Ein neuer Fahrplan für die Biodiversität in Europa
Die EU Biodiversitätsstrategie läuft 2020 aus, eine Fortsetzung ist notwendig. Die Arbeiten für die Evaluierung der Strategie sowie für eine neue europäische Biodiversitätsstrategie laufen bereits. Damit will die EU weltweites Vorbild darin werden, den Biodiversitätsverlust zu stoppen und unsere Ökosysteme zu erhalten. Der Klimawandel spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Ein Blick zurück ins Jahr 2015: Die Zwischenbilanz der EU Biodiversitätsstrategie bis 2020 fällt ernüchternd aus. Nur eines der sechs Ziele wird plangemäß verfolgt. Vier der Hauptziele verzeichnen eine leichte, aber ungenügende Verbesserung und ein Ziel kann gar keinen Fortschritt verzeichnen. Wir spulen wieder nach vorn ins aktuelle Jahr 2020 – inzwischen läuft die abschließende Evaluierung der Strategie, deren Ergebnisse bis Ende 2020 vorliegen sollen. Sie untersucht, welche Faktoren ausschlaggebend waren für das Erreichen bzw. Nicht-Erreichen der Hauptziele und der 20 Maßnahmen der Biodiversitätsstrategie 2020.
Anknüpfend an die Zwischenbilanz 2015 steht zweifelsfrei fest, dass der Biodiversitätsverlust in der EU und weltweit weiter vorangeschritten ist. Hauptursachen dafür sind die Zerstörung von geeigneten Lebensräumen, Umweltverschmutzung, Ausbeutung der Ressourcen, invasive Neophyten und nicht zuletzt der Klimawandel. Dieser fortschreitende Verlust gefährdet die Lebensgrundlage der zukünftigen Generationen massiv, eine Trendumkehr ist dringend notwendig. Viele Studien, NGOs und Umweltexpertinnen und -experten bewerten den Verlust der Biodiversität gemeinsam mit der Klimaerhitzung als kritischste Bedrohung für die Umwelt und die Menschheit weltweit.
Biodiversität und Klimawandel
Diese beiden größten Krisen des Planeten – Biodiversitäts- und Klimakrise – müssen gemeinsam überwunden und ihr Zusammenspiel besonders berücksichtigt werden. Natürliche Ökosysteme und die Vielfalt an Organismen, die sie beherbergen, sind mit dem Klima auf vielschichtige Weise verbunden, daher ändern sich mit den klimatischen Bedingungen auch die Biodiversität und die Lebensräume. Intakte Ökosysteme sind gegenüber dem Klimawandel unempfindlicher und daher besser in der Lage, die Funktionen aufrechtzuerhalten, von denen unser Wohlstand und Wohlergehen abhängen.
Die Folgen des Klimawandels wirken sich auf verschiedenen Ebenen auf die biologische Vielfalt aus: Auf der Ebene der Arten wirken Klimaänderungen direkt auf die Entwicklung, Phänologie (z. B. Austrieb von Blättern und Brutzeiten bei Vögeln) und das Verhalten von Arten, wie z. B. verändertes Migrationsverhalten oder Abwanderung. Auf der Ebene der Lebensgemeinschaften führen die Auswirkungen des Klimawandels zwangsläufig auch zu Veränderungen von Lebensgemeinschaften. Beispiele dafür sind die Ausbreitung von Neobiota oder eine veränderte Walddynamik durch die Zunahme von wärmebedürftigen Forstinsekten wie Borkenkäfer. Darüber hinaus haben Biodiversitätsverluste – vergleichbar mit direkten Veränderungen im Energie- und Wasserhaushalt – häufig einen negativen Einfluss auf Prozesse und Funktionen von Ökosystemen. So können beispielsweise künstliche Wasserentnahmen, die bei verstärkter Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen infolge von zunehmender Trockenheit erfolgen, zu Problemen wie dem Absenken des Grundwasserspiegels oder der Versalzung der Böden führen.
Maßnahmen der EU zur Förderung der Biodiversität
- Die EU kann an verschiedenen Punkten ansetzen, um die Biodiversität zu fördern:
- Schutzgebiete stärken und ausweiten, basierend auf dem Natura 2000 Schutzgebietsnetzwerk
- Guten ökologischen Status von beeinträchtigten Ökosystemen wiederherstellen
- Nachhaltige Nutzung aller Ökosysteme fördern (Wald, Landwirtschaft, Gewässer, städtische Ökosysteme)
- Aspekte der Biodiversität in andere Politikfelder der EU integrieren
- Auswirkungen der EU auf die globale Biodiversität beachten
- Bereitstellen ausreichender finanzieller Mittel zur Umsetzung der Strategie sicherstellen, Wissensaufbau fördern und die Einbindung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern sowie Stakeholdern verschiedener Sektoren ermöglichen.
Diese Maßnahmen könnten in der neuen EU Biodiversitätsstrategie 2030 festgesetzt bzw. weitergeführt werden, die derzeit entwickelt wird. Bei der 15. Globalen UN Biodiversitätskonferenz in Kunming, China, im Oktober 2020 will die EU mit ihrer Biodiversitätsstrategie 2030 als weltweites Vorbild gegen den Biodiversitätsverlust die Verhandlungen führen. Zumindest auf dem Papier ist der Wille zum Handeln da – die nächste Zwischenbilanz wird zeigen, ob sich dies in der Realität niederschlägt. (April 2020)