reclip:century

(30.06.2011) Ein Projektteam unter der Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) mit Beteiligung des Instituts für Meteorologie der Universität für Bodenkultur, des Wegener Zentrums der Universität Graz sowie der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik erarbeitet ein für Österreich und den Alpenraum maßgeschneidertes Ensemble regionalisierter Klimaszenarien, das die Auswirkungen des Klimawandels und die Bandbreite möglicher Entwicklungen aufzeigt. Das Projekt reclip:century liefert damit wichtige Datengrundlagen, um die kleinräumigen Effekte des Klimawandels sowie die Hotspots der Veränderungen zu identifizieren.

Das Projekt wird in zwei Phasen durchgeführt. Mit Juni 2011 ist die Projektphase 1 abgeschlossen. Die Simulationsergebnisse decken den Zeitraum 1960 bis 2000 (für die Modellvalidierung) und Szenarien bis 2050 (Projektphase 1) bzw. 2100 (Projektphase 2) ab und liegen alpenweit als stündliche Daten in einer räumlichen Auflösung von 10 x 10 km Rasterweite vor. Insgesamt werden vier Jahrhundert-Simulationen mit zwei regionalen Klimamodellen durchgeführt, die auf Daten zweier globaler Klimamodelle aufsetzen und auf derzeit zwei IPCC-Szenarien der Entwicklung künftiger Treibhausgas-Konzentrationen basieren.

Aus den stündlich vorliegenden Daten werden Monats- und Jahresmittel abgeleitet, weitere Indikatoren – z. B. Extremereignisse betreffend (Hitzeperioden, Starkregenereignisse) – werden aus Tagesdaten errechnet. Mit den Simulationsergebnissen der unterschiedlichen Regionalmodelle (RCM), Globalmodelle (GCM) und Treibhausgas-Kombinationen werden einerseits Unsicherheitsbereiche dokumentiert. Andererseits wird die Bandbreite von Klimaeffekten bei unterschiedlichem Anstieg der Treibhausgas-Konzentration räumlich relativ detailliert dargestellt. Die Daten können für beliebige räumliche und zeitliche Ausschnitte extrahiert werden.

Modellunsicherheiten, Treffsicherheit und Fehlerkorrektur

Klimamodelle sind vereinfachende Annäherungen an die Wirklichkeit. Sie können viele, aber nicht alle Prozesse im Detail simulieren, da sie komplexe Zusammenhänge in unterschiedlichen räumlichen Skalen (von der molekularen bis zur globalen Ebene) und unterschiedlichen Zeitspannen bewältigen müssen. Die kontinuierlichen atmosphärischen Prozesse müssen räumlich und zeitlich hoch aufgelöst simuliert werden. Sub-skalige Prozesse bleiben unberücksichtigt. Die dabei entstehenden Unsicherheiten müssen in ihrer Bandbreite durch Vergleich unterschiedlicher Klimasimulationen ausgelotet werden.

Um die Treffsicherheit der Simulationsergebnisse einordnen zu können, ist es auch wichtig, Faktoren mit unterschiedlicher Aussageschärfe zu unterscheiden. So lassen sich Veränderungen der Lufttemperatur genauer berechnen als Veränderungen der Niederschläge.

Ein direkter Vergleich mit meteorologischen Messdaten ist nur bedingt zulässig. Klimawandelsignale werden deshalb nicht als Differenz der Simulationsergebnisse von aktuellen Messdaten, sondern als Differenz der Simulationsergebnisse des künftigen Klimas von der Simulation des gegenwärtigen Klimas ausgewiesen. Dies sind die Klimawandelsignale, die in der Klimafolgenforschung zu verwenden sind.

Klimamodelle

Die Antriebsdaten für die regionalen Klimasimulationen stammen von zwei globalen Klimamodellen: ECHAM5-vom Max Plank Institut Hamburg mit 100 km Rasterweite, und HadCM3 vom UK Met Office mit 250 km Rasterweite. Auch zwei IPCC-Treibhausgasszenarien (A1B – moderates Szenario und B1 – optimistisches Szenario) wurden ausgewählt. Die regionalen Simulationen erfolgen mit den zwei Regionalmodellen MM5 vom US-NCAR und dem deutschen Cosmo CLM. Hier werden die drei CLM-Ergebnisse, gerechnet mit Antriebsdaten beider GCMs und für die zwei Treibhausgasszenarien vorgestellt.

Ergebnisse

Temperatur

Generell zeigen die Simulationen für den Alpenraum einen kontinuierlichen Temperaturanstieg: nach der HadCM3/CLM-A12B Simulation wird gegenüber 1971/2000 bis 2000/2031 ein mittlerer Temperaturanstieg von ca. 1 °C erwartet. Bis zur Periode 2031/2060 wird von einem Anstieg von bis zu 2,5 °C ausgegangen.

Zwischen den Szenarien gibt es Unterschiede: ECHAM5/CLM-A1B lässt gegenüber der Periode 2001/2031 bis zur Periode 2021/2050 einen Temperaturanstieg von 1,4 °C, HadCM3/CLM-A1B einen von 1,9 °C erwarten. Die Simulation aus der ECHAM5/CLM-B1 zeigt mit einem Temperaturanstieg von + 1,3 °C nur eine unwesentlich geringere Zunahme im Vergleich zum ECHAM5/CLM-A1B.

Für eine regionale Betrachtung in Österreich werden der Osten und der Westen herausgegriffen.

Im Osten zeigen die A1B-Simulationen folgende Trends: im Winter + 2,1 °C bzw. + 2,2 °C, im Frühling + 1 °C bzw. + 1,2 °C, wobei das HadCM3-getriebene Szenario die höheren Werte liefert. Im Sommer unterscheiden sich beide Simulationen stärker: ECHAM5/CLM-A1B:+ 0,8 °C, HADCM3/CLM-A1B: + 2,3 °C. ECHAM5/CLM-1B zeigt in den Zwischensaisonen die größte Übereinstimmung mit den beiden CLM-A1B-Szenarien: Frühjahr: +1 °C, Herbst: + 1,8 °C. Im Sommer liegt das CLM-B1-Szenario zwischen den beiden CLM-A1B-Szenarien (1, 4 °C). Im Winter liegt es bei 1,3 °C und lässt so gegenüber den A1B-CLM-Szenarien deutlich weniger Temperaturanstieg erwarten. Im Jahresmittel schwanken die Werte zwischen + 1,4 °C (1B-Szenario), + 1,5 °(ECHAM5/CLM-A1B) und + 1,8 °C (HADCM3/CLM-A1B).

Im Westen zeigen die A1B-Simulationen eine ähnliche Übereinstimmung: im Winter + 1,5 °C bzw. + 1,7 °C, im Frühling + 1 °C bzw. + 1,3 °C, im Herbst + 1,9 °C bzw. + 2,2 °C, wobei das HadCM3-getriebene Szenario im Winter und Frühjahr die höheren Werte liefert. Im Sommer unterscheiden sich beide Simulationen stärker: ECHAM5/CLM-A1B:+ 0,8 °C, HADCM3/CLM-A1B: + 2,5 °C. ECHAM5/CLM-1B zeigt in den Zwischensaisonen die größte Übereinstimmung mit den beiden CLM-A1B-Szenarien: Frühjahr: +1 °C, Herbst: + 1,8 °C, im Sommer liegt das CLM-B1-Szenario beim CLM-A1B-Szenario (1, 4 °C), im Winter ebenfalls bei 1,3 °C was gegenüber den A1B-CLM-Szenarien deutlich weniger Anstieg erwarten lässt.

Abbildung 1: Entwicklung der mittleren Temperaturen im Alpenraum: Temperaturanstieg in den 30 Jahresperioden 2001/2030 bis 2031/2060 gegenüber 1971/2000 in °C (Szenario HadCM3/CLM-A1B)
Entwicklung der mittleren Temperaturen im Alpenraum: Temperaturanstieg in den 30 Jahresperioden 2001/2030 bis 2031/2060 gegenüber 1971/2000 in °C (Szenario HadCM3/CLM-A1B)

Niederschlag

Die HADCM3/CLM-A1B Simulation zeigt zwischen der Periode 2001/2030 und der Periode 2021/2050 im Alpenraum insgesamt eine Niederschlagszunahme.

Die Szenarien zeigen, bezogen auf Österreich, beim Niederschlag regional eine breitere Streuung. Dabei ist festzuhalten, dass bei der Veränderung des Niederschlags ein Unsicherheitsbereich von +/- 10% zu berücksichtigen ist, d.h. nur das Über- bzw. Unterschreiten dieser 10% Grenze wird als deutliche Änderung beurteilt. Liegen die relativen Veränderungen zwischen +/- 10%, dann kann von einer weitgehend stabil bleibenden Situation gesprochen werden. Abweichungen, die darüber hinaus gehen, zeigen Niederschlagszunahmen im Winter und Niederschlagsabnahmen im Sommer, die sich soweit ausgleichen, dass die Jahressummen weitgehend konstant bleiben.

Im Osten Österreichs zeigen beide A1B-Szenarien im Winter leichte Zunahmen (8–12 %), während HadCM3-CLM-A1B sowie ECHAM5-CLM-B1 von Abnahmen ausgeht (-13,3 % bzw. -6,9 %). ECHAM5-CLM-A1B zeigt einen gegenläufigen Trend (aber unterhalb des Unsicherheitsbereichs). Unter Beachtung des Unsicherheitsbereichs werden für die anderen Jahreszeiten keine wesentlichen Veränderungen erwartet. Im Sommer weisen alle Szenarien geringfügig in Richtung Abnahme (um -5 %). Beim CLM-B1-Szenario wird überwiegend mit abnehmenden Niederschlägen gerechnet (Winter -16 %, Frühjahr – 7 %).

Im Westen tendieren beide CLM-A1B-Szenarien im Winter in Richtung Niederschlagszunahme (6–11 %), im Sommer in Richtung Niederschlagsabnahme (– 9 % bzw. – 5 %). Im Herbst und Frühjahr werden keine deutlichen Veränderungen erwartet. Das B1-Szenario weist nur im Sommer deutlicher in Richtung Abnahme (- 9 %), für alle anderen Jahreszeiten werden kaum wesentliche Änderungen erwartet.

Entwicklung der Niederschläge im Alpenraum : Veränderung während der 30 Jahresperioden 2001/2030 bis 2031/260 gegenüber 1971/2000 in % (Szenario: HadCM3/CLM-A1B)

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, regionale Klimamodellierungen mit unterschiedlichen Globalmodellen und unterschiedlichen Emissionsszenarien zu rechnen und klimatisch unterschiedliche Regionen getrennt zu analysieren, um die Bandbreite der regionalen Effekte des Klimawandels zu erfassen. Die in der Phase I eingesetzten Treibhausgas-Emissionsszenarien A1B und B1 werden in der Phase II um das A2-Szenario (starker Anstieg der Weltbevölkerung, weiterer hoher Anteil fossiler Brennstoffe) ergänzt.

Die als Antriebsdaten genutzten globalen Zirkulationsmodelle (GCMs) haben größeren Einfluss auf die Ergebnisse als die verwendeten Treibhausgasemissionsszenarien bei Einsatz identer Regionalmodelle. Es wird daher empfohlen, auch künftig mehrere gängige Globalmodelle - auch über die beiden hier eingesetzten HadCM3 und ECHAM5 hinausgehend - einzusetzen.

Politikunterstützung

Die Ergebnisse werden in den nächsten Wochen auf der Homepage des Klima- und Energiefonds und vom AIT veröffentlicht. Die direkten Modellergebnisse und abgeleitete Klimawandel-Indikatoren werden für die Öffentlichkeit über ein Daten-Warenhaus beim AIT verfügbar gemacht. Mit den Ergebnissen liegt erstmals ein einheitlicher Datensatz für Österreich vor, der die Basis für weiterführende Forschungsarbeiten in der Klimafolgenforschung darstellt und dazu beiträgt, die Ergebnisse aus Projekten vergleichbar zu machen.

Sie bilden somit eine wesentliche Grundlage für die Entwicklungen von Anpassungsmaßnahmen, die eine flexible Nachsteuerung ermöglichen und bestehende Unsicherheiten berücksichtigen. Die Ergebnisse werden auch in die nationale Anpassungsstrategie einfließen.

Weiterführende Informationen:

Projektleitung: Wolfgang Loibl, AIT 

Email: Wolfgang.loibl@ait.ac.at  

Projektlaufzeit: Jänner 2010 bis Juni 2011

[1]       Das moderate A1B-Emissionsszenario geht von einem schnellen Wirtschaftswachstum und einer maximalen Erdbevölkerung in der Mitte des 21. Jahrhunderts aus. Es beschreibt für die Zukunft eine ausgewogene Nutzung fossiler und nichtfossiler Energiequellen.

[2]      Das B1-Emissionsszenario entspricht einer günstigen Zukunftsperspektive. Es geht von einer maximalen Erdbevölkerung in der Mitte des 21. Jahrhunderts aus und von einer Veränderung der Wirtschaftsstruktur zugunsten einer Dienstleistungsgesellschaft, die weniger materielle Ressourcen verbraucht und auf sauberere Technologien zurückgreifen kann.