ReSciPI: Wissenschaft und Politik - wie am besten verknüpfen?

Für eine erfolgreiche Klimapolitik ist nicht nur das Einbeziehen unterschiedlicher Interessen nötig, sondern auch eine effektive Verbindung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Entscheidungen. Wie innovative Modelle für eine wissenschaftlicher Politikberatung in der Klimapolitik aussehen können, damit befasste sich das Projekt ReSciPi.

Die effektive Verbindung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Entscheidungen stellt eine große Herausforderung politischer Steuerung im komplexen Bereich des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung dar. Das vom Klima- und Energiefonds geförderte Forschungsprojekt ReSciPI („Reshaping Science-Policy Interactions in Climate Policy: International Stock-Taking and Lessons for Austria“) geht der Frage nach, wie innovative Modelle wissenschaftlicher Politikberatung in der Klimapolitik aussehen können. Politikberatung wird dabei als dynamischer und interaktiver Prozess verstanden, bei dem es um den Austausch und die „Aushandlung“ zwischen verschiedenen Gruppen – WissenschaftlerInnen, EntscheidungsträgerInnen, Interessensgruppen, Medien und BürgerInnen – geht. Das Projekt liefert damit politikrelevante Erkenntnisse, wie in Österreich (aber auch darüber hinaus) Klimawissenschaft und Klimapolitik produktiv verknüpft werden können.

Der politisch-kulturelle Kontext von Wissenschafts-Politik-Interaktionen in Österreich

Die umfassende Bestandsaufnahme der österreichischen Landschaft wissenschaftlicher Klimapolitikberatung zeigte, dass die vorherrschende politische Kultur stark die Art und Weise beeinflusst, wie Wissen in der österreichischen Klimapolitik vermittelt und genutzt wird. Österreichische Klimapolitikberatung zeichnet sich durch Überschaubarkeit („Kleinheit“) der Klimaforschung und Klimapolitik, durch eine einflussreiche Rolle von Sozialpartnern und Verwaltung in der Vermittlung von wissenschaftlicher Expertise und die große Bedeutung informeller Kontakte für die Wissenschaft-Politik-Interaktion aus. Darüber hinaus finden sich ein starker Einfluss politischer „Rationalitäten“, mangelnde institutionalisierte Kommunikation von Forschungsergebnissen und deren Unsicherheiten sowie ein geringer Grad an Transparenz.

Diversität von Beratungsinstitutionen und -aktivitäten

Ein systematischer Überblick und Vergleich von 30 Institutionen wissenschaftlicher Politikberatung in 11 OECD Ländern zeigte die Diversität von Klimapolitikberatung, die vermehrt über einen linearen Transfer von Wissen hinausgehen. Institutionalisierungsformen reichen von Forschungsinstitutionen mit Beratungsaktivitäten über wissenschaftliche Beratungsgremien und ‑prozesse bis hin zu Internet-gestützten Informationsdienstleistungen und –plattformen. Zugleich wurde eine große Vielfalt an unterschiedlichsten Beratungsaktivitäten identifiziert. Erfolgreiche Beratungsinstitutionen nehmen meist mehrere Aktivitäten gleichzeitig wahr.

Angebot an Beratungsaktivitäten:

  • Identifizierung von Wissensbedürfnissen und Forschungslücken
  • Aufbau und Koordinierung von beratungsbezogenen Akteursnetzwerken
  • Systematische Zusammenstellung und „lebensweltliche Übersetzung“ wissenschaftlicher Informationen
  • Entscheidungsunterstützungswerkzeuge und –methoden
  • Analyse, Evaluation und Entwicklung von Politikoptionen
  • Personenbezogene Politikberatung und Konsultation
  • Öffentlichkeitsarbeit (von klassischer Medienarbeit über Internet-basierte Formen bis zu interaktiven Formaten)

Innovative Modelle der Wissenschafts-Politik-Interaktion und Ansatzpunkte für Österreich

In einer vertieften Untersuchung von neun Beratungsinstitutionen in vier Ländern (Deutschland, Niederlande, Großbritannien und Schweiz) konnte eine Reihe institutioneller Innovationen identifiziert werden. Diese Modelle und Innovationen bieten eine Reihe von Anknüpfungspunkten für die produktivere Verbindung von Klimawissenschaft und –politik in Österreich. Der Ländervergleich zeigte aber auch die starke Kultur- und Kontextgebundenheit wissenschaftlicher Politikberatungspraktiken. Erfolgreiche Formate nur schematisch zu kopieren ist nicht zielführend, sie müssen an die jeweiligen länderspezifischen Gegebenheiten angepasst werden. Vor dem Hintergrund der spezifischen politischen Kultur und der ‚Kleinheit‘ Österreichs bieten insbesondere ‚schlankere‘ und fokussierte Modelle gute Ansatzpunkte: So kann z.B. das Schottische CXC Call Down Service als Inspiration für eine intensiviere Vernetzung von WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen dienen. Das CXC zeigt auch, wie mittels eines kleinen Sekretariats schnell auf tagespolitische Anfragen aus Politik und Verwaltung reagiert werden kann. Weiters könnte eine stärkere Einbindung parlamentarischer AkteurInnen in Wissenschafts-Politik-Interaktionen der österreichischen Klimapolitik neuen Aufschwung geben. Hier stellen die parlamentarischen Lunch-Treffen, wie sie vom Schweizer ProClim organisiert werden, eine niedrigschwellige Form des regelmäßigen Austauschs dar. Gerade im Bereich der Anpassungspolitik eröffnen sich Optionen für kollaborativere Formen der Wissenschaft-Praxis-Interaktion. Die regionalen Forschungsprogramme KLIMZUG oder KfC (Knowledge for Climate, Niederlande) zeigen, wie die Formulierung von regionalen Anpassungsstrategien partizipativ unter Einbezug von Wissenschaft, Politik und regionalen Stakeholdern erfolgen kann. Gerade in Österreich könnten solche Ansätze helfen, den „föderalen Phlegmatismus“ in der Klimapolitik zu überwinden. Darüber hinaus haben die internationalen Beispiele besonders verdeutlicht, dass Österreich im Bereich Transparenz und Sichtbarkeit von Politikberatung einen großen Aufholbedarf hat. Hier dient das britische CCC (Committee on Climate Change) als gutes Modell für eine proaktive Offenlegungspolitik und Disseminationsstrategie wissenschaftlicher Expertise in Politik und Öffentlichkeit. Die niederländische PBL (Environmental Assessment Agency) zeigt, wie Unsicherheiten kommuniziert werden können, um die Glaubwürdigkeit, Legitimität und Relevanz von wissenschaftlicher Politikberatung sicher zu stellen.

Neben diesen eher kurz- und mittelfristigen Optionen bedarf es jedoch auch langfristiger und struktureller Erneuerungen, um Klimapolitikberatung in Österreich effektiver zu gestalten. Wissenschaftlicher Expertise wird in anderen Ländern durchwegs ein höheres politisches Gewicht beigemessen als in Österreich. Es scheint daher notwendig, den Nutzen wissenschaftlicher Inputs für planerische und politische Entscheidungen deutlicher zu transportieren und die Sichtbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse in der politischen und öffentlichen Debatte zu erhöhen. (Oktober, 2014)

Forschungsberichte aus dem ReSciPI-Projekt

Hermann, A.T., A. Bauer, M. Pregernig, S. Reinecke, K. Hogl und T. Pistorius (2012): Die Interaktion von Wissenschaft und Politik in der österreichischen Klimapolitik,  InFER Diskussionspapier 01/2012.

Reinecke, S., A. Bauer, M. Pregernig, A.T. Hermann, T. Pistorius and K. Hogl (2013a): Scientific climate policy advice: An overview of national forms of institutionalizationInFER Diskussionspapier 2/2013.

Reinecke, S., A.T. Hermann, A. Bauer, M. Pregernig, K. Hogl and T. Pistorius (2013b): Innovative climate policy advice: Case studies from Germany, the Netherlands, Switzerland and the UKInFER Forschungsbericht 1/2013.