STOPHOT: Kühlen Kopf trotz Hitze
Die Zunahme der Hitzebelastung gehört zu den unmittelbarsten und vorhersehbarsten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels in unseren Breiten. Leidtragende sind vor allem ältere Menschen. Was man angesichts der demografischen Entwicklung dringend in Angriff nehmen sollte, zeigen die neuersten Ergebnisse des Forschungsprojektes „STOPHOT“.
In Städten sind heiße Sommer aufgrund der Bildung sogenannter Wärmeinseln in dicht verbauten, grün- und wasserflächenarmen Bereichen besonders ausgeprägt. Dies führt zu einer starken Hitzebelastung der Bevölkerung, von der speziell ältere Menschen betroffen sind. Eine erhöhte Krankheitshäufigkeit und Sterblichkeit älterer Personen während Hitzeperioden wurde besonders im Hitzesommer 2003 in mehreren Städten beobachtet. Die Situation wird sich in Zukunft aufgrund des erwarteten Temperaturanstiegs und einer wachsenden Zahl von älteren Menschen noch weiter verschärfen.
Umsetzungsorientierte Forschung durch Einbezug von ExpertInnen und Befragung von Betroffenen
Das vom Klima- und Energiefonds geförderte Projekt STOPHOT „Cool Towns for the Elderly – Protecting the Health of Elderly Resistents against Urban Heat“ zielt darauf ab, Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen für ältere Personen (> 65 Jahre) während heißer Perioden in Wien zu entwickeln.
Das interdisziplinäre Projektteam hat die Arbeiten im Projekt in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Wien durchgeführt Eingebunden waren u. a. die Magistratsabteilung 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung), die Wiener Umweltanwaltschaft, die Wiener Gesundheitsförderung und die SeniorenInnenbeauftragte der Stadt Wien. Die Zusammensetzung der Projektpartnerschaft zeigt, dass großer Wert auf die Einbindung von Personen aus der Praxis und der Stadtverwaltung gelegt wurde.
Ressourcenmangel behindert die Umsetzung von Maßnahmen für ältere Menschen
Über 800 Wiener SeniorInnen (> 65 Jahre) wurden u.a. zu ihrer Wahrnehmung hitzebedingter Auswirkungen sowie ihrem Verhalten bei Hitzeperioden befragt. Zu Vergleichszwecken wurden außerdem weitere 300 WienerInnen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren interviewt. Dazu kamen 15 Tiefeninterviews mit ExpertInnen, die sich beruflich mit der Thematik Klimawandel/Hitze oder ältere Menschen beschäftigen. Letztere zeigten auf, dass die Themen Hitze und Klimawandel zwar bekannt, aber erst wenige der vielen möglichen Gegenmaßnahmen für ältere Menschen umgesetzt seien. Das liege unter anderem an unzureichender ressortübergreifender Zusammenarbeit, aber auch an finanziellem und personellem Ressourcenmangel.
Zuviel Hitze macht müde, krank – und einsam
Die Hälfte der privat lebenden älteren Personen und gleich zwei Drittel der HeimbewohnerInnen gaben an, dass heiße Tage und Nächte häufiger auftreten und Hitzeperioden länger anhalten als noch vor zehn Jahren und beklagen vor allem daraus resultierende Müdigkeit und Schlafprobleme. Die StudienautorInnen kommen zum Schluss, dass Ältere, die sich nicht effektiv an Hitze anpassen können, gleich doppelt gefährdet sind: nicht nur wegen der erhöhten Gesundheitsgefährdung, sondern auch wegen der erschwerten sozialen Teilhabe. Letzteres Risiko besteht vor allem, wenn sich die Betroffenen während einer Hitzewelle in die eigenen vier Wände zurückziehen. Dadurch werde der Sozialkontakt erschwert und die Sichtbarkeit betagter Menschen im öffentlichen Raum verringert – was in weiterer Folge zu sozialer Isolation und Einsamkeit im Alter führe.
Die Befragungsergebnisse der SeniorInnen zeigen aber auch, dass die Hitzebelastung und das Risiko für ältere Menschen im Stadtgebiet räumlich und sozial ungleich verteilt sind. BewohnerInnen sozial weniger privilegierter Wiener Bezirke empfanden ihre Wohnungen als heißer und nannten eine höhere Anzahl an Hitzebeschwerden. Zwar stuften 80 % der BewohnerInnen eines stadtklimatisch benachteiligten Gebietes (Abbildung 1) ihre Wohnung als heiß bis extrem heiß ein, nur der Hälfte der Befragten war allerdings die Lage ihrer Wohnung in einer solchen Wärmeinsel bewusst.
Größter Wunsch: Schattenspender im öffentlichen Raum
Die SeniorInnen selbst erklären den Rückzug in die Wohnung als üblichste Schutzmaßnahme an Hitzetagen. Eine naheliegende Reaktion die aber, so warnt die Studie, bei sozialer Isolation und verminderten Gesundheitsressourcen ein Zusatzrisiko darstellt. Unter vielen Maßnahmenvorschlägen fanden die Befragten schattenspendende Einrichtungen im öffentlichen Raum am wichtigsten, etwa die Beschattung von Rastplätzen und Sitzgelegenheiten, schattige Aufenthaltsplätze in Parks, an Fußgängerwegen und Haltestellen. Ein sog. „Wahlexperiment“, bei dem die befragten SeniorInnen aus verschiedenen Ausgestaltungsvarianten einer Grünanlage auswählen konnten (siehe Abb. 2), belegte die hohe Wichtigkeit des Baumbestandes in Parks und auf den Zugangswegen für das Aufsuchen öffentlicher Erholungsräume in Hitzeperioden. Dahingegen hatten spezielle Informationsangebote zu Verhalten bei Hitze (Rundfunk, Zeitungen, Hausärzte) für die SeniorInnen weniger Bedeutung. (Juli, 2015)
Weiterführende Informationen:
Projektleitung:
Dr. Arne Arnberger (ILEN) Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung (BOKU)
Projektpartner:
Institut für Umwelthygiene (MedUni Wien)
Institut für Soziologie (Uni Wien)
Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit (Deutschland)
Projektlaufzeit:
April 2013 - September 2014