DEUCALION - Muren im Klimawandel
Hochwasser, Geschiebetransport und Muren von Wildbächen stellen seit jeher eine besondere Gefahr in Alpinen Regionen dar. Wie wird der Klimawandel deren Häufigkeit und deren Ausmaß beeinflussen? Dieser Frage untersuchte und beurteilte das Projekt „Deucalion“, dessen Name aus der griechischen Mythologie stammt.
Deucalion und seine Frau Pyrrha überlebten als einzige die Flut, so die griechische Mythologie. Unklar ist, ob dieses frühe Extremwetterereignis oder der familiäre Hintergrund des Helden – Sohn der Vorsorge und Schwiegersohn Pandoras – Pate für das kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekt standen. Im gleichnamigen vom Klima und Energiefonds geförderten ACRP-Projekt Deucalion „Determining and Visualizing Impacts of Greenhouse Climate Rainfall in Alpine Watersheds on Torrential Disasters“ untersuchte ein österreichisch-schweizerisches Forschungsteam, welche Regenmengen zum Auslösen einer Mure erforderlich sind, welchen Verlauf diese nimmt, und wie der Klimawandel in Österreich das Auftreten von Muren beeinflusst.
Archive aus Holz und Papier
Eine wesentliche Informationsquelle waren meteorologische und dendrologische Archive, wobei die Sichtung letzterer eine eigene wissenschaftliche Herausforderung darstellt: handelt es sich doch um die Rekonstruktion des Baumwachstums aus der Breite der Jahrringe, eine (nicht nur) in der Klimaforschung bewährte Methode zum Blick in die Umweltgeschichte. Im Holz der über 1000 beprobten Bäume hatten insgesamt 44 Muren und 17 Lawinen ihre Spuren in Form von Wachsstumsstörungen hinterlassen. Ergänzend durchforsteten die WissenschafterInnen Ortschroniken nach einschlägigen Berichten und stießen dabei auf eindrucksvolle 1907 Einträge ab 1550. Die gesammelten Hinweise wurden mit Wetteraufzeichnungen synchronisiert, um den Einfluss von Regenintensität und -dauer auf die Murenentstehung zu ermitteln.
Sommerzeit ist (noch) Murenzeit
Die Studie verzeichnet regionsabhängig 60–90 % der jährlichen Murenabgänge für Juli bis August und weist damit den Sommer klar als Hauptsaison für diese Naturgefahr aus. Die ForscherInnen ermittelten außerdem Schwellenwerte, ab denen es zu einer Auslösung kommen kann, und ab denen jedenfalls mit einem Murenabgang zu rechnen ist. Die Auslöseschwelle sinkt bei anhaltendem Regen nichtlinear, d. h. bei mehrtägigem Regen reicht bereits ein Bruchteil des Tagesniederschlages, dem der Hang bei einem einmaligen Wolkenbruch standhalten könnte. Ausgehend von einem A1B Emissionsmodell wurden vier unterschiedliche Klimaentwicklungen für die Studienregion simuliert, um die zukünftige Häufigkeit und saisonale Verteilung von murenauslösenden Starkregen abzuschätzen. Mit einer Ausweitung der „Starkregensaison“ ist zu rechnen, und auch extreme sommerliche Starkregen können sich trotz Rückgang der Niederschlagssumme häufen. Eine Häufung murenträchtiger Witterung würde vor allem im Sommer und im Nordosten des Bundesgebietes relevant.
Schlussfolgerungen: Planungsgrundlage und -motivation zugleich
Modellierungen des Murenverhaltens zeigen, dass weniger die Größe einer Mure als deren Zusammensetzung über die Reichweite entscheidet: ein wichtiges Ergebnis für die Dimensionierung von Gefahrenzonen. In den untersuchten Modellregionen reicht der technische Schutzstatus derzeit aus, ergab die sozio-ökonomische Analyse: praktisch keine Gemeinde mit hoher Vulnerabilität entbehrt spezifischer Schutzkonstruktionen, umgekehrt sind auch manche Gemeinden mit geringer Vulnerabilität konstruktiv gut geschützt. Trotz dieser beruhigenden Einschätzung des Ist-Zustands unterstreicht das Forschungsteam durch eigene sozioökonomische und Lebenszyklusanalysen die Wichtigkeit zielgerichteter Erhaltungsinvestitionen – ganz im Einklang mit dem Vorsorgegedanken von Deucalion.
Weiterführende Informationen
Projektleitung:
Dr. Roland Kaitna, Universität für Bodenkultur
Projektpartner:
Dr. Andreas Gobiet, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel
(WegCenter), Universität Graz, Steiermark
Dr. Franz Sinabell, Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), Wien
Dr. Markus Stoffel, Labor für Dendrogeomorphologie (Dendrolab)
Projektlaufzeit:
01.03.2011 – 28.02.2014