, brauchen wir Informationen zu diesen Kosten des Klimawandels im Falle des Nichthandelns. Nur so kann die politisch wesentliche Frage beantwortet werden, wo aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Investitionen in der Anpassung am vordringlichsten sind.

COIN - Methodik

Im Rahmen von COIN wurden die ökonomischen Auswirkungen für eine Vielzahl von Klimafolgen modelliert und abgeschätzt. Für jeden Sektor (also Land- und Forstwirtschaft, Gesundheit, Ökosystemleistungen, Wasserwirtschaft, Gebäudeenergie, Elektrizität, Transportinfrastruktur, Arbeitsproduktivität, städtische Grünräume, Hochwasser und Tourismus) wurden jeweils die gleichen Klima- und sozio-ökonomischen Szenarien (also hinsichtlich Landnutzung, Wirtschaftswachstum, Demographie, politische Annahme und Innovation) heran gezogen. Damit wurde erstmalig ein sektorenübergreifendes und in sich konsistentes Rahmenwerk geschaffen, das auch als Buchpublikation im Springer-Verlag erscheint. Fünf ökonomische Bewertungsmethoden wurden im Projekt erarbeitet und – je nach Eignung – in den Sektoren angewendet. Die direkten durch den Klimawandel ausgelösten Schäden, Ertrags- oder Produktivitätsverluste sowie Nachfrageänderungen haben dann ihrerseits wieder Folgen für die Volkswirtschaft. So müssen Schäden repariert und Produktivitäts-/Ertragsverluste sowie Nachfrageeffekte ausgeglichen werden. Für die Reparatur öffentlicher Infrastruktur muss an anderer Stelle eingespart oder über Schulden finanziert werden. Das löst sog. makroökonomische Effekte in der Volkswirtschaft aus, die in den meisten Fällen gesamtwirtschaftlich (kosten)verstärkend wirken und in COIN ebenfalls mit Hilfe eines makroökonomischen Modells untersucht und dargestellt wurden. Letztlich wurden damit sowohl die sektoralen als auch die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Klimawandels ermittelt.

Was sagen die Ergebnisse aus?

In COIN konnten etwa ein Drittel der als ökonomisch relevanten Klimafolgen und Ihrer ökonomischen Folgewirkungen in den 12 Aktivitätsfeldern bearbeitet werden.

Von den Auswirkungen des Klimawandels sind grundsätzlich alle Wirtschaftsbereiche betroffen, besonders die Gesundheit, die Energiewirtschaft, die Forst- und Landwirtschaft, der Tourismus, Verkehrsinfrastruktur und Gebäude.

Im Bereich Ökosystemdienstleistungen und Gesundheit konnten die Ergebnisse aus methodischen Gründen nicht in die volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung eingehen. Es wurden daher allein die Hitzeopfer (d.h. Übersterblichkeit während Hitzeperioden) mit internationalen Standardmethoden (Value of Statistical Life bzw. Life Years Lost) in das COIN-Gesamtergebnis eingerechnet. Indirekte volkswirtschaftliche Auswirkungen des Klimawandels durch Folgen für das Gesundheitssystem (z.B. vermehrte Herz-Kreislauferkrankungen bei Hitzewellen oder vermehrte Allergiebehandlungskosten durch Ausbreitung von Allergenen) blieben ebenso unberücksichtigt wie Beeinträchtigungen von Ökosystemdienstleistungen mit Folgen für z.B. Land-/Forst-/Wasserwirtschaft.

Darstellung gesamtjährliche Schäden in Österreich durch den Klimawandel

Das dzt. obere Limit der Ergebnisse (8,8 Mrd. EUR/Jahr bis zur Jahrhundertmitte, vgl. Abb. 1) muss sehr vorsichtig als Richtwert für die gesamtwirtschaftlichen Folgen interpretiert werden. So sind darin einerseits sehr viele Klimafolgeketten noch nicht berücksichtigt und es wurde ein eher konservatives Emissionsszenarium (A1B) als Antrieb für die zukünftige Entwicklung des Klimas gewählt, was beides zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Kosten führt. Andererseits wird im COIN-Ansatz von keiner weiteren Anpassung ausgegangen und die Ergebnisse wurden nicht diskontiert (d.h. wir gehen wohl zurecht davon aus, dass die künftige Generationen im Jahre 2050 sich nicht leichter damit tun wird, mit Klimaschäden umzugehen, da wir keine signifikant reichere Gesellschaft erwarten dürfen). Trotzdem geben die sektoralen Ergebnisse durchaus einen guten ersten Überblick über die zu erwartenden Schäden.

  • Die Zahl der Hitzeopfer gerade in urbanen Räumen schlägt mit einem hohen Anteil der Schadenskosten zu Buche. Dabei wurde in COIN lediglich die Zahl der Hitzeopfer berücksichtigt, während die Auswirkungen (v.a. zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem) durch vermehrte Herz- und Kreislauferkrankungen sowie neue klimawandelbedingte Infektionspfade nicht mit eingerechnet werden konnten. Vermehrte und intensivere Hitzewellen haben auch direkte Auswirkungen auf die Produktivität.
  • Die Erträge in Land- und Forstwirtschaft sind durch vielfältige Extremereignisse gefährdet, wenn auch ein Teil der hier zu erwartenden Schäden durch die generelle Verlängerung der Vegetationsperiode kompensiert werden kann. Erst ansatzweise und für wenige Beispiele lassen sich die Klimafolgen auf Ökosystemleistungen näherungsweise beziffern..
  • Auf private und öffentliche Infrastruktur kommen zusätzliche Schadenspotenziale z.B. durch vermehrte Schäden durch Extremereignisse, zu. Das zeigt sich sowohl bei Gebäuden als auch bei der Verkehrs- und Energieinfrastruktur. Entlastungen sind lediglich bei der Raumwärme für Gebäude bis 2050 zu erwarten (hier werden die zusätzlichen Kühllasten im Sommer durch winterliche Heizkostenersparnisse überkompensiert). Um sowohl Verkehrsinfrastruktur als auch die Stromversorgung klimafest zu machen, sind seitens der Infrastrukturbetreiber erhebliche Investitionen vorzusehen.
  • Als für Österreich besonders wichtiger Wirtschaftszweig und gleichzeitig extrem klimawandelgefährdet gilt der Wintertourismus. Die Einbußen, die hier bis zur Jahrhundertmitte entstehen werden, können bei derzeitigen Investitionstätigkeiten (vorwiegend in den Erhalt einer technischen Schneesicherheit durch Schneekanonen) durch den Sommertourismus nicht aufgefangen werden. Die Gefahr für "stranded Investments" im Wintertourismus ist in Österreich somit enorm hoch und wird durch die in COIN modellierten Nächtigungsrückgänge im Winter weiter erhärtet.

Ein Hauptproblem bleibt die Ausweitung von Gefährdungszonen und Schadenspotenzialen sowohl für Hochwasser als auch für andere klimabedingte Naturgefahren (etwa Massenbewegungen). Die Anpassungslösungen wären hier jedoch vergleichsweise günstig: Eine konsequente Ausweisung von (allen schadensträchtigen) Gefahrenzonen und eine darauf aufbauende konsequente Raumordnungspolitik können die Kosten stark reduzieren (vgl. Abb. 2). Das Motto muss heißen: Raus(bleiben) aus den sich erweiternden Gefahrenzonen! Klimawandelanpassung und Naturgefahrenmanagement gehen dabei Hand in Hand.

Eine ganz wesentliche Aussage aus COIN ist also, dass die Klimakosten durch Anpassung, aber auch durch weitergehende Transformationsprozesse (zum Beispiel bzgl. Landnutzung) sehr stark beeinflusst werden können. Politik und Gesellschaft haben es in der Hand, einerseits die sozio-ökonomische Entwicklung klimafester zu gestalten als auch andererseits durch gezielte Anpassung die Kosten des Klimawandels für Österreich einzudämmen. Ein Beispiel sind die zu erwartenden Kosten eines 100-jährlichen Hochwassers in Österreich: Hält die derzeitige Werteentwicklung (also z.B. durch Baulandwidmung und Bebauung) in den Hochwasserzonen an, wird ein 100-jährliches Ereignis zur Jahrhundertmitte (Jahrhundertende) Schäden von rund 7 (bis zu 40) Mrd. EUR nach sich ziehen. Werden allerdings die Bereiche des 200-jährlichen Hochwassers freigehalten, so halbieren sich die Schadenskosten eines solchen Ereignisses.

Darstellung Gebäudeschäden in Österreich bei Jahrhunderthochwasser

Wahrscheinlich ist auch (dies wurde vorwiegend in einer Delphi-Studie unter den ExpertInnen erarbeitet), dass die Schadenskosten in der zweiten Jahrhunderthälfte sehr stark weitersteigen werden. Dies bleibt der Auftrag an die nationale wie internationale Klimaschutzpolitik: Um die Schäden nach 2050 nicht weiter stark steigen zu lassen, muss der Klimaschutz jetzt massiv vorangebracht werden.

Wie geht es weiter?

Das, was wir aus COIN heraus über die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels gelernt haben, wird in den kommenden Jahren in verschiedene politikunterstützende und beratende Projekte eingehen. Flankiert werden muss dieser Prozess allerdings von einer noch auszubauenden Wissensbasis: In das von COIN errichtete methodische Gerüst müssen weitere Klimafolgen eingebaut werden, außerdem müssen die Ergebnisse räumlich detaillierter werden, sodass auch Bundesländer und Regionen damit arbeiten können. Erste Diskussionsprozesse mit Bund und Ländern dazu starten gerade.

Über die Studie

COIN ist ein interdisziplinäres Projekt unter der Leitung von Ao. Univ. Prof. Dr. Karl Steininger vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. 42 ForscherInnen aus 18 Forschungsgruppen aus Österreich und ganz Europa waren beteiligt. Untersucht wurden zwölf Schlüsselbereiche, die sich mit denen der österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel decken.

Wie liegen die Ergebnisse vor?

Die Ergebnisse sind anschaulich und in verschiedenen Formaten veröffentlicht. Eine achtseitige Kurzfassung und Fact Sheets für zehn Bereiche fassen die wesentlichen Erkenntnisse kompakt und übersichtlich zusammen. Im Rahmen der vom Klima- und Energiefonds veröffentlichten Publikationsreihe ACRP in Essence widmet sich die aktuelle Ausgabe „Den Folgeschäden des Klimawandels“ den Erkenntnissen aus dem Projekt und stellt diese in Form von kurzen Geschichten vor. Im Detail sind die Ergebnisse in dem englischsprachigen Fachbuch „Economic Evaluation of Climate Change Impacts“ im Springer-Verlag erschienen.

Die Studie wurde bei einer Pressekonferenz mit Umweltminister Andrä Rupprechter, dem Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds Ingmar Höbarth und dem Projektleiter Ao. Univ. Prof. Karl Steininger von der Universität Graz vorgestellt. Das Interesse der Medien war enorm, Reportagen und Beiträge dazu gab es in den ORF-Nachrichten und in vielen Printmedien. In der Infobox finden Sie einen Auszug dazu. (April, 2015)

Weiterführende Informationen:

Projektleitung:

Ao. Univ. Prof. Dr. Karl Steininger, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel

Projektpartner:

Umweltbundesamt Gmbh, AIT, WIFP, Universität Klagenfurt, Joanneum Research, ZAMG, Universität für Bodenkultur, Technische Universität Wien, CCCA – Climate Change Center Austria

Projektlaufzeit:

2013-2014

Projektwebsite:

Projektwebsite COIN