PATCH:ES - Private Anpassung an den Klimawandel
Die erfolgreiche gesellschaftliche Umsetzung von Klimawandelanpassung erfordert, ergänzend und in enger Abstimmung mit öffentlichen Anpassungsstrategien und -maßnahmen, substanzielle Handlungsbeiträge von Privaten wie Haushalten und Unternehmen. Umsetzungsstand und -bereitschaft, Potenziale und mögliche Risiken privater Anpassung an den Klimawandel in Österreich waren bislang jedoch noch kaum untersucht.
Das Projekt PATCH:ES (Private Adaptation Threats and Chances) zielte darauf ab, Stand, Ausmaß, Motivationen, Mechanismen und Potenziale privater Anpassung in Österreich zu untersuchen und Einblicke in mögliche Fehlanpassungspotenziale von privaten Maßnahmen zu gewinnen. Auf dieser Grundlage wurden Handlungsempfehlungen für ein unterstützendes Governance an der Schnittstelle zwischen privater und öffentlicher Sphäre entwickelt, um zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Nationalen Anpassungsstrategie beizutragen.
Der Begriff Governance verweist auf die Art und Weise, wie politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Er umfasst Strukturen, Aktivitäten, Instrumente und Prozesse (wie Koordination, Zusammenarbeit, Kommunikation) von öffentlichen und privaten Akteurinnen und Akteuren, die Entscheidungen und deren gesellschaftliche Umsetzung regeln, steuern und beeinflussen.
PATCH:ES untersuchte private Anpassung anhand von drei thematischen Fallstudien zu Landwirtschaft, Wintertourismus sowie Privathaushalten.
Unter privater Anpassung werden Anpassungsmaßnahmen verstanden, die von privaten Personen, Haushalten sowie Unternehmen umgesetzt und von diesen zum Teil auch initiiert und/oder (ko-) finanziert werden. Im Regelfall zielen diese Maßnahmen darauf ab, einen privaten Anpassungsnutzen zu schaffen, wobei grundsätzlich auch öffentlicher Nutzen entstehen kann.
Private Anpassung in Haushalten, Landwirtschaft und Wintertourismus
Im Zentrum standen drei empirische Fallstudien zu Privathaushalten, Landwirtschaft und Wintertourismus. In den Fallstudien wurden Interviews sowie schriftliche und telefonische Befragungen von privaten Akteurinnen und Akteuren und von institutionellen Stakeholdern durchgeführt. Die Analysen lieferten detaillierte Einblicke und Befunde zur Risikowahrnehmung sowie zum Stand und zur Bereitschaft zur Umsetzung privater Anpassungsmaßnahmen. Zudem wurden Erkenntnisse zu wesentlichen Einflussfaktoren, den Handlungs- und Entscheidungsmotiven sowie zu fördernden und hemmenden Faktoren für private Anpassung gewonnen. Besonderes Augenmerk wurde auch darauf gelegt, Entwicklungen zu identifizieren, die als Fehlanpassung zu bezeichnen sind.
Unter Fehlanpassung werden Maßnahmen verstanden, die vorwiegend reaktiv gesetzt werden und als reine Symptombekämpfung höchstens kurzfristig erfolgversprechend sind, sich jedoch langfristig als kontraproduktiv erweisen. Fehlanpassung kann die Verwundbarkeit anderer Menschen, Regionen oder Sektoren gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels erhöhen, negative (Neben-)Wirkungen für andere Bereiche nach sich ziehen, dem Klimaschutz entgegenwirken, schwer korrigierbar bzw. nachsteuerbar, oder unwirksam sein (IPCC 2014b).
In allen Fallstudiensektoren sind in unterschiedlichem Ausmaß anpassungsrelevante private Maßnahmen zu beobachten, wobei häufig reaktive, schrittweise und wenig aufwändige Anpassungsschritte überwiegen. Ebenso wurden allerdings in allen Fallstudien auch Symptome von Fehlanpassung festgestellt. Sämtliche Ergebnisse sind in ausführlichen Fallstudienberichten dargestellt und wurden in Fact Sheets übersichtlich und leicht verständlich zusammengefasst (siehe Box „Zum Thema“). Stellvertretend werden hier nur zentrale Aussagen der Fallstudie zum Wintertourismus wieder gegeben:
- Auswirkungen des Klimawandels werden von privaten Akteurinnen und Akteuren im Wintertourismus bereits beobachtet, führen aber nicht automatisch zu Anpassungsmaßnahmen, da die Pfadabhängigkeit des Wintertourismus zu groß ist (v.a. führen anhaltend hohe Investitionen in Beschneiung, Liftanlagen, etc. dazu, dass der eingeschlagene Weg des Schitourismus beibehalten wird und Alternativen immer schwieriger umzusetzen sind).
- Stärkster Treiber für Veränderungen im Sinne der Klimawandelanpassung ist die Gästenachfrage. Sommerfrische und Trendsportarten werden stärker nachgefragt und dadurch auch das Angebot besser entwickelt. Das führt zu einer Stärkung des Tourismus im Sommer und in den Zwischensaisonen.
- Eine Unterstützung der privaten Anpassung durch die öffentliche Hand wird auch in Zukunft notwendig sein. Dazu braucht es eine strategische Ausrichtung, die spezifisch auf die jeweilige Region und auf Stärkung der Klimaresilienz fokussiert ist. Empfohlen wird, Alternativangebote derart zu fördern, dass sie sich zu prominenten Leuchtturminitiativen entwickeln können.
Fehlanpassung vermeiden
Das Thema möglicher Fehlanpassung erfährt derzeit – u.a. im Zuge zunehmender Mittelbereitstellung für die internationale Klimafinanzierung – erhöhte Aufmerksamkeit, weil Regierungen, Verwaltung und finanzierende Institutionen ein starkes Interesse daran haben, nur solche Maßnahmen zu finanzieren, die wirksam, kosteneffizient und nachhaltig sind. Fehlanpassung bezeichnet im Gegensatz dazu „Lösungen, die schlechter sind als das ursprüngliche Problem“. PATCH:ES befasste sich mit Risiken von Fehlanpassung im Kontext von privater Anpassung, da private Maßnahmen überwiegend autonom und reaktiv, also ungeplant oder nicht im Bewusstsein des Klimawandels erfolgen sowie in der Regel durch starke Eigeninteressen motiviert sind. So sind für Private z.B. der Schutz eigener materieller und immaterieller Werte oder die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen und einer verbesserten Marktposition von besonderer Bedeutung. Private Eigeninteressen können aber auch in einem Spannungsverhältnis zu gesamtgesellschaftlichen Zielen stehen. Dies kann zu maladaptiven Wirkungen von Anpassungsmaßnahmen führen, wie negativen externen Effekten auf Gemeingüter, einer Verschärfung des Klimawandels und Konflikten mit (anderen) öffentlichen Interessen. Daher wurde auf Basis einer aktuellen Literaturrecherche ein systematischer Katalog von Fehlanpassungskriterien erarbeitet, in die Untersuchungsmethoden der Fallstudien integriert und auf die Analyse der Fallstudienergebnisse angewendet. In allen Fallstudien wurden in unterschiedlichem Ausmaß maladaptive Symptome und Hinweise auf Fehlanpassung festgestellt. Auch Nicht-Handeln kann in bestimmten Fällen als Fehlanpassung gelten. In der Fallstudie zum Hochwasserschutz von Privathaushalten wurden beispielsweise folgende Hinweise für Fehlanpassungsrisiken identifiziert, die aus der Verringerung von Anreizen für privates Anpassungshandeln resultieren:
- Teils überhöhtes Vertrauen in öffentlichen Hochwasserschutz sowie in soziale Unterstützung im Ereignisfall wirkt vielfach hemmend auf die private Vorsorgebereitschaft.
- Ein unrealistisch hohes Vertrauen in private (Haushalts-) Versicherungen vermittelt ein trügerisches Sicherheitsgefühl und führt zum Unterlassen weiterer komplementärer Schutzmaßnahmen.
- Die wahrgenommenen Kosten von Schutzmaßnahmen sind ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Umsetzungsbereitschaft von Haushalten; spezifische Förderangebote für private Maßnahmen zur Risikoreduktion fehlen derzeit jedoch weitgehend. Damit kann die Tendenz entstehen, primär die kostengünstigsten Maßnahmen umzusetzen, ohne deren Wirksamkeit adäquat zu berücksichtigen.
- Schadenersatzleistungen des öffentlichen Katastrophenfonds differenzieren derzeit weder explizit nach dem Risikotyp noch nach dem individuellen Schutz- und Risikoniveau von betroffenen Objekten. Von der derzeitigen Auszahlungspraxis von Bund und Ländern gehen negative Anreizwirkungen auf die Bereitschaft von Haushalten aus, selbst Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Der direkte Risikotransfer von Privaten zur öffentlichen Hand trägt zudem wesentlich dazu bei, dass das Entstehen eines funktionierenden privaten Versicherungsmarktes für Elementarschäden verhindert wird, weil aufgrund der geringen Marktdurchdringung nur marginale Deckungssummen möglich sind.
Der in den Fallstudien getestete Kriterienkatalog eignet sich als Bewertungsrahmen zur ex ante-Prüfung, Priorisierung und optimierten Ausgestaltung von Anpassungsentscheidungen, zum ex post-Monitoring von (privaten) Anpassungspfaden sowie als Orientierungsrahmen zur Vermeidung von Fehlanpassung durch ein adäquates Governance-Design. Das Kriterienset bietet gutes Potenzial, um zu einem operationalen „Maladaptation Screening bzw. Assessment Tool“ weiter entwickelt zu werden.
Steuerung von privater Anpassung
Im Projekt wurde ein Analyserahmen für das Governance privater Anpassung entwickelt und in den Fallstudienuntersuchungen angewendet. Dies ermöglichte es, fördernde und hemmende Faktoren, Stärken und Schwächen sowie Ansatz- und Hebelpunkte zu identifizieren, um private Anpassung in Privathaushalten, der Landwirtschaft und im Wintertourismus zukünftig besser steuern und unterstützen zu können. Auf Basis der Fallstudienergebnisse wurden umfassende Handlungsempfehlungen für das Governance von privater Klimawandelanpassung in den Handlungsfeldern Hochwasserschutz und Hitzeschutz von Privathaushalten, Landwirtschaft und Tourismus erarbeitet. Ein besonderer Fokus wurde dabei auf transformative Maßnahmen gelegt, die – im Gegensatz zu reaktiven, schrittweisen Änderungen - zu einem grundlegenden Umsteuern im Sinne langfristig vorausschauender Anpassungspfade beitragen. Jede Handlungsempfehlung umfasst einen Satz von Einzelmaßnahmen, Umsetzungsschritten, Ausgestaltungs- und Umsetzungshinweisen, die zu einem möglichst kohärenten Handlungspfad gebündelt werden.
Die empfohlenen Maßnahmen können unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden:
- regulative Vorgaben,
- Wissensgenerierung und Informationsvermittlung,
- Bereitstellung von Infrastruktur (technische, informationelle, finanzwirtschaftliche oder Forschungs-Infrastruktur),
- Erbringung von Dienstleistungen (z.B. Schulung, Fortbildung, Beratung, Hilfestellung zur Selbstorganisation) sowie
- finanzielle Anreize.
Einzelne Maßnahmen aus dem überarbeiteten Aktionsplan zur Anpassung an den Klimawandel werden dabei bewusst aufgegriffen, konkretisiert und im Kontext privater Anpassung integriert, um die Anschlussfähigkeit an öffentliche Anpassungspolitik zu gewährleisten.
Die Handlungsempfehlungen zielen darauf ab,
- einen aktivierenden, unterstützenden und befähigenden Rahmen für wirksames und nachhaltiges Anpassungshandeln von privaten Akteurinnen und Akteuren zu schaffen,
- die Kapazität von öffentlichen und intermediären Institutionen zur Erbringung der erforderlichen Unterstützungsleistungen für Private zu stärken,
- Fehlanpassungspfade zu vermeiden bzw. zu korrigieren und
- Synergien mit öffentlicher Anpassung bestmöglich zu nutzen.
Die Empfehlungen richten sich an öffentliche, intermediäre und private Akteurinnen und Akteure, wobei intermediäre institutionelle Stakeholder (wie Vereine, Interessenverbände, Kammern, NGOs) am häufigsten als Umsetzer adressiert werden (oft im Zusammenwirken mit öffentlichen Stellen von Bund, Ländern und Gemeinden). Dass Haushalten, landwirtschaftlichen Betrieben, Tourismusanbietern selbst sowie privaten Unternehmen wie Bergbahnen und Versicherungen ebenfalls häufig eine Rolle bei der Umsetzung zugewiesen wird, unterstreicht die Bedeutung der Eigenverantwortlichkeit bei der privaten Klimawandelanpassung. Die durchgängig breite Verteilung der Handlungstragenden verdeutlicht insbesondere, dass private Anpassung an den Klimawandel entlang eines Kontinuums von öffentlich zu privat stattfindet und die Kooperation von öffentlichen, intermediären und privaten Akteurinnen und Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen erfordert. (Juni 2017)
Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die vorgelegten Handlungsempfehlungen.
Weiterführende Informationen:
Titel: PATCH:ES (Private Adaptation Threats and Chances: Enhancing Synergies with the Austrian NAS Implementation)
Projektleitung: DI Wolfgang Lexer, Umweltbundesamt Wien
Projektpartner:
Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, Universität Graz
AIT – Austrian Institute of Technology
Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Universität für Bodenkultur Wien
Projektlaufzeit: September 2014 – Dezember 2016
Ergebnisse auf der Projektwebsite
Fallstudienberichte
Babcicky, P. & Seebauer, S. (2016): Klimawandelanpassung von Privathaushalten. Fallstudienbericht.
Fehlanpassung und Governance
Lexer, W. & Ahamer, G. (2017): Fehlanpassung: Entwicklung eines Bewertungsrahmens im Kontext von privater Anpassung. Posterpräsentation. 18. Österreichischer Klimatag, 23.-24. Mai 2017, Universität Wien (Poster).
Factsheets
Mitter, H., Schönhart, M., Schmid, E. (2016): Wie nehmen AgrarexpertInnen Klimaveränderungen, deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Anpassungen wahr? CCCA Fact Sheet #17
Babcicky, P., Seebauer, S. (2017): Anpassung von Privathaushalten an den Klimawandel: Eigenvorsorge gegen Hochwasserrisiken. CCCA Fact Sheet #18
Babcicky, P., Seebauer, S. (2017): Anpassung von Privathaushalten an den Klimawandel: Eigenvorsorge gegen urbane Hitzewellen. CCCA Fact Sheet #19
Tötzer, T. (2017): Anpassung privater Akteure an den Klimawandel: Erfahrungen aus zwei Fallstudien zum Wintertourismus. CCCA Fact Sheet #20
BMLFUW 2017: Die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel – Teil 2: Aktionsplan. Aktualisierte Fassung Jänner 2017. Entwurf zur Vorlage an den Ministerrat (noch nicht veröffentlicht). Wien