Möglichkeiten und Grenzen von Narrativen
Wie weit lassen sich Menschen von Geschichten berühren und letztlich auch überzeugen? Wie wirkungsvoll sind Erzählungen, wenn es um die Vermittlung von Klimawandelthemen geht? Dass die auf wissenschaftlichen Fakten basierte, konventionelle Klimakommunikation bisher nicht ausreichend erfolgreich war, ist offensichtlich. Können Menschen mittels "Storytelling" und "Narrativen" besser erreicht werden?
Ein Workshop auf dem K3-Kongress in Karlsruhe im September 2019 betrachtete Chancen und Risiken von "Storytelling" und "Narrativen. Die Empfehlung von Kommunikationsexpertinnen und -experten lautete: Klimawandel und Klimapolitik sollten nicht nur in Form von Tatsachenberichten und Sachkontroversen dargestellt, sondern auch durch fiktionale Darstellungsformen medial vermittelt werden - also durch Erzählung(en).
Die Klimakommunikation ist deshalb so herausfordernd, so die Kommunikationswissenschaftlerin Freya Sukalla von der Universität Leipzig, weil das Thema komplex und abstrakt ist. Es herrscht eine Distanz zwischen dem Klimawandel und den Menschen, weshalb sich diese nicht direkt betroffen, geschweige denn existenziell bedroht fühlen. Außerdem sind die Menschen unsicher, ob Maßnahmen gegen den Klimawandel überhaupt wirksam seien.
Fiktionale Formate, also Erzählungen, können die Einstellungen und Meinungen der – erfundenen – Personen transportieren. Dies erlaubt dem Publikum zudem, sich mit Personen zu identifizieren und so deren Perspektiven kognitiv und emotional zu übernehmen. In der Klimakommunikation könnten also Narrationen abstrakte Sachverhalte illustrieren, sie könnten durch Anschaulichkeit die Bedeutung der Sache vermitteln, die jeweiligen Figuren als Rollenmodelle wirken lassen und letztlich auch Emotionalität auslösen.
Ein Beispiel wären Spielfilme, die den Antrieb für moralisches Handeln stärken. Als Drehbuch für packende Erzählungen hat sich die sogenannte „Heldenreise“ schon oft bewährt. Die Heldin oder der Held steht vor einer schwierigen Aufgabe, überwindet Hürden und Widerstände und kann die Aufgabe schließlich meistern. Kommunikationsforscherin Sukalla warnt allerdings davor, das Mittel der Narration zu überschätzen, sie würde fiktionale Formate nicht zur Wissensvermittlung einsetzen. Besser eingesetzt seien Erzählungen, um für bestimmte Themen zu sensibilisieren und an Zielgruppen heranzukommen, die sonst nur schwer erreichbar sind. Zu bedenken sei auch, dass eine allzu große Aufdringlichkeit und die Möglichkeit von Verzerrung bis hin zu Desinformation zu Problemen führen können.
Ebenso dem Thema Klimakommunikation widmete sich das "Climate Story Lab": Es will erzählerische Formate als Teil der Klimakommunikation voranbringen. Nach zwei Stationen in New York und London kam es im Oktober nach Berlin. Storytelling-Projekte aller Art konnten sich zur Teilnahme bewerben. "Wir wollen, dass Storytellerinnen und Storyteller, Aktivistinnen und Aktivisten, Expertinnen und Experten, und Vertreterinnen und Vertreter von NGOs zusammenkommen, um unsere Ansätze rund um die Klimakommunikation umfassend zu erneuern", so Festivalleiterin Anna Ramskogler-Witt. Unter dem organisatorischen Dach des Human Rights Film Festival versteht sich das Climate Story Lab als Mischung aus Kulturfestival und Ideenwerkstatt Prototypen dokumentarischer, journalistischer und künstlerischer Beiträge werden präsentiert und mit Beteiligung des Publikums weiterentwickelt.
Erklärtes Anliegen ist, das Spektrum der Möglichkeiten zu erweitern, mit denen sich die Gesellschaft über den Klimawandel verständigt. "Um Menschen zu erreichen und zu einem gesellschaftlichen Umdenken beizutragen, bedarf es überzeugender Erzählungen", so Festivalleiterin Anna Ramskogler-Witt. Die Bandbreite soll dabei reichen von einem Storytelling, "das einerseits durch Weltuntergangsszenarien die gebotene Dringlichkeit aufzeigt, andererseits durch Visionen zum Handeln anregt, ohne die Thematik zu verharmlosen". (EM, 2020)