Voralpenseen im Klimawandel: Ergebnisse aus dem Projekt RADICAL
Saibling und Reinanken lieben kühle, sauerstoffreiche Gewässer und fühlen sich wohl in den österreichischen Voralpenseen. Der Klimawandel stellt viele Fischarten insbesondere durch erhöhte Temperaturen und ein verstärktes Blaualgenwachstum vor neue Herausforderungen. Welche Auswirkungen dies auf den Bestand von Fischen haben kann, untersucht das Projekt RADICAL am Beispiel der Reinanke.
Saiblinge und Reinanken (=Coregonen, Felchen, Renken) gehören zur Fischfauna der Voralpenseen, die sich - nach großen Anstrengungen in der Wasserreinhaltung - wieder weitgehend in einem guten ökologischen Zustand befinden. Die ökologischen Ansprüche dieser Arten sind eng an kühle, sauerstoffreiche und daher nährstoffarme Gewässer gebunden. In den letzten Jahrzehnten kam es häufig zur Überdüngung (Eutrophierung) der Seen durch ungereinigte Abwässer, was zu einer Gefährdung der Populationen beigetragen hat. Die Auswirkungen des Klimawandels können nun zu einer neuerlichen Gefährdung dieser Arten führen. Dazu gehören einerseits direkte Habitateinschränkungen, die infolge von mächtigeren und wärmeren Oberflächenschichten entstehen. Gleichzeitig können Temperaturanstiege im Tiefenwasser zu Störungen des Fortpflanzungserfolges durch Sauerstoffmangel am Gewässerboden führen. Auch indirekte Effekte, wie eine erhöhte Nährstoffzufuhr (Eutrophierung), können sich negativ auf die Fischbestände auswirken. Mögliche Ursachen dafür sind veränderte Niederschlagscharakteristika und damit verbundene Erosionsereignisse oder Veränderungen der Planktongemeinschaften und verstärktes Algenwachstum durch längere Vegetationsperioden.
Eine zusätzliche Gefahr für die Fischbestände geht von einer möglichen klimabedingten Zunahme an Blaualgen (Cyanobakterien) aus. Insbesondere die Blaualgenart Planktothrix rubescens ist in Österreichs Gewässern weit verbreitet und produziert Gifte, die u.a. leberschädigende Wirkung auf Wirbeltiere zeigen. Inwieweit und in welchen Konzentrationen diese Gifte das Überleben von empfindlichen Fischembryonen und -larven beeinflussen, untersucht das vom Klima- und Energiefonds finanzierte Projekt RADICAL (Risk Analysis of Direct and Indirect Climate effects on deep Austrian Lake Ecosystems). Zudem zielt das Projekt darauf ab, den Einfluss des Klimawandels auf das Wachstum der Blaualgenart zu quantifizieren.
Altersstruktur und Population von Reinanken
In einem ersten Schritt wurden mittels größen-/längen- und altersbasierten demographischen Rechenmodellen die zukünftige Entwicklung der Reinanken-Populationen dargestellt. Im Weiteren wurden die direkten Effekte des erwarteten Temperaturanstiegs in die Berechnungen miteinbezogen und die Modelle weiter verfeinert.
Die Ergebnisse der Modellrechnungen zeigen, dass eine erhöhte Wassertemperatur zwar nur geringe Auswirkungen auf das Wachstum der Fische haben wird, die Überlebensraten jedoch deutlich abnehmen werden. Insgesamt ergeben sich aufgrund der zunehmenden Wassertemperaturen deutlich negative Populationsentwicklungen, wenn die Bewirtschaftungsmaßnahmen (Ausfang und Besatz) auf dem heutigen Stand bleiben und nicht angepasst werden.
Blaualgenwachstum unter geringen Veränderungen physikalischer und klimatischer Umweltfaktoren
Im Zuge des Projekts wurde die Algengemeinschaft des Mondsees über zwei Jahre hinweg untersucht, wobei das Phytoplankton weitgehend aus unterschiedlichen Algenarten, Einzellern und ungiftigen Cyanobakterien besteht. Es wurden die tatsächlich beobachteten Wachstumsraten mit den modellierten Wachstumsraten verglichen. Blaualgen wie z.B. Planktothrix gehören häufig zu den relativ langsam wachsenden Algengruppen und bilden daher Algenblüten erst im Spätsommer und Herbst aus. Eine Verlängerung der Wachstumsperiode im Herbst infolge des Klimawandels ist von entscheidender, ökologischer Relevanz und führt zu erhöhtem Wachstum. Schon kleine Änderungen in der Stabilität der Wassersäule und damit verbundene höhere Wassertemperaturen sowie mehr Lichtverfügbarkeit – bieten entscheidende Vorteile für das Planktothrix-Wachstum. Zusammenfassend rechnet RADICAL daher im Hinblick auf den Klimawandel mit einem erhöhten Blaualgenwachstum in Voralpenseen.
Einfluss der von Blaualgen produzierten Giftstoffe auf die Fischfauna
Weiters befasste sich das Projekt mit umfangreichen empirischen Untersuchungen zur ökologischen Verfügbarkeit sowie zu den Auswirkungen von Blaualgengiften (Mycrocystine) auf Reinanken. Die Ergebnisse zeigen, dass keine unmittelbare Gefahr für die Eientwicklung und das Juvenilwachstum von Fischen besteht, wenn von ökologisch realistischen Konzentrationen ausgegangen wird. Dies steht jedoch teilweise im Widerspruch zu vorliegenden Literaturdaten. Zur Absicherung der Ergebnisse sollten daher weitere Forschungsaktivitäten gesetzt werden. Im Rahmen von RADICAL wurden, aufgrund der hier als vernachlässigbar festgestellten Auswirkungen der Blaualgengifte auf die Entwicklung der Reinankenpopulation, diese nicht weiter modelliert.
Empfehlungen und Schlussfolgerungen für das Fischereimanagement von Voralpenseen
Die Ergebnisse von RADICAL zeigen einen deutlich negativen Einfluss erhöhter Wassertemperaturen auf die Populationsentwicklung der Reinanken, insbesondere wenn Bewirtschaftungsmaßnahmen wie Besatz und Ausfang unverändert bleiben. Daher wird den BewirtschafterInnen der Gewässer empfohlen, die Verminderung des Populationswachstums bei erhöhten Temperaturen zu berücksichtigen und die Ausfänge entsprechend zu beschränken. Auch der Besatz kann, zumindest in manchen Populationen, eine wichtige Managementmaßnahme darstellen, besonders wenn der Ausfang relativ hoch ist.
Die Studie kommt weiters zum Ergebnis, dass Klimaveränderungen einen relevanten Einfluss auf das Blaualgenwachstum haben. Klimaveränderungen sollten also hinsichtlich des Blaualgenwachstum jedenfalls berücksichtig werden. Eine unmittelbare Gefahr für den Bestand der Reinankenpopulationen durch die Blaualgengifte wird jedoch derzeit nicht gesehen, da diese zumindest unter realistischen ökologischen Bedingungen nur einen vernachlässigbaren Einfluss haben. (April, 2014)
Weitere Informationen:
Projektleitung:
Univ. Doz. Dr. Josef Wanzenböck,
Forschungsinstitut für Limnologie, Mondsee der Universität Innsbruck
Email: Josef.wanzenboeck@uibk.ac.at
Projektpartner:
Univ. Doz. Dr. Rainer Kurmayer, Forschungsinstitut für Limnologie Mondsee der Universität Innsbruck
Prof. Dr. Britta Grillitsch, Veterinärmedizinische Universität, Wien.
Projektlaufzeit: April 2010 – März 2013
Referenzen: