Regen, Rutsch und Risiko: Projekt GLADE
Hangrutschungen durch massive Niederschläge gehören zu den Naturgefahren, deren Zusammenhang mit dem Klimawandel besonders rege beforscht wird: in Österreich, europaweit und global. Erwartet wird eine Häufung von Extremniederschlägen, die Hangrutschungen auslösen. Das ACRP-Projekt GLADE hat sich damit befasst.
Extremniederschläge können Wassermengen ins Erdreich eintragen, die dessen stabilisierende Haftreibung bis zum Abgleiten ganzer Hangpartien aufweichen.
Die eingetragene Regenmenge ist neben Geologie, Terrain, Bewuchs und weiteren Faktoren zwar nur eine Einflussgröße auf die Rutschungsgefährdung, aber in aller Regel der kurzfristige Auslöser. Schon vor Jahrzehnten wurden Anstrengungen unternommen, Schwellenwerte zu ermitteln, bei deren Überschreitung mit einer Hangrutschung zu rechnen ist. Eine der breiter verfolgten Annahmen ist, dass die Intensität des Regens über die Auslösung einer Rutschung bestimmt, dass es also darauf ankommt, über welchen Zeitraum sich der Niederschlag verteilt. Für Österreich wird durch den Klimawandel regionsabhängig eine Zunahme kurzfristiger heftiger Regenfälle erwartet.
Ziel der Studie GLADE, finanziert vom Austrian Climate Research Programme (ACRP) des Klima- und Energiefonds, war die Ermittlung von Niederschlags-Schwellenwerten in Abhängigkeit von Waldbewuchs, Geologie und Morphologie. Einbezogen wurde außerdem sowohl das Erfahrungswissen als auch die Planungsbedürfnisse betroffener Interessensgruppen, von Forstfachleuten bis Infrastrukturbetreibenden. Besonderes Augenmerk galt dem Zusammenhang von Klimawandel, Waldzustand und dessen Schutzfunktion gegen Hangrutschungen.
Diese Beziehungen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von AIT, BOKU und Umweltbundesamt näher durchleuchtet, gestützt auf rund 2 500 aufgezeichnete Ereignisse der letzten Jahrzehnte.
Ein paar Kernaussagen der Studie: Mit der Nähe zum Wald sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Hangrutschung. Das steht im Einklang mit der Schutzfunktion des Waldes. So plausibel der Zusammenhang ist, kann eine Verzerrung durch die Erfassungspraxis nicht ganz ausgeschlossen werden. Bei der bodengestützten Erhebung sinkt die Erfassungswahrscheinlichkeit mit der Zugänglichkeit des Geländes und der ökonomischen Motivation: Ein Straßenschaden wird eher dokumentiert als eine Rutschungsnarbe im abgelegenen Grünland.
Erwartungsgemäß war auf überregionaler Ebene der geologische Untergrund die bestimmende Größe für das Auftreten einer Rutschung. Deutliche Unterschiede ergaben sich auch zwischen nord- und südexponierten Lagen. Lokal spielte die Hangneigung selbst eine größere Rolle als die Geländeform.
Entgegen der ursprünglichen Annahme ging keine besondere Brisanz kurzfristiger Wolkenbrüche gegenüber langfristiger Wassersättigung aus den Daten hervor. Ausschlaggebend war im Modell das niedergegangene Regenvolumen, dessen zeitliche Verdichtung (Intensität) hingegen kaum.
Vor allem aber stellte sich heraus, dass die relative Regenmenge, gemessen an den langjährigen örtlichen Verhältnissen, deutlich aussagekräftiger ist als absolute Schwellenwerte oder -funktionen aus größerräumigen Betrachtungen. Die Ableitung solcher lokaltypischen Regenverhältnisse ist mittlerweile auch auf handelsüblichen Einzelrechnern möglich und könnte Stakeholdern eine rasche Orientierung anhand der örtlich gemessenen Regenmenge erleichtern. (IO, Juni 2021)
Infobox:
A Slippery Slope: Grafische Zusammenfassung von Motivation und Methoden in GLADE (bestes wissenschaftliches Poster am Österreichischen Klimatag 2018)
Threshold or Limit? Precipitation Dependency of Austrian Landslides, an Ongoing Challenge for Hazard Mapping under Climate Change Sustainability 2020, 12(15)
Publizierbarer Endbericht Projekt GLADE
Weitere Informationen:
Projekttitel: GLADE - GravitationaL hazards Amplified by Degradation of protection forests and Extreme precipitation episodes
Förderprogramm: ACRP – 8th Call (2015)
Projektlaufzeit: 2016 - 2018
Projektleitung: Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Manfred J. Lexer
Projektpartner: Umweltbundesamt GmbH, Austrian Institute of Technology (AIT)