Natürliche Wasserrückhaltemaßnahmen

Auf einer Plattform der Europäischen Kommission finden sich umfangreiche Informationen zu natürlichen Wasserrückhaltemaßnahmen. Neben allgemeinen Informationen, einem Praxisleitfaden und Kennkarten zu unterschiedlichen Maßnahmen wurden auch über 100 Fallstudien im Rahmen des Projektes dokumentiert.

Flusslandschaft; Maeandrierung

Natürliche Wasserrückhaltemaßnahmen (natural water retention measures, NWRM) sind Maßnahmen, deren primäre Funktion die Förderung und/oder Wiederherstellung der Rückhaltekapazität von natürlichen und anthropogenen Boden- und aquatischen Ökosystemen ist. Dadurch bewirken sie eine Reihe von Vorteilen:

  • Sie halten Wasser über die vorhandene Kapazität der Systeme hinaus zurück und geben es mit kontrollierter Geschwindigkeit wieder frei oder leiten es in das Grundwasser ein.
  • Sie nutzen die Rückhaltekapazität von Böden und aquatischen Ökosystemen und bieten weitere Vorteile für Umwelt und Wohlbefinden, wie die Verbesserung der Wasserqualität, der Biodiversität, des Erholungswertes oder der Widerstandsfähigkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels.
  • Sie werden im Vergleich zur Größe des örtlichen Wassereinzugsgebietes üblicherweise in relativ kleinem Maßstab ausgeführt.
  • Sie ahmen natürliche Prozesse nach, auch wenn sie selbst nicht immer „natürlichen“ Ursprungs sind, wie beispielsweise Gründächer.

Eine Umsetzung von Einzelmaßnahmen ist eher unüblich. Vorwiegend werden sie in Kombination mit anderen natürlichen Wasserrückhaltemaßnahmen oder auch gemeinsam mit grauer Infrastruktur realisiert. Die große Herausforderung ist, die richtige Maßnahmenkombination zu finden, die dem Einzugsgebiet beziehungsweise dem Planungsprozess entspricht.

Die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission erkannte den Mehrwert natürlicher Wasserrückhaltemaßnahmen und förderte zwischen 2013 und 2014 ein Projekt zu integrierten natürlichen Wasserrückhaltemaßnahmen. Dabei wurden eine öffentlich zugängliche Wissensbasis aufgebaut sowie ein Praxisleitfaden entwickelt. Kennkarten zu unterschiedlichen natürlichen Wasserrückhaltemaßnahmen zeigen unter anderem finanzielle Aufwendungen, biophysikalische Auswirkungen sowie zu erwartende Ökosystemleistungen. Die Kennkarten gliedern sich in vier unterschiedliche Bereiche mit folgenden natürlichen Wasserrückhaltemaßnahmen:

  • Landwirtschaft: Wiesen und Weiden, Pufferzonen und Hecken, Fruchtfolge, Streifenkultur entlang von Höhenlinien, Zwischenkulturanbau, Direktsaat, reduzierte Bodenbearbeitung, Begrünung, Frühsaat, traditionelle Terrassenkultur, permanente Fahrwege, reduzierte Besatzdichte, Mulchen
  • Forstwesen: Auenstreifen, Erhaltung von Waldflächen in Quellgebieten, Aufforstung in Einzugsgebieten von Wasserspeicherbecken, gezielte Bepflanzung zum Auffangen von Niederschlag, Landnutzungsänderung, Dauerwald, „wasserschonende“ Fahrweise, zweckmäßige Gestaltung von Straßen und Bachquerungen, Sedimentfang-Teiche, Totholz, Städtischer Waldpark, Bäume in Stadtgebieten, Schutzbauten gegen Abflussspitzen in bewirtschafteten Wäldern, Oberflächenabflussgebiete in Moorwäldern
  • Hydromorphologie: Becken und Teiche, Feuchtgebietsrenaturierung und -bewirtschaftung, Wiederherstellung und Management von Überschwemmungsflächen, Remäandrierung, Renaturierung des Flussbetts, Renaturierung und Wiederanschluss saisonaler Wasserläufe, Wiederanbindung von Altarmen und ähnlichen Elementen, Flussbettrenaturierung, Beseitigung von Dämmen und anderen Längsbarrieren, natürliche Uferbefestigung, Beseitigung des Uferschutzes, Renaturierung von Seen, Wiederherstellung natürlicher Infiltration in das Grundwasser, Renaturierung von Polderflächen
  • Stadt- und Raumplanung: Gründächer, Regenwassergewinnung, durchlässige Oberflächen, Versickerungsmulden, Kanäle und Rinnen, Filterstreifen, Sickergruben, Sickergräben, Regengärten, Speicherbecken, Rückhaltebecken, Infiltrationsbecken

 

Weiters stehen ein Folder, Tabellen zu den Vorteilen der Maßnahmen und weitere Informationen zur Verfügung. Über 100 Fallstudien zu natürlichen Wasserrückhaltemaßnahmen wurden im Rahmen des Projektes dokumentiert, inklusive Informationen zu den biophysikalischen Auswirkungen, zum Teil auch zu Investitionskosten, Finanzierungsmechanismen und mehr. Die Fallstudien können über eine interaktive Karte recherchiert oder mittels spezifischer Kriterien gesucht werden. (MO, Juni 2021)