Workshop Wald und Wild im Klimawandel
Die klimabedingten Herausforderungen erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen Forst und Jagd. Der „klimafitte“ Wald möchte sich einstellen, scheitert aber häufig am Verbiss. Forst- und jagdliche Maßnahmen müssten aufeinander abgestimmt werden. Ziel wäre ein Wildstand, der eine Waldverjüngung mit möglichst vielen verschiedenen Baum- und Straucharten ohne Schutz aufkommen lässt.
Am 19. November fand im Oktogon Am Himmel in Wien der Workshop „Wald und Wild im Klimawandel“ statt. Ziel der Veranstaltung war es, einen Dialog zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen zu diesem Thema anzustoßen sowie nach gemeinsamen Lösungsansätzen zu suchen. Veranstaltet wurde der Workshop durch das Kuratorium Wald in Kooperation mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT). Teilgenommen haben etwa 40 Personen aus unterschiedlichen Fachrichtungen.
Insgesamt sieben Vorträge unterschiedlicher Expertinnen und Experten wurden abgehalten, gefolgt von Diskussionsrunden. Im Folgenden einige inhaltliche Auszüge:
- Rechtliche Anforderungen des Bergwaldprotokolls (Paul Kunico, Kuratorium Wald)
Gemäß Abs. 2 des Bergwaldprotokolls ist auf eine natürliche Waldverjüngung zu achten, ebenso auf einen gut strukturierten, stufigen Bestandsaufbau mit standortgerechten Baumarten, den Einsatz von autochthonem forstlichen Vermehrungsgut sowie die Vermeidung von Bodenerosion und -verdichtungen durch schonende Nutzungs- und Bringungsverfahren. Gleichzeitig sollen Schalenwildbestände auf jenes Maß begrenzt werden, welches eine natürliche Verjüngung standortgerechter Bergwälder ohne besondere Schutzmaßnahmen ermöglicht. Die Herausforderungen bestehen neben der Berücksichtigung klimabedingter Veränderungen in der Schaffung eines ausgeglichenen Wald-Wild-Verhältnisses und somit bei der Abstimmung forst- und jagdlicher Maßnahmen. - Herausforderungen, Gefahren und Chancen des Waldes im Klimawandel (Norbert Putzgruber, Österreichische Bundesforste)
Klimawandelinduzierte Herausforderungen sind beispielsweise das deutlich erhöhte Aufkommen von Borkenkäfern durch Trockenheit und Hitzeperioden, Wildschäden und fehlende Verjüngung. Aktuell ist bereits ein Überangebot von Rundholz in Mitteleuropa zu verzeichnen. In Zukunft ist weiteres Schadholz zu erwarten. Der Trend bei der Baumartenverteilung wird in Richtung Abnahme von Fichte und Zunahme von Lärche und Tanne gehen. Eine Zusammenarbeit aller Beteiligten ist erforderlich: Waldbesitzende, Wissenschaft, Naturschutz, Jagd, Holzindustrie, Tourismus, etc. - Schutzwald im Klimawandel (Alexander Starsich, BMNT)
Ca. 30 % der Waldfläche Österreichs (1,2 Mio. ha) haben eine Schutzfunktion (BMNT, Waldentwicklungsplan, 2019). Ohne die Schutzfunktion des Waldes könnten knapp 50 % des Lebens- und Wirtschaftsraumes in Österreich nicht genutzt werden. 34 % der Schutzwaldbestände befinden sich in der Terminal- bzw. Zerfallsphase. Der Anteil an durch Wildverbiss geschädigten Flächen im Schutzwald ist hoch. Weiters setzen Stürme, Hagel, Lawinen, Trockenheit (Waldbrand) und Starkregen dem Schutzwald zu. Kommt es zu einem Verlust des Baumbestandes, führt dies zu einer Reduktion der Schutzwirkung und veränderten Gefahrenszenarien. Meist besteht jedoch erst in Akutphasen Handlungs- und Zahlungsbereitschaft. - Wildeinflussmonitoring (WEM) (Heimo Schodterer, BFW)
Das Wildeinflussmonitoring (WEM 2004–2019) zeigt: Der „klimafitte“ Wald möchte sich einstellen, scheitert aber am Verbiss. - Wildeinfluss und Forstwirtschaft (Sylvia Scherhaufer, NÖ Jagdverband)
Eine leichte Verbesserung des Wildeinflusses wird beispielsweise in Niederösterreich verzeichnet. Er ist aber nach wie vor besorgniserregend v.a. bei Tanne und Laubholz. Der Forst-Jagd-Dialog ist eine wichtige Plattform zum Informationsaustausch. - Sicht des ökologischen Jagdverbandes (Franz Puchegger, Ökologischer Jagdverband Österreich)
Ziel der Ökojagd ist ein Wildstand, der eine Waldverjüngung mit möglichst vielen verschiedenen Baum- und Straucharten ohne Schutz aufkommen lässt. Es werden weder Zäune, noch Plastikhüllen, Eisenstäbe, chemische Streichmittel etc. verwendet. Für überhöhte Wildbestände gibt es drei Gründe: Trophäenkult, Fütterung (falsch verstandene Hege) und Bürokratismus. Abhilfe schaffen können u.a. Waldbegehungen in Schadensgebieten mit Jägerinnen/Jägern und Forstwirtinnen/Forstwirten oder moderne Jagdmethoden (Intervall-, Bewegungsjagd, Gruppenansitz). Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt. Konkret sichtbar wird dies beim Zustand der Vegetation, der Artenvielfalt in der Kraut und Strauchschicht, einer hohen Artenvielfalt bei den Wildtieren, keine Jagd-/Wildgatter, keine Fütterung (Domestizierung), natürliche Wilddichten von 1–2 Stück Rotwild pro 1.000 ha, Wildruhezonen, Kürzung der effektiven Jagdzeit sowie die Akzeptanz großer Beutegreifer.
Folgende Erkenntnisse wurden festgehalten:
- Schalenwildbestände reduzieren, um natürliche Waldverjüngung mit standortgerechter Baumartenzusammensetzung zu ermöglichen
- Fütterung von Schalenwild auf Heu reduzieren bzw. zum Teil auflassen; Fütterung ist nicht geeignet, Wildschäden zu verhindern/verringern
- Ziel ist ein naturnaher Wildbestand
- engere Zusammenarbeit zwischen Jagd-, und Forstwirtschaft, Wissenschaft/Forschung, Naturschutz, Verwaltung für erfolgreiche Lösungsansätze
- alte Bejagungsmethoden überdenken und neue Jagdmethoden einführen
- eine naturnahe Waldbewirtschaftung mit natürlicher Waldverjüngung standortgerechter Baumarten verfolgen
- Schutzwald steht aufgrund der Klimaveränderungen vor Herausforderungen und wird wegen zunehmender Wetterextreme an Bedeutung gewinnen
- Wildruhezonen sind notwendig, um Wild die nötige Ruhe zu bieten und Wildschäden aufgrund von Stress zu verhindern
Alle Vortragsunterlagen sind auf der Seite von „Am Himmel“ downloadbar. (MO, Dezember 2019)